Camino Primitivo 2018
Datum | Strecke | Länge | Gesamtlänge | |
1. | 11.06.2018 | Oviedo - Grado | 26 km | 26 km |
2. | 12.06.2018 | Grado - Bodenaya | 30 km | 56 km |
3. | 13.06.2018 | Bodenaya - Borres | 29 km | 85 km |
4. | 14.06.2018 | Borres - Berducedo | 25 km | 110 km |
5. | 15.06.2018 | Berducedo - Castro | 25 km | 135 km |
6. | 16.06.2018 | Castro - Fonsegrada | 24 km | 159 km |
7. | 17.06.2018 | Fonsegrada - Castroverde | 29 km | 188 km |
8. | 18.06.2018 | Castroverde - Lugo | 23 km | 211 km |
9. | 19.06.2018 | Lugo - Ferreira | 29 km | 240 km |
10. | 20.06.2018 | Ferreira - Arzua | 35 km | 275 km |
11. | 21.06.2018 | Arzua - Monte do Gozo | 34 km | 309 km |
12. | 22.06.2018 | Monte do Gozo - Santiago de Compostela | 5 km | 314 km |
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Einmal quer durch Europa, bitte Sonntag, 10. Juni 2018: Frankfurt - Madrid - Oviedo Der Countdown für den diesjährigen Camino hatte für mich einiges zu bieten. Am Mittwoch stand ein Vorsorgetermin im Kalender, am Donnerstag hatte ich ein Belastungs-EKG und am Abend Pilgerforum. Freitags musste ich zum Augenarzt und nachmittags eine Laufveranstaltung leiten. Ganz beson-ders bewegend war der Besuch des Farewell-Konzertes der schottischen Folk-Rocker Runrig in der Kölner Lanxess-Arena, die sich nun nach 45 Jahren im Musikgeschäft von ihren treuen Fans verabschieden. Susanne und ich sind schon lange begeistert von den stimmungsvollen Songs und haben uns frühzeitig Tickets besorgt. Die drei Stunden Programm aus dem gesamten Repertoire der Band waren sehr emotional und bei vielen Songs kullerten Tränen aus den Augen. Ich hätte nicht gedacht, dass so ein Abschied schwerfallen kann. Heute Morgen frühstücken wir noch zusammen, dann bringt mich Susanne zum Bahnhof. Mit dem ICE fahre ich nach Frankfurt, wo ich um 15:00 Uhr zunächst nach Madrid fliegen werde. Die Bahnfahrt verläuft ohne Probleme. Am Flughafen muss ich mit einem Shuttlebus zum Terminal 2 fahren. Dort dauert es einige Zeit, bis der Iberia-Schalter öffnet. Nach der zügigen Abgabe meines Rucksackes, der zum Glück nach Oviedo durchgecheckt werden kann, stehe ich am Ende einer gefühlt einhundert Meter langen Menschenschlange vor dem Sicherheitsbereich. Nach dreißig Minuten habe ich diese Hürde schneller bewältigt als gedacht und begebe mich zum Gate D24. Dort lehne ich mich im Wartebereich entspannt auf einem bequemen Sessel zurück und genieße einen kleinen Mittagssnack. Die Bäckerei Kamps hat sich mit meinem Käsebaguette eine Überraschung einfallen lassen: eine winzig kleine Schnecke zieht ihre Spur über die vor mir ausgebreitete Papiertüte…Guten Appetit! Das Boarding beginnt pünktlich, doch wegen einem Fluglotsenstreik in Marseille kommt es in Südfrankreich zu Störungen im Flugverkehr. Das hat auch Auswirkungen auf meinen Flug, der erst um 15:50 Uhr in Frankfurt mit einer glatten Stunde Verspätung abhebt. Aufgrund des Streiks müssen wir statt dem direkten Weg in die spanische Hauptstadt eine Ausweichroute über London nehmen. Um 18:06 Uhr landen wir in Madrid. Der Flug war wegen ein paar Turbulenzen zu Beginn etwas holprig und im Landeanflug machten wir mal eben einen kleinen, aber deutlich spürbaren Satz abwärts. Ich muss noch ein paar Minuten im Terminal 4 warten, bis das Gate für den Anschlussflug nach Oviedo bekannt gegeben wird. Nach wenigen Augenblicken weiß ich, dass ich nur ein paar Schritte bis zu Gate K87 laufen muss. Wenn jetzt auch noch mein Rucksack im richtigen Flieger landet, bin ich für heute zufrieden. Zur Abflugzeit um 19:40 Uhr stehe ich immer noch in der Boardingschlange. Der Schalter ist zwar besetzt, aber es passiert nichts. Um 20:20 Uhr heben wir endlich ab - erneut eine Auswirkung des Streiks in Südfrankreich. Zum Glück habe ich am Flughafen Asturias genug Zeit, bis mein Bus nach Oviedo fährt. Um kurz nach 21:00 Uhr landen wir und es regnet in Strömen. Mein Rucksack erscheint als eines der ersten Gepäckstücke auf dem Band, ist allerdings nass geworden. Ich nehme ihn aus der Transporthülle und verstaue diese in der Bodenklappe. Dabei stelle ich fest, dass sich der Reißverschluss des Staufaches für den Regenschutz nicht mehr schließen lässt. Da muss ich mir zukünftig etwas einfallen lassen. Ich kann mich in Ruhe im Flughafen orientieren und finde schnell den Abfahrtsort des Busses. Mit wir wartet noch eine Handvoll weiterer Passagiere unter dem Dach der Haltestelle, das anscheinend nicht ganz dicht ist und Regenwasser durchlässt. Wenigstens fährt der Bus pünktlich um 22:30 Uhr ab. Während der Fahrt erhalte ich auf meinem Handy eine Nachricht mit guten Wünschen von Monica aus London, die ich letztes Jahr auf dem Caminho Português kennengelernt hatte. Durch das Anhalten des Busses in Oviedo werde ich aus einem leichten Schlaf geweckt. Vom Busbahnhof bis zur Pensión Romero in der Calle Uria sind es nur ein paar Minuten Fußweg. Ich finde die Straße ohne Schwierigkeiten finde und besorge mir nebenan zuerst zwei Burger, bevor ich einchecke. Es ist 23:45 Uhr, als ich an der Rezeption stehe und den Schlüssel für das Zimmer mit der Nummer 14 erhalte. Das Zimmer ist klein, aber sauber und völlig ausreichend für eine „halbe Nacht“. Ich hänge alles nass gewordenen Teile im Badezimmer zum Trocknen auf, esse die beiden Burger und lege mich dann endlich ins Bett. Es ist Zeit zum Ausruhen von diesem doch anstrengenden Tag. Gute Nacht an alle daheim Gebliebenen.
