Jakobsweg Trier - Vézelay
Datum | Strecke | Länge | Gesamtlänge | |
1. | 07.07.2010 | Trier - Merzkirchen | 31 km | 31 km |
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Von Trier nach Merzkirchen (7. Juni 2010)
Der Mosel-Camino ist geschafft. Ich übernachte heute in der alten Römerstadt Trier im Warsberger Hof, habe aber nicht gut geschlafen. Spät am Abend haben Jugendliche im Haus einen Heidenlärm gemacht, sodass es mir zunächst schwerfiel, einzuschlafen. Nachts bin ich öfter aufgewacht und habe beschlossen, vor dem Frühstück zum Gottesdienst in den Dom zu gehen. Auf dem Weg dorthin werden auf dem Marktplatz schon die ersten Stände aufgebaut, Blumen oder Obst könnte ich bereits kaufen. Um kurz vor sieben Uhr betrete ich den Dom. Es sind alle Portale weit geöffnet, einige Menschen sind bereits auf den Beinen und in Gebete vertieft. Der Gottesdienst findet in der Ostkrypta direkt unter dem Hochaltar statt. Ich muss also den ganzen Dom durchqueren. Neben dem Marienaltar führt eine Treppe in die Krypta hinab. Bevor ich diese benutze, entzünde ich für meine Familie noch ein paar Opferkerzen.
In der Krypta hängt eine große Tafel mit den eingravierten Namen sämtlicher bisheriger Trierer Bischöfe. Hier befindet sich auch die Bischofsgruft. Zum Gottesdienst haben sich cirka 20 Leute eingefunden, er wird durch neun Geistliche zele-briert. Nach einer guten halben Stunde bin ich wieder auf dem Weg zum Warsberger Hof und nehme mein Frühstück ein. Es gibt neben Brötchen frisches Obst, Müsli, Wurst, Käse, Honig, Marmelade…also alles ausreichend vorhanden. Nach dem üppigen Frühstück mache ich mich marschbereit. Ich versorge noch einmal meine Füße, ziehe mich an und schnalle mir den Rucksack auf. Nachdem ich an der Rezeption ausgecheckt und den Schlüssel abgegeben habe, bin ich wieder auf dem Weg, und zwar auf einem ganz besonderen: dem Jakobsweg von Trier nach Vézelay. Ich wähle eine touristische Route durch Trier und laufe erst zum Dom, danach zur Konstantin-Basilika und dem Kurfürstlichen Schloss, anschließend zu den Kaiserthermen. Dort biege ich in die „Matthiasstraße“. Diese zieht sich sehr in die Länge, endet aber schließlich erwartungsvoll vor der Matthias-Basilika. Die Kirche erschlägt mich fast, ehe ich sie betrete. Sie ist monumental in die Höhe gebaut, innen lichtdurchflutet und somit einem Apostelgrab würdig. Allerdings wirkt die Grabesnische mit dem schlichten Sarkophag des Apostels in der Krypta irgendwie schmucklos und einfach. Im Vergleich zu Santiago gibt es hier in Trier keinen großen Prunk, lediglich vor dem Altar liegt über dem Grab ein uraltes Relief des Apostels.
