Familie auf Zeit - Unterwegs auf dem Camino del Norte
Heute fahre ich nach Marienfels in den Taunus. Dort wird es in der Dorfgaststätte einen Vortrag des evangelischen Pfarrers Matthias Moos geben. Zunächst hole ich aber meinen Pilgerbruder Michael und seine Frau Gaby auf der anderen Rheinseite ab. Dann machen wir uns auf den Weg über Lahnstein, Braubach und Dachsenhausen nach Marienfels. Es ist ganz schön schwierig, hier einen Parkplatz für das Auto zu finden. Nachdem ich zweimal die Hauptstraße rauf und runter gefahren bin parke ich einfach in einem großen Hof vor ein paar Mülltonnen. Das Auto wird hier wohl niemanden stören. Es sind nur ein paar Meter quer über die Straße und wir sind schon da. Wir werden am Eingang von Pfarrer Moos per Handschlag begrüßt. Der Saal ist schon gut gefüllt, ganz vorne sitzt mit Ralf ein Pilgerbruder aus unserem Koblenzer Pilgertreff, später gesellt sich auch noch Hans zu uns. Fast auf die Minute pünktlich begrüßt der Vortragende seine Zuhörer, es dürften inzwischen rund sechzig Personen sein.
Pfarrer Moos ist zum ersten Mal im Jahre 2009 mit fünfzehn weiteren Pfarrern durch die Schweiz gepilgert. Das war für ihn der Anstoß, sich auch einmal alleine auf einem Pilgerweg zu begeben. Dazu wählte er sich für das nachfolgende Jahr den Camino del Norte aus. Doch so ganz alleine sollte es auf der Reise nicht zugehen. Zunächst einmal schlossen sich die Marienfelser Küsterin und ihr Mann dem Geistlichen an und begleiteten ihn auf den meisten Streckenabschnitten. Unterwegs auf dem Camino traf er nicht sehr viele Pilger, dafür ist der ausgewählte Weg doch noch zu abgelegen und ursprünglich. Trotzdem lernte er Menschen aus zwölf verschiedenen Ländern kennen. Im Gegensatz zum Pilgern in der Gruppe fühlte er sich wesentlich freier und ungebundener. Das Leben in einer „Familie auf Zeit“ hat einen ganz anderen Reiz als die gebundene Gruppe, auf die man Rücksicht nehmen muss.
Am 3. September 2010 ging es am Flughafen Hahn los. An der eher unscheinbaren Kathedrale von Santander ging der Camino für die Pilger los. „Der Asphalt ist des Pilgers Tod“, schon nach kurzer Zeit gab es die ersten Blasen und Pfarrer Moos wollte sich neue Schuhe kaufen. Allerdings gab es keine in seiner Schuhgröße 47. Eigentlich wollte er unterwegs Kirchen für Andachten und Gebete nutzen, doch leider waren die meisten verschlossen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als die Zeit unter freiem Himmel hierfür zu nutzen. Etwas abseits vom Camino del Norte, doch ein lohnendes Ausflugsziel sollte Leon werden. Von Oviedo fuhren sie einem streng bewachten Bahnhof mit dem Zug in die Stadt am Camino Frances. Weiter ging es dann auf dem Camino del Norte über Navia und Ribadeo weiter. Hier trennten sich für ein paar Tage die Wege, weil sich die Küsterin den Magen verdorben hatte. Ihr musste sogar im Krankenhaus an eine Infusion angelegt werden. So ging der Pfarrer über Gontan bis nach Baamonde. Erst dort erfolgte wieder der Zusammenschluss der kleinen Gruppe.
Der weitere Streckenverlauf ging über Miraz und Arzua, wo man von dem eher ruhigen Camino del Norte auf den schon fast übervölkerten Camino Frances stieß. Von dort war es dann nicht mehr weit bis zum Monte de Gozo, wo sie wieder mit vielen trafen, mit denen sie vorher schon gemeinsam unterwegs waren. Die letzten Kilometer nach Santiago wurden dann trotzdem entspannt gelaufen, um sich dann vier Stunden in eine lange Schlange anzustellen, um die Compostella zu erhalten. In Santiago trennten sich dann ihre Wege. Die Küsterin ging mit ihrem Mann weiter bis zum Kap Fisterre, Pfarrer Moos zog es auf den Camino Portugués in umgekehrter Richtung. Allerdings legte er die Strecke nur teilweise zu Fuß zurück, bis kurz hinter die Grenze nach Portugal. Ab dort fuhr er mit dem Zug weiter bis Porto. Am 30. Sep-tember war dann der Tag der Rückreise nach Deutschland gekommen.
Pfarrer Moos erzählt begeisternd von seiner Pilgerschaft, zeigt dabei unzählige Bilder von den unterschiedlichen Landschaften und Städten. Er weiß zu jedem Bild etwas berichten. Ich bin ganz vertieft in den Vortrag und ich glaube, es geht vielen hier im Saal so wie mir: Rucksack aufschnallen und losgehen. Nach knapp neunzig Minuten ist der Vortrag leider schon wieder vorbei und wir fahren motiviert nach Hause.