Unverhofft Vizemeister Montag, 11. Juni 2018: Von Oviedo nach Grado Die Nacht habe ich gut verbracht, auch wenn ich hin und wieder einmal wach geworden bin. Um 6:30 Uhr stehe ich auf und mache mich für den ersten Pilgertag fertig. Da es zurzeit noch recht frisch ist und der Himmel sich hinter grauen Wolken versteckt, bevorzuge ich ein langes Hemd. An der Rezeption hole ich mir meinen ersten Stempel und begebe mich auf den Weg zur nahe gelegenen Kathedrale San Salvador, die zwischen 1388 und 1539 erbaut wurde. Dort treffe ich auch schon den ersten Pilger, einen Spanier, den ich danach nie wiedergesehen habe. Er bittet mich, ein Foto von seinem Camino-Start vor der Kathedrale zu machen. Gerne erfülle ich ihm den Wunsch. Er bedankt sich, zieht flotten Schrittes von dannen und lässt mich in der Einsamkeit des großzügig angelegten Platzes vor der Kathedrale zurück. Um 7:15 Uhr marschiere ich selbst los, und folge den bronzenen Muscheln auf dem Boden, die mir den Weg aus Oviedo weisen. Noch in der Stadt treffe ich auf zwei weitere Pilger aus Spanien. Ich bin gespannt, wie stark der Weg belaufen ist. Schließlich verlasse ich den ausgewiesenen Weg, und gehe auf die Alternativroute zu den beiden romanischen Kirchen Santa María del Naranco und San Miguel de Lillo aus dem 9. Jahrhundert. Auch dieser Weg scheint markiert zu sein - jetzt allerdings mit gelben Pfeilen; dachte ich zumindest für einen Augenblick - es war letztlich nur ein einziger. Ich schaue ersatzweise auf die GPS-Daten, die ich mir auf meinem Handy in die App Locus Map Pro geladen habe. Damit habe ich schon längere Zeit sehr gute Erfahrungen gemacht und kann sie nur empfehlen. Im Regelfall sollte man auf dem Camino Primitivo mit den vorhandenen Markierungen gut zurechtkommen, aber ich brauche in letzter Hinsicht noch eine zusätzliche Absicherung. Auf den Glockenschlag um 8:00 Uhr verlasse ich die Randgebiete von Oviedo in einen aufgeweichten Wiesenweg. Schon bald erreiche ich das präromanische Bauwerk Santa María del Naranco, das ursprünglich als Belvedere einer Palastanlage des asturischen Königs Ramiro I. errichtet. San Miguel de Lillo war die eigentlich Palastkapelle der Anlage und wurde durch einen Erdrutsch im 12./13. Jahrhundert so stark beschädigt, dass sie nicht mehr genutzt werden konnte. Deshalb wurde das Belevedere zur Kirche umgebaut. Allmählich verschwinden die Wolken und lassen die Sonne durch die entstehenden Lücken. Dadurch erstrahlen die beiden historischen Gebäude gleich in freundlicheren Farben. Hinter den Kirchen, die leider noch verschlossen sind, wandere ich auf einer kleinen, kaum befahrenen Straße durch inzwischen sehr ländliches Gebiet. Es gibt hier nur noch vereinzelt Häuser, viele Weideflächen und hin und wieder auch ein paar Rinder und Ziegen, die mich um diese Uhrzeit noch ein wenig verwundert ansehen. Gegen 10:30 Uhr oder nach rund 14 Kilometern bekomme ich allmählich Hunger. In Escamplero finde ich in der Nähe eines Hauses einen Hinweis auf die Bar El Tendejón de Fernando, die ich aber zunächst nicht ausmachen kann. Erst nachdem ich die Straße in eine abfallende Einfahrt verlasse, entdecke ich im Untergeschoß des Hauses die Bar. Ich gönne mir einen Café con leche, ein Ei-Schinkenbrötchen und ein Glas Mineralwasser. Außerdem kaufe ich noch zwei Flaschen Wasser, da ich meine letzten flüssigen Vorräte gestern Abend und in der Nacht aufgebraucht und bisher noch keine Einkaufsmöglichkeit hatte. Da habe ich für die nächsten Tage noch eindeutig Nachbesserungsbedarf, denn durch das Fehlen von Wasser habe ich dementsprechend viel zu wenig getrunken. Eine gute halbe Stunde später bin ich wieder unterwegs. Es geht noch ein kurzes Stück über eine kleine Straße und danach durch kühlen Wald und an Wiesen vorbei. Es herrschen jetzt frühlingshafte Temperaturen und es weht eine angenehme leichte Brise. Sobald man allerdings den Wald verlässt, ist die Sonne da und die Temperatur steigt gefühlt um 10 Grad an. Inzwischen sind die Wolken gänzlich verschwunden und der Himmel ist in einem angenehmen Blauton gefärbt. Es ist hier sehr einsam. Die Geräuschkulisse ist Natur pur. Man hört Wasserrauschen, Vogelgezwitscher, das Brüllen von Rindern und hin und wieder auch einmal eine Grille zirpen. Und wenn man die Nase gut im Wind hat, riecht es sogar nach Eukalyptus. Es geht ständig auf und ab, mal auf ruhigen Landstraßen, mal durch kleine Dörfer mit alten, aber gemütlich erscheinenden Häusern, aber dann auch wieder über kleine Pfade durch Gottes wunderbare Schöpfung. Auf einem solchen Pfad tummeln sich vor mir lauter kleine Eidechsen, die sich genüsslich in der Sonne baden, aber rasch die Flucht ergreifen. Es folgt nun ein Wegabschnitt, der in großen Teilen überflutet ist. Ich bin froh, dass ich meine Stöcke dabeihabe, mit denen ich mich gut abstützen muss, denn ich kann nur breitbeinig den wasserführenden Weg passieren. Unmittelbar danach gibt es auch wieder Zivilisationslärm in Form einer parallel verlaufenden Autobahn. Hier geht es nun ein Stück entlang des Rio Nalón, der über ein Wehr in die Tiefe stürzt und ebenso lärmt. Ich überquere den Fluß über eine mittelalterliche Brücke, deren Ursprünge im 12. Jahrhundert liegen, und werde kurz darauf in Peñaflor wegen Bauarbeiten auf eine nicht so schöne Umleitung entlang einer Straße nach Grado geleitet. Auf diesem Abschnitt überhole ich noch drei sehr langsame Pilger (wie ich später erfuhr, Lisa aus Belgien und Gonzalo aus Spanien). Ich muss noch um ein paar Ecken laufen und erreiche um 13:15 Uhr die öffentliche Pilgerherberge von Grado, die über sechzehn Betten verfügt, aber erst um 14:00 Uhr öffnet. Ich bin allerdings verwundert, dass erst ein Japaner vor mir da ist, obwohl ich von mindestens fünf Pilgern auf der Strecke überholt wurde. Alle Sorgen während der ersten Etappe über die Verfügbarkeit eines Bettes für mich waren wieder einmal unnötig. Ich lasse mich auf einer niedrigen Mauer vor der Herberge nieder und schaue mir die zurückgelegte Strecke auf meinem Handy an. Inzwischen treffen Lisa, Gonzalo und weitere Pilger ein. Die Herberge öffnet pünktlich ihre Pforten. Wir werden von den Hospitaleros Victoria und John aus den USA aufgenommen, erhalten gleich zwei Stempel und werden über den Tagesablauf informiert. Ich suche mir mein Bett im Schlafsaal, der sich im Obergeschoß befindet, aus und wasche meine verschwitzen Kleidungsstücke. Danach geht es unter die Dusche. Um 17:00 Uhr gibt es eine Happy Hour, bei der Sangria und Snacks angeboten werden. Dabei unterhalte ich mich mit Rudi aus Hüttenberg, Brian aus Irland und Chiara aus London. Wermutstropfen des heutigen Tages: irgendwie muss mein zweites Handy, mit dem ich mich auf dem Weg orientiere, verschwunden sein. Ich hatte es beim Warten vor der Herberge noch genutzt und die heutigen Daten abgespeichert, danach verliert sich die Spur. Ich vermute, dass ich es auf den Rucksack gelegt habe. Dann ist es wohl beim Aufstehen unbemerkt heruntergefallen. Shit happens. Ein Koreaner gibt mir den Tipp für eine App, mit der man sein Handy auffinden kann. Die App funktioniert, aber mein abtrünniges Mobiltelefon ist anscheinend gefunden, mitgenommen und inzwischen ausgeschaltet worden und somit nicht mehr erreichbar. Ich laufe später noch einmal durch die Stadt, aber heute hat hier kein Geschäft geöffnet, da gestern ein großer Markt mit verkaufsoffenem Sonntag stattfand. Deshalb bin ich froh, wenigstens einen Automaten gefunden zu haben, aus dem ich für heute und vor allem für den morgigen Tag Getränke erhalte.