Nach der Besichtigung der Basilika bekomme ich noch nebenan bei der Pforte der Benediktinerabtei einen Stempel für meinen Pilgerpass. Weiter geht es über den asphaltierten Mosel-Radweg in Richtung Konz. Hier spüre ich bei jedem Schritt meine Fußblasen, ich hoffe, es wird nicht schlimmer! An einem Hinweisschild verlasse ich den Radweg, um mir das frühere Kloster Karthaus anzusehen. Irgendwie verpasse ich eine Abzweigung und laufe einen großen Bogen um das Kloster. Leider besteht nur die Möglichkeit, alles von außen zu betrachten, die Kirche ist noch verschlossen. Anstatt wieder zur Mosel zurückzukehren, bleibe ich auf der vor dem Kloster verlaufenden Straße und gehe in Richtung Stadtmitte. Es dauert eine ganze Weile, bis ich über einen Überflieger die Schienenwege überquere. Dabei grüßen mich zwei junge Leute und wünschen mir einen guten Weg. Da nach meinen Unterlagen das katholische Pfarramt erst am Nachmittag öffnet, versuche ich, im Rathaus einen Stempel zu bekommen. An der Pforte werde ich aber an die Tourist-Information verwiesen. Diese befindet sich nur zwei Ecken weiter. Tatsächlich bekomme ich dort einen schönen, aber großen Stempel von Konz. Nach einem Schluck aus der Wasserflasche laufe ich weiter, überquere die Saar und gelange in ein Gewerbegebiet. Dort beginnt ein Radweg, der bis nach Tawern führt. Zum Glück spenden am Rande stehende Bäume etwas Schatten, denn die Temperaturen sind wieder angestiegen. Ich komme an einer Teichanlage vorbei, wo zwei Männer versuchen, einen guten Fang zu machen. Auf einmal beginnt der Weg langsam, später stärker anzusteigen. Er geht nun schnurgeradeaus, am Horizont sind die ersten Häuser von Tawern zu erkennen. Weit vor mir entdecke ich einen Wanderer mit Rucksack und Hut. Ist das vielleicht der Pilger, der auch im Warsberger Hof in Trier übernachtet hat? Kurz darauf bin ich in Tawern, einem eher landwirtschaftlich geprägten Örtchen. Ich kaufe mir in einer Bäckerei neue Getränke und versorge mich in einer Bank mit Geld. Gerade noch schaffe ich es, im Büro der katholischen Pfarrei St. Peter und Paul einen weiteren Pilgerstempel zu erhalten. Nach der Besichtigung der Kirche lasse ich mir bewusst Zeit, auf der Kirchtreppe etwas Obst zu essen und Fruchtsaft zu trinken. Dann verlasse ich Tawern und biege an zwei „schuhkarton-artigen Häusern“ (so steht es in meinem Pilgerführer) nach rechts ab und folge zunächst einer Straße und danach einem Waldpfad aufwärts zu einer römischen Tempelanlage auf den Metzenberg. Das Gelände wurde Mitte der Achtziger des vergangenen Jahrhunderts ausgegraben und rekonstruiert. Es befindet sich in einem sehenswerten und lehrreichen Zustand und bringt dem Besucher die antike Kultstätte plastisch näher.
Vom Tempelbezirk führt der Jakobsweg weiter auf einer alten Römerstraße in Richtung Kümmern. Unterhalb des Örtchens liegt Mannebach, da möchte ich aber heute aufgrund der Höhenunterschiede und meiner schmerzenden Füße nicht hin. Vielmehr geht es in Kümmern eine Landstraße steil hoch, bevor der Weg neben einem Haus als schmaler Pfad fortge-setzt wird. Er zieht sich durch ein Stückchen kühlen Wald und schon bald tauchen die ersten Häuser von Fisch auf. Ich gelange an einen Brunnen, der nebendran mit dem Wappen des Ortes, das eine Jakobsmuschel enthält, verziert ist. Auf einer Bank sitzt ein junger Mann mit Rucksack und einem Stetson auf dem Kopf. Er lächelt, kommt auf mich zu und wir begrüßen uns. Es bedarf keiner Worte, wir erkennen in dem Gegenüber sofort den Pilger. Er nennt mir zwar seinen Namen, aber ich muss gestehen, dass er mir entfallen ist und ich zu blöd bin, nochmal nachzufragen. Daher nenne ich ihn Pasquale. Seine Mutter ist Spanierin und er kommt aus der Region Meckenheim, hat in diesem Jahr Abitur gemacht und pilgert seit zehn Tagen, von Bonn durch die Eifel nach Perl und Schengen. Wir beschließen, nach einer unterhaltsamen Rast gemeinsam weiterzugehen. So ist das also, wenn sich zwei Pilger begegnen und austauschen. Für uns beide ist es eine Premiere, bisher sind wir stets alleine auf dem Camino unterwegs gewesen.