Morgens Katastrophe - abends Glückseligkeit Dienstag, 12. Juni 2018: Von Grado nach Bodenaya Der Tag beginnt genauso, wie der gestrige endete. Ich bin total begeistert. Um 5:30 Uhr stehe ich als einer der ersten auf, packe meine Sachen und gehe nach unten in den Aufenthaltsraum. Beim Verpacken meiner Ausrüstung stelle ich fest, dass nun auch mein zweites Handy verschwunden ist. Inzwischen füllt sich der Raum, da es ein kleines Frühstück gibt. Danach ist mir jedoch im Moment nicht zumute, ich habe ganz andere Sorgen. Mir gehen alle möglichen Gedanken wirr durch den Kopf und ich muss erst einmal wieder runterkommen. Das fehlt mir noch, wenn innerhalb weniger Stunden beide Handys verschwunden wären. Während sich die Herberge allmählich leert, versucht mich mein koreanischer Helfer zu beruhigen, was ihm auch gelingt. Über sein Gerät wollen wir uns in mein Konto einloggen, aber das funktioniert irgendwie nicht. Da ich meine eigene Telefonnummer nicht auswendig kenne, rufe ich zu Hause an. Die Nummer hilf uns aber auch nicht weiter, da Google den Zugriff auf mein Konto von seinem Gerät sperrt. Nachdem ich über den Computer der Herberge meinen Account ansprechen kann, gelingt es auch, das Handy anzusprechen und klingeln zu lassen. Und es ertönt tatsächlich der bekannte Volbeat-Klingelton aus der Ecke, in der meine Ausrüstung auf dem Boden verteilt rumliegt. Das Handy hat sich doch tatsächlich im Rückenteil des Rucksackes verfangen und war dort nicht sichtbar eingeklemmt. Der Koreaner, Victoria, John und vor allem ich sind glücklich über diesen Ausgang. Ich packe meinen Rucksack, verabschiede mich von den dreien ganz herzlich und starte mit neunzig Minuten Verspätung endlich den heutigen Abschnitt. Mein Donativo fällt deshalb vor lauter Dankbarkeit auch etwas größer aus. Es geht zunächst mit einem steilen Anstieg aus Grado heraus, danach wechseln sich ständig und wie bereits gewohnt unterschiedliche Höhen auf wenig genutzten Landstraßen ab. Nach circa drei Kilometern Marsch entscheide ich mich aufgrund der Wetterlage, doch ein langes Hemd anzuziehen. Es ist noch recht frisch, grau und neblig. Allmählich wird der Camino anspruchsvoller. Steile Anstiege, steile Abstiege, manchmal doch auch mal erholsamere, flache Stücke. In der Summe ist das heute schon wesentlich anspruchsvoller als die gestrige Etappe. An einer Stelle ist der Weg so verschlammt, dass ich ohne meine Stöcke überhaupt nicht durchkommen würde. Trotzdem rutsche ich einmal aus und liege auf der Seite. Zum Glück ist bis auf die verschmutzte Kleidung nichts passiert. Zwei Kilometer weiter folgt die nächste schwierige Passage. Hier geht es über mehrere Serpentinen steil bergab, der Un-tergrund ist sehr feucht und rutschig. Auch hier bin ich froh, ein drittes und viertes Bein dabei zu haben. Es folgt eine Landstraße, an der sich eine große Kiwi-Plantage befindet. Ich habe hier das Gefühl, dass vereinzelte Tropfen auf meinem Gesicht das landen. Es sieht auch irgendwie nach Regen aus. Bei der Überquerung des Rio Narceas regnet es dann tatsächlich. Hinter der Brücke ist der Spuk jedoch schon wieder vorbei. Der starke, angekündigte Regen ist bis jetzt ausgegeben. In Cornellana lege ich eine Pause ein, um endlich das vor lauter Aufregung ausgelassene Frühstück einzunehmen. Ich habe knapp elf Kilometer Wegstrecke hinter mir und mache mich nach knapp zwanzig Minuten wieder auf die Piste. Zunächst laufe ich am 1024 gegründeten, ehemaligen Kloster San Salvador vorbei. Dort überhole ich einen älteren Pilger, der strammen Schrittes unterwegs ist. Nach der Umrundung der vernachlässigten Klosteranlage geht es auf einer Landstraße wieder einmal steil aufwärts. Bald erreiche ich erneut eine Passage, die sehr rutschig ist. Sie ist übersät mit Matsch und in der Mitte fließt ein kleiner Bach den Berg hinunter. Nach einem guten Kilometer ist dieser Abschnitt endlich vorbei. Das kostet nicht nur viel Konzentration und Aufmerksamkeit, sondern auch sehr viel Energie. Als Belohnung dafür gönne ich mir jetzt eine Cola, die ich aus einem Automaten am Straßenrand ziehe. Kurz vor Salas kaufe ich mir an einem weiteren Automaten noch eine Dose. Ich brauche nach dem vielen geschmacklosen Wasser einfach mal etwas Anderes zu trinken. Um 12:45 Uhr erreiche ich Salas. Da ich gerade an Supermarkt vorbeilaufe, nutze ich die Gelegenheit, noch einmal Getränke nachzulegen und für den kleinen Hunger zwischendurch ein paar Riegel zu kaufen. Jetzt habe ich noch circa fünf Kilometer mit einem Höhenunterschied von rund 460 Höhenmetern zu bewältigen, bis ich in der kultigen Herberge von David in Bodenaya ankomme. Ich hoffe, dass dort noch ein Bett für mich frei ist. Der steinige Weg steigt zunächst moderat an und ist zumin-dest im unteren Teil noch nicht besonders anstrengend. Inzwischen bin ich hier relativ allein, weit und breit ist niemand mehr zu sehen. Neben mir rauscht ein Bach in die Tiefe, der aufgrund der starken Regenfälle der letzten Tage deutlich mehr Wasser mit sich führt, als sonst. Mein Weg ist inzwischen ein einziges großes Rinnsal geworden und ich muss ständig auf den Boden schauen, um nicht in eine Vertiefung zu versinken oder nasse Füße zu bekommen. Vor der Abreise nach Spanien habe ich mich für Halbschuhe entschieden, so wie die meisten Pilger hier auch. Ich habe lange überlegt, ob ich nicht doch meine knöchelhohen, aber auch schweren Wanderstiefel mitnehmen sollte. Bisher bin ich mit meiner Schuhwahl sehr zufrieden, hatte keine Probleme damit und hoffe, dass es weiterhin so bleibt. Dann macht der Weg plötzlich eine Linkskurve und ich stehe vor einem Weg wie eine Wand, die sich steil vor mir auftürmt. Schließlich komme ich nach dem steilen Anstieg zu einer Straße, auf der ich eine Weile bleiben werde. Inzwischen ist dichter Nebel aufgezogen, aus dem kleine Tröpfchen niederfallen. Bevor ich die Straße verlasse, ziehe ich den Regenschutz über den Rucksack und meine Regenjacke an. Der Weg ist wieder sehr matschig und ich muss gut aufpassen, wo ich hintrete. Gleichzeitig wird es wieder steiler, doch es sind nur noch wenige Schritte bis Bodenaya, wo ich gegen 14:30 Uhr eintreffe. Ich werde herzlich von David begrüßt und ja, er hat noch ein Bett für mich frei. Die Herberge ist wirklich kultig und ich fühle mich hier gut aufgehoben. In dem alten Steinhaus ist im Untergeschoss der Aufenthaltsraum mit kleiner Küche, im Obergeschoss befinden sich in drei Zimmern die Betten. Es riecht nach Räucherstäbchen und es läuft atmosphärische Musik. Stella nimmt unsere Daten auf und stempelt unsere Credenciales. Die beiden machen uns mit den Einrichtungen der Herberge vertraut und laden uns ein, das Haus während des Aufenthaltes als unser Zuhause anzunehmen. Sie bieten Abendessen und Frühstück an, wir können unsere Wäsche in der Maschine waschen lassen und uns am Inhalt des Kühlschrankes bedienen. Das komplette Paket gibt es auf Spendenbasis. Da fühlt man sich nach dreißig Kilometern mit rund 1200 Höhenmetern einfach nur wohl und genießt. Danach suche ich mir im Obergeschoss in einer kleinen Kam-mer ein Bett und stelle mich zuerst einmal unter die Dusche. Ich bringe noch meine Wäsche nach unten in den „Zauberkorb“ und setze mich zu Thorsten aus Darmstadt an den Tisch. Im Laufe unseres Gespräches kommen noch Lisa und Gonzalo in die Herberge und erhalten auch noch ein Bett. Dann ist aber completo! Vor dem Abendessen hält David eine kurze Ansprache und bittet jeden von uns, sich kurz vorzustellen. Leider verstehe ich die in Überzahl anwesenden Spanier gar nicht. Zum Abschluss vereinbaren wir noch eine Uhrzeit, wann morgen früh alle geweckt werden. Selbstständiges aufstehen, verbunden mit Lärm beim Zusammenpacken seiner Sachen, ist nicht erwünscht. Das finden alle auch gut. Und dann lassen wir uns das Menü schmecken - Salat, Eintopf und Dessert.
Wassergräben und Schlammlöcher Mittwoch, 13. Juni 2018: Von Bodenaya nach Borres Das kann heute nur ein guter Tag werden. Um Punkt 7:00 Uhr werden wir mit einem „Ave Maria“ aus den Lautsprechern sanft geweckt. So allmählich kommt Bewegung in die Herberge, und auch ich stehe sofort auf und kümmere mich um meine Sachen. Zunächst gehe ich nach unten und finde dort in der sorgsam gefalteten, aufgereihten und vor allem sauberen Wäsche auch meine Kleidungsstücke, die ich gestern zum Waschen abgegeben habe. Nachdem ich meinen Rucksack verpackt habe, nehme ich ein kleines Frühstück zu mir. Um 7:45 Uhr bin ich abmarschbereit. Ich verabschiede mich von David, der anscheinend keinen seiner Gäste loslassen möchte. Es war mir eine sehr große Freude, ihn kennengelernt zu haben und in seiner Herberge übernachten zu dürfen. Hier lebt Camino-Atmosphäre, wie man sie sich wünscht. Der Aufenthalt in Bodenaya wird mir für die nächsten Tage Kraft und Motivation geben. Als ich schließlich aus der Herberge trete bin ich erstaunt, denn am Himmel sind nur noch vereinzelt Wolken und relativ viel Blau zu sehen. Ich bin frohen Mutes, dass trotz der Vorhersage von gestern das Wetter einigermaßen mitspielt und es auch ohne Nebel einiges zu sehen gibt. Zunächst geht es einmal mehr über matschige Wege, so dass meine Schuhe bald wieder eher braun als grau aussehen. An einer kleinen Einsiedelei in La Pereda bin ich noch so in Gedanken, dass ich die Markierung falsch interpretiere und einfach geradeaus weitergehe, anstatt nach rechts abzubiegen. Doch schon an der nächsten Kreuzung finde ich keinen der ansonsten überall platzierten Monolithen und stelle meinen Fehler anhand meiner Daten fest. Zum Glück war ich nur ein sehr kurzes Stückchen in der falschen Richtung unterwegs. Wieder zurück an der Einsiedelei entdecke ich auch die Markierung und folge ihr. Direkt dahinter passiere ich ein Haus, das mit hübschen Bildern aus Muscheln verziert ist. Nach einer guten Stunde Gehzeit gelange ich in Bedures an einen umgebauten asturischen Horrero, in dem eine Pilgerrast eingerichtet wurde. Dort gibt es auch Getränke- und Snackautomaten, denen ich eine Dose Elektrolytgetränk entnehme. Bald tut sich vor mir die nächste Matschprüfung auf, und wenn ich das richtig überblicke, auf einer Länge von rund 150 Metern. Es ist nirgendwo eindeutig erkennbar, wo sich bereits andere Pilger ihren Weg gebahnt haben. Also entscheide ich mich für die linke Seite. Nur ganz selten entdecke ich vor mir einen Stein, auf den ich einen Fuß sicher abstellen kann. Ansonsten muss ich mich mit meinen Stöcken so abstützen, dass ich einen großen Schritt machen kann. Das glückt nicht immer. Hin und wieder rutsche ich auch einmal ab und versinke fast bis zum Knöchel im Schlamm. Einmal verliere ich doch kurz den Halt und lande mit meinem linken Arm glatt in einem Stacheldrahtzaun. Es ist aber nichts passiert, ich habe mir keine Verletzung zugezogen und auch mein Rucksack musste nicht leiden. Irgendwie komme ich aus dieser Matschgrube heil heraus. Ich hoffe, dass der Matsch jetzt allmählich weniger wird, allerdings befürchte ich das Gegenteil. Gegen 10:45 Uhr erreiche ich Tineo und laufe an der Rochus-Kapelle vorbei und durch eine kleine Allee in die Stadt hinein. Dabei komme ich an einer Pilgerstatue aus Stahl vorbei, die ich natürlich auf einem Foto festhalten muss. Inzwischen haben die Wolken wieder etwas zugenommen, doch es herrscht eine angenehme Temperatur mit guten äußeren Bedingungen für den heutigen Pilgertag. Von Tineo bekomme ich nicht viel mit, da ich die Stadt nur streife. Ich finde sie, aus der Entfernung betrachtet, mit ihrer dichten Bebauung auch nicht gerade attraktiv. Nach einem asphaltieren Abschnitt steigt der Weg um rund 300 Höhenmeter an und ist fast ständig mit einem breiten Rinnsal und dem gewohnten Schlamm versehen. Ich bin verwundert, dass ich trotzdem gut vorankomme. Zu meiner Freude geht es nun auf den nächsten Kilometern wieder leicht abwärts. Zwei Kilometer vor Campiello treffe ich in einem Waldstück Lisa sowie Marie aus dem Schwarzwald und ihre sehr gut Deutsch sprechende spanische Freundin. Wir laufen gemeinsam weiter, zunächst eine Weile entlang einer ansteigenden Landstraße, die aber nicht stark befahren ist. In Campiello gönnen wir uns einer Bar ein kühles Bier und ich kaufe noch ein paar Kleinigkeiten für den morgigen Tag ein. Lisa ist inzwischen schon aufgebrochen, aber sie hat ihren eigenen Schritt drauf, den ich nicht aufnehmen möchte. Nach rund zweihundert Metern bemerke ich, dass ich meine Stöcke in der Bar vergessen habe und kehre noch einmal um. Die beiden Freundinnen haben sich für die Südvariante entschieden und haben jetzt noch rund dreizehn Kilometer bis Pola de Allande vor sich. Ich hingegen werde in Borres über-nachten und morgen über die Routa de Hospitales gehen. Bis Borres laufe ich noch einmal an der Landstraße entlang und als krönenden Abschluss noch einmal durch Matsch. Bevor ich in die Herberge gehe, muss ich zu einer Bar weiterlaufen, um mich anzumelden. Dort werde ich am Abend auch etwas zu essen bekommen. Gegen 15:00 Uhr treffe ich in der einfachen Albergue Santa Maria de Borres ein, die in einer alten Schule eingerichtet wurde, und suche mir mein Bett aus. Die meisten der Doppelstockbetten sind bereits belegt, aber ich kann noch eines der unteren ergattern. Ein Bett hat sogar drei Stockwerke und ist mit einem Zettel versehen: „Nur für Alpinisten“. Dann wird es Zeit, meine Schuhe vom Dreck zu befreien, zu waschen und zu duschen. Als ich damit fertig bin, tauchen auch noch nacheinander Thorsten und Lisa auf und bekomme noch ihr Bett. Außerdem sind in der Herberge neben einem Ehepaar aus Franken noch Gäste aus Italien, Spanien, Russland und Argentinien vor Ort. Da es in Borres sonst nichts Lohnendes gibt, nutze ich die Zeit - wie die meisten anderen auch - um mich ein wenig auszuruhen. Am Abend gehe ich mit dem russischen Pilger, der aus Mos-kau stammt, und Thorsten in die kleine Bar zum Abendessen. Es gibt ein günstiges Pilgermenü mit einer leckeren Gemüsesuppe, Tomaten mit Sardinen und Tortilla. Dazu leeren wir zwei Flaschen Sidra. Unser russischer Pilgerfreund spricht nicht besonders gut Englisch, seine Kenntnisse stammen lediglich aus Computerspielen. Deshalb benutzt er hin und wieder ein Übersetzungsprogramm. Trotzdem funktioniert die Verständigung ganz gut.