Unterhalb von Fisch besichtigen wir die Rehlinger St.-Jakobus-Kirche. Dort gibt es im Kichturm einen sehr schönen Jakobs-Stempel für den Pilgerpass. Wir tragen uns in das ausliegende Gästebuch ein, ich hinterlasse zusätzlich noch einen Abdruck meines eigenen Stempels. Nun sind es nur noch rund fünf Kilometer bis zu unserem gemeinsamen Ziel, der Pilgerher-berge in Merzkirchen. Dort angekommen, teilt uns die „Herbergsmutter“ Mary Hemmerling mit, dass alle Betten belegt seien. Doch sie bringt uns in ihrem eigenen Haus in einem Zimmer unter. Dort steht uns beiden ein einhundert-vierzig Zentimeter breites Bett zur Verfügung. Nach einer erfrischenden Dusche trinken Pasquale und ich ein kühles alkoholfreies Weizenbier und unterhalten uns mit der Familie Hemmerling. Ich versorge dabei meine Blasen und komme zu der Entscheidung, morgen doch nicht weiter nach Perl zu laufen. Gegenüber der Herberge befindet sich eine Bushaltestelle, dort soll morgen früh um sieben Uhr ein Bus nach Saarburg fahren. Ab da kann ich einen Zug über Trier nach Koblenz nehmen. Am Abend haben wir beide das Vergnügen, mit einer dreizehnköpfigen Damengruppe gemeinsam zu essen und das Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Spanien und Deutschland zu sehen. Vor einem Fenster, in dem der Fernseher steht, wird eine große Tafel aufgebaut. Jeder bekommt einen bunten Salatteller mit kalten Schweinemedaillonstreifen, dazu ein weiteres Weizenbier. Es schmeckt phantastisch. Gegen 22.30 Uhr beschließen Pasquale und ich, uns langsam zurückzuziehen. Ich zahle noch meinen Obolus und bekomme meinen Stempel. Pasquale überlässt mir nach kurzer Diskussion das Bett, das ich ihm eigentlich zur Nutzung freilassen wollte. Er selbst legt sich auf seiner Iso-matte in den Schlafsack und macht sich auf dem Boden breit.
Merzkirchen (8. Juni 2010)
Ich stehe frühzeitig auf, um den Bus um 7.00 Uhr zu bekommen. Ich mache mich reisefertig und verabschiede mich von Pasquale, wünsche ihm noch einen guten Camino. Ich verlasse das Haus und postiere mich an der Bushaltestelle. Leider kommt kein Bus. Eine Viertelstunde später tritt Pasquale aus dem Haus, um sich in der eigentlichen Herberge frisch zu machen. Wir verabschieden uns noch einmal. Ich beschließe schließlich, an die Hauptstraße zu gehen. Vielleicht nimmt mich ja jemand mit. Zu guter Letzt tausche ich meine Sandalen gegen die Wanderstiefel und laufe auf der Landstraße bis nach Saarburg. Kein Autofahrer macht irgendwelche Anstalten, mich trotz meines humpelnden Ganges mitzunehmen. Schließlich sollen es gute acht Kilometer sein, die ich laufen muss. Es geht sogar mit zunehmender Strecke immer besser, da hätte ich auch die zehn Kilometer mehr bis nach Perl laufen können. Aber egal, in Saarburg liegt der Bahnhof am anderen Ende der Stadt. Dort erwische ich rasch einen Zug nach Trier. Im Hauptbahnhof habe ich auch endlich Gelegenheit, mir etwas zum Frühstück zu kaufen. Nur wenige Minuten später sitze ich im Regionalexpress nach Koblenz. In meiner unmittelbaren Nähe hat sich eine Gruppe junger Frauen niedergelassen, die ununterbrochen reden. Sie machen wohl einen Ausflug, den sie mit einer Flasche Sekt beginnen. Am frühen Nachmittag komme ich in Koblenz an und werde dort von meiner Frau am Bahnhof abgeholt. Irgendwann in der Zukunft werde ich meine Kilometer auf dem Jakobsweg in Richtung Santiago in Merzkirchen beginnen lassen müssen. Jetzt heißt es erst einmal, den Rucksack in die Ecke stellen und die Wunden pflegen und ausheilen lassen.
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