Traumhafte Aussichten Donnerstag, 14. Juni 2018: Von Borres nach Berducedo Mein Rucksack ist heute deutlich schwerer wie noch am gestrigen Tage. Nach dem Abendessen habe ich mir noch eine große Flasche Wasser und ein Brot gekauft, da es heute keine Einkaufsmöglichkeit gibt. Um 7:15 Uhr bin ich abmarschbereit. Die ersten Pilger haben allerdings schon einige Zeit vor mir die Herberge verlassen. Zunächst geht es steil aufwärts, dann über einen Waldweg weiter bis zur Wegetrennung der beiden Routen. Ich habe mich bereits von Anfang an für die Routa de Hospitales entschieden, die zwar den direkten Weg über Pass und Berg nimmt, aber auch an drei Ruinen von historischen Pilgerhospitälern vorbeiführt. Der Camino führt mich momentan durch Heidelandschaft, es ist noch angenehm kühl und es Nebel liegt über der Land-schaft. Überall sind Spinnweben gespannt, in denen sich kleine Wassertropfen verfangen haben. Ich bin frohen Mutes, dass sich der Nebel verzogen hat, wenn ich auf der Höhe angekommen bin. In La Mortera schaue ich mir zunächst die Capilla de San Pascual aus dem 16. Jahrhundert an. Der kunstvoll geschnitzte Altar sieht sehr vernachlässigt und heruntergekommen aus. Vereinzelt ist noch die Farbe vorhanden und lässt ungefähr erahnen, in welcher Pracht er einmal in der Vergangenheit erschien. Unmittelbar hinter der Kapelle beginnt der Weg kräftig an zu steigen. Zum ersten Mal fließt heute richtig der Schweiß. Auf einmal taucht aus dem Nebel eine Gestalt auf, die sich rasch als Lisa entpuppt. Bevor sie die Höhe erklimmt, möchte sie in La Mortera noch frühstücken, es soll dort eine geöffnete Bar geben. Ich ziehe weiter und werde es heute etwas gemütlicher angehen lassen, da doch sehr viele Höhenmeter zu bewältigen sind, die mich letztendlich auf rund 1220 Meter bringen werden. Auch der Abstieg ist nicht zu verkennen, der wird ebenfalls Konzentration und Energie erfordern. Gegen 8:20 Uhr wird es hinter meinem Rücken deutlich heller, die Sonne kommt zum Vorschein. Ich habe die berechtigte Hoffnung, dass es nun nicht mehr allzu lange dauert, bis die Nebelwand verschwindet. Nur zehn Minuten später und ein paar Höhenmeter weiter ist es dann tatsächlich geschehen und über mir ist nur blauer Himmel zu sehen. Es geht stetig bergauf, aber die wirklich herausfordernde Steigung erwartet mich erst in ein paar Kilometern. Der Nebel will den Kampf mit der Sonne anscheinend noch nicht ganz aufgeben und zieht in kleine Fetzen weiter in höhere Regionen, wo er sich dann doch ins Nichts auflöst. Das unter mir liegende Tal ist nun mit Wol-ken gefüllt wie eine Badewanne mit Wasser. Es ist ein impo-nierendes Bild. Nach knapp sieben Kilometern bin ich auf etwa 1000 Meter Höhe angekommen. Hier mache ich eine erste keine Rast und nehme einen Schluck Wasser zu mir. Es ist hier oben total einsam: Grün soweit man sehen kann, vereinzelt Bäume, weidendes Vieh, deren Kuhglocken läuten. Ansonsten ist es so still, dass man sogar das Summen von Insekten deutlich hören kann. Wenige Schritte hinter der Passhöhe erreiche ich ein Hinweisschild, das auf die Ruinen des Hospitals de Paradiella aus dem 15. Jahrhundert erinnert. Von der Ruine ist allerdings bis auf einen Steinhaufen nicht viel übriggeblieben. Es geht weiter, an einer Herde grasender Pferde und dann auf einem mit Geröll versehenen Pfad steil aufwärts. Neben dem Weg liegen mehrere bis auf die Knochen abgenagte Überreste von Rindern herum Es folgt noch ein kurzer, aber knackiger Anstieg und dann habe ich um circa 9:40 Uhr das Dach des Camino Primitivo erreicht. Von dem hier errichteten Monolithen habe ich einen wunderschönen Ausblick auf den bisher zurückgelegten Weg. Kurz darauf erreiche ich die Ruinen des Hospitals de Fonfaraon aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Diese „Herberge“ kann man tatsächlich noch einigermaßen anhand der vorhandenen Gebäude erkennen und anscheinend übernachten heute immer noch Pilger auf einer provisorisch auf Stein eingerichteten und mit Reisig versehenen Liege. Nach einem letzten kurzen Anstieg geht es allmählich Stück für Stück abwärts, aber sehr moderat. Ich laufe mitten durch Rinderherden und habe jeden Augenblick den Eindruck, hinter der nächsten Ecke befindet sich eine Almhütte, in der man einkehren kann. Der Weg führt großzügige um einen Talkessel am Hang entlang. Es ist ein wunderbarer Blick, der sich einem bietet und dem man sich nur für wenige Augenblicke entziehen kann. Auch auf meiner rechten Seite zeigt sich die Bergwelt Asturiens von ihrer freundlichsten Seite und bietet eine schier unendliche Sicht in die Ferne. Es geht auf dem Pfad ständig im Wechsel auf und ab. Dann mache eine Entdeckung über mir. Dort kreisen vier Greifvögel mit einer sehr großen Spannweite. Es scheinen Geier zu sein. Es werden immer mehr und schließlich dürften es circa zwanzig sein. Sie fliegen zum Teil in solcher Tiefe über mir hinweg, dass ich das wirklich sehr leise Schlagen der Flügel hören kann. Welch ein anmutiges Naturschauspiel ich geboten bekomme, wie majestätisch sich die Vögel in der Luft bewegen. Nach nur wenigen Minuten sind sie aber wieder genauso plötzlich verschwunden, wie sie gekommen waren. Schließlich erreiche ich den Puerto de Pablo auf 1146 Metern Höhe, wo sich die traditionelle Routa de Hospitales mit der neuen Wegvariante von Pola de Allande vereinigt. Von hier sollte es nur noch abwärts bis zum Tagesziel Berducedo gehen, jedoch ist das nur mein Wunschdenken. Ja, es geht zu-nächst tatsächlich auf einem mit Schotter übersäten Weg am Hang steil abwärts. Ich bin froh, dass ich diesen unbeschadet überstehe und nur wenig später das kaum noch bewohnte Bergdorf Montefurado mit seiner kleinen Jakobus-Kapelle erreiche. Dahinter muss ich noch einmal über einen steilen Pfad aufwärts steigen. Das Schlimme dabei ist, ich sehe ganz konkret vor mir, wo ich noch hinmuss. Aber auch das ist bald geschafft und es geht wieder steil abwärts bis zu einer Landstraße. Unterhalb der Straße führt mich ein meist im Schatten liegender Pfad nach Lago. Aber auch dort gibt es keine Möglichkeit, etwas zu trinken. So muss ich dann tatsächlich bis Berducedo laufen. Am Ortseingang befindet sich die öffentliche Herberge, die wie in Borres in einer alten Schule eingerichtet wurde. Das möchte ich heute nicht ein zweites Mal hintereinander haben. Ich habe nichts gegen einfache Herbergen, aber manchmal darf es auch ein bisschen mehr sein. Gerade nach dem heutigen, sehr anstrengenden Tag sollte ich mir etwas gönnen. Mitten im Ort treffe ich zunächst Maria und ihre Freundin, danach beziehe ich in der relativ neuen Herberge Camino Primitivo noch ein Bett in einem großen Schlafsaal. Die meisten der rund zwanzig Übernachtungsmöglichkeiten sind bereits für eine große Gruppe vorreserviert. Später treffe ich in einer Bar im noch Gonzalo und Lisa, die beide in der öffentlichen Herberge übernachten. Nachdem ich die durchgeschwitzte Kleidung gewaschen und in die Sonne gehängt habe, setze ich mich bei kühlem Estrella 0,0 auf die Terrasse und mache meine täglichen Notizen für das Tagebuch. Währenddessen rufe ich für Lisa und mich in der Jugendherberge in Castro wegen einer Reservierung an, damit wir morgen auch tatsächlich ein Bett sicher haben. Es sind inzwischen immer mehr Pilger unterwegs und Castro hat mit sechzehn Betten keine große Kapazität. Kurz darauf gesellt sich Jamar aus Wiesbaden zu mir. Er ist Deutsch-Afghane und wir sind uns direkt sympathisch. Die Zeit vergeht, während wir bestimmt eine ganze Stunde über Gott und die Welt quatschen. Dann wird es Zeit, etwas zu essen. Ich wähle das Pilgermenu hier im Haus. Es gibt zuerst eine (volle!) Terrine Gemüsesuppe, danach Pommes, Salat und Putensteaks. Nach dem üppigen Essen mache ich mich fertig für die Nacht, ich bin jetzt nur noch müde.
Berg- und Talpilgern Freitag, 15. Juni 2018: Von Berducedo nach Castro Gestern Abend bin ich bereits sehr früh ins Bett gegangen und zunächst über meiner Lektüre eingeschlafen. Doch an einen guten Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken, denn sowohl rechts als auch links hatte ich kräftige Schnarcher in der unmittelbaren Nachbarschaft. Unmittelbar neben mir war das vor allem Fabrizio, ein achtzigjähriger Italiener mit zwei Hüftprothesen. Ich habe eigentlich selten Einschlafprobleme, aber gestern ging gar nichts. Die meiste Zeit lag ich halbwach im Bett und zählte Schäfchen. Dazu kam noch, dass irgendwer sämtliche drei im Schlafsaal vorhandenen Fenster fest verschlossen hatte. Das Ergebnis am heutigen Morgen: alle Kleidungsstücke und Socken, die ich mir auf einem Stuhl zurechtgelegt hatte, sind teilweise so feucht, dass ich sie gar nicht anziehen kann. An einem Fenster läuft das Kondenswasser tropfenweise an der Scheibe herunter. Wie kann man nur so dämlich sein, mit neunzehn Leuten in einem Raum zu schlafen und dann keine frische Luft hereinzulassen. Also muss ich andere Kleidungsstücke anziehen und den Rest zum Trocknen an den Rucksack hängen. Ziemlich genau um 7:00 Uhr mache ich mich dann an das heutige Tagwerk. Nach einer Stunde erreiche ich das Örtchen A Mesa, wo ich in der Bar der Albergue de Peregrinos einen Café con leche und ein Schinken-Brötchen zu mir nehme. Hinter dem Ort führt die Straße steil aufwärts und um einen kleinen Bergkamm herum. Hier oben ist es wieder einmal sehr neblig, aber die Temperatur ist relativ angenehm. Links neben mir hört man das leise Surren von Windrädern, aber man sieht sie nicht. Es dauert jetzt nur noch wenige Schritte, bis ich die Straße an einer großen Hinweistafel verlasse. Diese verweist auf eine etwas längere Umleitung des Weges, da auf dem folgenden Abschnitt vor einem Jahr ein verheerender Waldbrand tobte, dessen Schäden noch nicht beseitigt wären. In meiner begleitenden App „Buen Camino“ steht allerdings das Gegenteil: der Originalweg über Buspol ist sehr wohl wieder begehbar. Ich verlasse mich darauf und auf mein Bauchgefühl und gehe einfach geradeaus den gelben Pfeilen nach. Bald erreiche ich ein mittelalterliches Gehöft, das früher einmal als Pilgerherberge diente. Nebenan befindet dich noch die Capilla de Santa Marina de Buspol. Hier treffe ich einen Pilger aus Wien und wir machen ge-genseitig ein paar Bilder. Dann wird es Zeit, den heftigsten Abstieg auf dem Camino Primitivo, der mich zum aufgestauten Fluss Navia bringen wird und den ich über die Staumauer überquere. Ich habe das Vergnügen, auf den nächsten circa sieben Kilometern rund 800 Höhenmeter zu verlieren. Leider ist überhaupt keine gute Sicht möglich, der Nebel füllt das komplette Tal aus und lässt keine Ausblicke zu. Die Folgen des Brandes sind noch immer erkennbar. Fast alle Bäume sind im unteren Bereich schwarz und nur die wenigsten habe grüne Spitzen. Doch man sieht auch sehr schön, wie die Natur sich allmählich ihren Lebensraum zurückholt. Der Camino zieht sich über mehrere Serpentinen abwärts und wird dann auf einem Höhenweg oberhalb des Stausees fortgesetzt. Inzwischen bin ich auch durch die Nebelmauer gedrungen und kann den Stausee erblicken. Um circa 10:30 Uhr bin ich in der Nähe der Staumauer und kann mir von einer Aussichtskanzel die Gegend anschauen. Auf der anderen Seite der Mauer bleibt den Pilgern nun keine Wahl mehr, man muss an der zugegebenermaßen nicht besonders genutzten Straße entlangwandern. Nach den ersten Kehren erreiche ich zeitgleich mit einem spanischen Ehepaar und ihrem Hund das Hotel Las Grandas. Ich glaube, die Frau hat eine Sehbehinderung und wird zeitweise von ihrem Hund geführt. Die zwei alkoholfreien San Miguel schmecken köstlich. Seltsamerweise gibt es alkoholfreies Bier nur in 0,25 l-Flaschen. Um 11:00 Uhr mache ich mich wieder auf den Weg. Ich bleibe auf der Straße, deren Verlauf ich schon auf der anderen Seite einer Bucht weit oberhalb meines aktuellen Standortes erkennen kann. Es geht also wieder einmal schön steil nach oben. Auf der Höhe bekomme ich dann auch einen Eindruck von der enormen Größe des Stausees. Letztendlich darf ich die Straße wieder verlassen und die letzten Höhenmeter nach Grandas de Salime auf einem schmalen Waldpfad nach oben klettern. Mit Glockenschlag 12:00 Uhr treffe ich im Ort ein und genehmige mir in einer Bar in der Nähe der Pfarrkirche San Salvador noch einmal zwei Alkoholfreie. Die Kirche stellt mit den rund um das Gebäude angebrachten Arkaden eine Besonderheit dar, die ich so noch nie gesehen habe. Ich verlasse Grandas de Salime über eine Landstraße und zweige etwas später auf einen Wiesenweg ab. Hinter einem Hügel habe ich freien Blick in die Landschaft, der Nebel hat sich jetzt auch ein wenig verzogen, nur der Himmel ist noch ganz nicht wolkenfrei. In der Ferne sehe ich schon mein heutiges Etappenziel Castro mit der Jugendherberge, die auf einem kleinen Hügel thront. Und dann hätte ich mich beinahe wieder verlaufen. An einem kleinen hübschen Hof folge ich einfach der Asphaltstraße und übersehe dabei einen unscheinbaren, schmalen Pfad im hohen Gras und dahinter auch den Monolithen mit der Jakobsmuschel. Glücklicherweise werde ich durch einen älteren Herrn, der gerade in seinem Garten arbeitet, darauf aufmerksam gemacht. Um 13:20 Uhr erreiche ich die wunderschön gelegene und in einem alten Steinhaus eingerichtete Albergue Juvenil de Castro. Ich bin der erste Pilger, der heute eintrifft. Sandra und Natalia bitten mich noch um ein wenig Geduld, da sie sich noch um eine Jugendgruppe kümmern müssen, die in den letzten Tagen hier gezeltet hat und vor dem Aufbruch noch ein Mittagessen bekommen. Dann zeigt mir Sandra, mit der ich gestern telefoniert habe, die im oberen Stockwerk mit je zwei Stockbetten ausgestatteten Zimmer. Ich mache mich direkt im ersten Zimmer breit, ein zweites Bett wird für Lisa freigehalten. Kurz darauf trifft Alessandro aus Stuttgart ein und wir quatschen ein wenig. Im Laufe des Nachmittags treffen noch weitere bekannte Gesichter ein wie Gonzalo, einige Spanier, und auch Fabrizio. Er liegt zum Glück nicht in meinem Vierer-Zimmer. Lisa und ich nutzen das Angebot, für kleines Geld die benutzten Kleidungsstücke in der Maschine waschen zu lassen. Das Trocknen kann später die inzwischen herausgekommene Sonne erledigen. Gleich werde ich mir noch eine Kleinigkeit zum Essen bestellen. Man kann im Kiosk vorgekochte Speisen kaufen, die in der Mikrowelle aufgewärmt werden müssen. Ich entscheide mich für eine Linsensuppe und ein Pastagericht. Auch die Spanier lassen sich im Untergeschoss der Herberge nieder und essen. Dabei ist mir in vergangenen Tagen vermehrt aufgefallen, dass sie sich in einer unangenehmen Lautstärke ohne Rücksichtnahme auf andere unterhalten. Besonders sticht eine junge Frau hervor, die zudem noch eine eher abstoßende Sprechstimme hat. Zum Abschluss des Tages schlendere ich noch ein wenig durch das Dorf, wo es etwas außerhalb ein kleines Museum zu der örtlichen Ausgrabungsstätte einer frühzeitlichen Festung gibt. Danach sammele ich meine bereits trockene Wäsche ein und packe schon einmal grob meinen Rucksack für den morgigen Tag. Schließlich siegt wieder die Müdigkeit und ich begebe mich in meinen Schlafsack. Nach nunmehr knapp 140 Kilometern auf dem Camino Primitivo habe ich lediglich ein paar Probleme an der linken Seite im Bereich des Beckens. Ich habe wahrscheinlich letzte Nacht durch die Schlaflosigkeit nicht gut gelegen. Beim Laufen merke ich zum Glück nichts davon.
Auf Wiedersehen Asturien, hallo Galicien Samstag, 16. Juni 2018: Von Castro nach Fonsegrada Heute Nacht habe ich wirklich sehr gut geschlafen, und auch sehr lange. Da ich mir für heute nur circa zwanzig Kilometer km vorgenommen habe, kann ich mir sehr viel Zeit nehmen und verlasse die Jugendherberge erst um 8:15 Uhr. Es scheint auch geregnet zu haben, draußen ist alles nass. Aktuell ist es sehr kalt, nur elf bis zwölf Grad. Der Nebel steht sehr tief, sodass ich lieber meine Wetterjacke anziehe, um mich vor dem leichten Niederschlag zu schützen. Mein erstes Zwischenziel wird heute die Region des Alto de Acebo sein. In dessen Nähe befindet sich auf rund 1100 m Höhe die Grenze zwischen Asturien und Galicien. Es geht ständig aufwärts, zunächst über einen Wiesenweg, danach auf einer Landstraße und schließlich auf einem Feldweg. Da ich inzwischen höher als die Nebelwand bin und die Sonne erschienen ist, steigt auch die Temperatur zunehmend an und ich komme kräftig ins Schwitzen. Das liegt natürlich auch daran, dass ich noch dick eingepackt bin. Das werde ich jetzt gleich ändern und mir die Regenjacke ausziehen. Das wurde auch wirklich notwendig; sowohl mein langes Hemd als auch das Unterhemd sind klatschnass. Ich wechsele meine Oberbekleidung und hänge die nassen Sachen an die Rückseite des Rucksackes zum Trocknen. Es geht weiter über einen schmalen Bergpfad, der durch ein Viehtor gesichert ist. Auf dem Weg nach oben begegnet mir eine Rinderherde, die mir nur sehr schwermütig den Weg freimacht. Für den begleitenden Fliegenschwarm übe ich anscheinend eine gewisse Anziehungskraft aus, denn auf einmal schwirrt der um meinen Kopf herum. Schließlich erreiche ich einen breiteren Wirtschaftsweg, über dem einige Windräder leise vor sich hin surren. Von hier oben hat man erneut traumhafte Ausblicke in die Tiefe. Es sieht aus wie ein Wolkenmeer, aus dem sich die kleinen und großen Erhebungen der Mittelgebirgslandschaft wie Inseln emporrecken. Von der Bar geht es auf einem Weg parallel zur Straße weiter, später auf einem Waldweg. Wie bereits in den vergangenen Tagen bin ich wieder einmal alleine unterwegs und treffe die Pilger, die mir aus den Herbergen bekannt sind, lediglich bei Pausen oder am Abend wieder. Die Temperatur steigt weiter an und mir läuft der Schweiß über den gesamten Körper. Nach rund fünf Kilometern erreiche ich in Barbeitos die Bar Catro Ventos. Im Vorgarten erregen zwei verrostete Skulpturen, die einen Fuß- und einen Radpilger darstellen, meine Aufmerksamkeit. Die Bar kommt mir zur Mittagsstunde eigentlich wie gerufen und ich nutze die Gelegenheit, mit alkoholfreiem Bier wieder etwas Geschmack im Mund zu haben. Dazu bekomme ich noch eine kleine Portion Fleischsuppe mit Einlage gereicht. Mein Tagesziel A Fonsagrada mit seinen hohen, weißen Häusern kann ich schon seit geraumer Zeit von der Landstraße am Horizont auf einem Berg erkennen. Ich setze den Weg entlang der Straße fort, danach geht es wieder durch kühleren Wald und auf einem Wanderweg oberhalb der Straße weiter. Im Vergleich zu den beiden letzten Etappen kommt mir der Camino heute etwas leichter vor, dennoch kommen einige Höhenmeter zusammen. Zum Glück weht öfters eine kleine frische Brise, denn die meiste Zeit laufe ich ohne Schatten in der prallen Mittagssonne, die jetzt ganz schön aufheizt. Richtig heftig wird der rund fünfhundert Meter lange Anstieg nach A Fonsagrada. Aus allen Poren fließt der Schweiß. Oben angekommen werde ich mit einem wunderschönen Blick entschädigt, der sogar zurück bis zum Bergrücken des Alto de Acebo zurückreicht. Es ist jetzt 13:30 Uhr und durch ein Fenster einer Bar winkt mir der südkoreanische Pilgerfreund zu, der mich in Grado bei der Suche nach meinen Mobiletelefonen unterstützt hat. Da muss ich jetzt rein und mit ihm anstoßen. Wir quatschen ein wenig und dann mache ich mich weiter auf den Weg. Ich habe mich inzwischen entschieden, nicht in der belebten Stadt zu bleiben und noch ein paar Kilometer weiter-zulaufen, da es mir noch etwas zu früh ist. Über meine App „Buen Camino“ habe ich nur ein paar Kilometer hinter der Stadt eine Herberge gefunden, die sich etwas abseits befindet. In einem kleinen Lebensmittelladen kaufe ich noch Getränke ein. An der nächsten Ecke komme ich an der öffentlichen Herberge vorbei, wo bereits einige der mir bekannten Spanier, auf den Hospitalero warten. Ich verlasse A Fonsagrada über die Hauptstraße, zweige aber schon bald ab auf einen Feld- und Waldweg, der unterhalb der Landstraße herführt. Um 14:45 Uhr erreiche ich die an der Landstraße gelegene Albergue O Piñeral, die in meinem Führer nicht verzeichnet ist. Hier stehen im Dachgeschoss eines Hotels mit Restaurant fünfzig Betten bereit. Diese sind in Zellen zu je zwei Stockbetten aufgeteilt, die mit einem Vorhang abgetrennt werden können. Als Zugabe gibt es zu jedem Bett einen abschließbaren Schrank sowie eine eigene Steckdose. Zunächst wasche ich meine durchschwitzte Wäsche in der Waschmaschine und hänge sie danach in die Sonne. Noch bin ich alleine da, später kommt noch ein Franzose, Marcel, dazu. Jetzt wird es schwierig, ich muss mein rudimentäres Französisch ausgraben. Er spricht nämlich nur Spanisch. Aber wir kommen einigermaßen zurecht, zumindest verstehe ich sehr viel von dem, was er mir erzählt. Er war jahrelang Polizist in Paris und hat in der Bretagne nahe des Meeres ein Haus. Gegen Abend begeben wir uns schon einmal nach unten ins Restaurant und bestellen ein Bier. In Galicien gibt es immer eine Kleinigkeit zu den Getränken, hier ist ein Teller mit gegrillten Rippchen. Das Restaurant ist momentan wegen Umbauarbeiten geschlossen, aber wir können trotzdem Speisen und Getränke erhalten, und das sogar sehr reichlich. Zu uns gesellt sich noch ein deutscher Pilger aus dem Raum Karlsruhe-Pforzheim. Am Nebentisch hat sich eine Gesellschaft eingefunden, die ihren eigenen Seranoschinken mitgebracht hat und uns be-reitwillig von der Delikatesse kosten lässt. Zum Abendessen entscheide ich mich für ein Steak, das auf dem überdimensio-nalen Holzkohlengrill im Restaurant vor meinen Augen zubereitet wird. Der Wirt legt mir auch noch ein zweites Stück Fleisch auf den Teller, das ich aber nicht mehr schaffe. Es gab einfach vorher schon genug zu essen. Gegen 21:30 Uhr begebe ich mich müde zur Ruhe, morgen wird wieder ein langer Tag.
You´ll Never Walk Alone Sonntag, 17. Juni 2018: Von Fonsegrada nach Castroverde Um 7:45 Uhr beginne ich meinen siebten Pilgertag. Marcel ist schon etwas früher losgegangen. Heute gibt es zwar keinen Nebel, dafür ziehen dunkle Wolken über das Land hinweg, die aber in circa zwei Stunden dann der Sonne entweichen sollen. Die Berge rund um mich herum sind heute nicht sichtbar, sondern mit einem dichten Wolkenband verhangen. Es ist wie in vergangenen Tagen noch etwas frisch, dazu weht ein leichter Wind, sodass ich wieder einmal mit einem langen Hemd starte. Es ist schon erstaunlich, in welch kurzer Zeit sich die Umge-bung verändert. Nach nur einer guten Dreiviertelstunde sind die dunklen Wolken komplett verschwunden, und mir gegenüber blinzeln inzwischen auch die Bergspitzen wieder durch ein Wolkenband in den blauen Himmel hinein. Der Wind hat auch deutlich nachgelassen und es ist jetzt äußerst angenehm, durch die galicische Bergwelt zu pilgern. Hin und wieder sieht man jetzt auch in den Dörfern Cruceiros, die mittelalterlichen Pilgerwegweiser. Momentan bin ich dabei, hinter der Ortschaft Montouto den höchsten Punkt des heutigen Tages auf rund 1000 Metern zu erklimmen, wo sich auch eine kleine Kapelle und ein früheres Pilgerhospital befinden. Die Herberge wurde im 14. Jahrhundert gegründet und war bis zum 20. Jahrhundert im Betrieb. Anhand der Überreste kann man sehr gut nachvollziehen, welche Größe die Anlage früher einmal hatte. Nachdem ich um 9:00 Uhr den Pass überquert habe, führt mich der Weg wieder in tiefere Gefilde, wo ich in der nächsten Bar ein kleines Frühstück einnehmen werde. Doch bevor es soweit ist, muss ich den ziemlich steilen Abstieg hinter mich bringen, bei dem ich mich immer wieder auf meine Stöcke abstütze. Hier ist es sehr einsam und es herrscht eine Himmelsruhe, nur Vogelgezwitscher und meine Schritte durchdringen die Stille. Um ziemlich genau 10:00 Uhr mache ich kurz vor Paradavella in der kultigen Bar Casa Mesón eine Frühstückspause und bestelle mir einen Café con leche und ein Boccadillo mit Käse und Schinken. Während ich auf meine Bestellung warte, füllt sich die Bar mit vielen Bekannten: Antonio, Jamar, Marcel und anderen. Aus den Lautsprechern ertönt die Liverpooler Fußballhymne „You'll never walk alone“. Irgendwie passt sie so wunderbar zum Camino, das ist mir bisher gar nicht aufgefallen. Du bist du nicht alleine auf dem Weg, irgendwer ist immer in deiner Nähe, auch, wenn du ihn nicht siehst. Nach einem üppigen Frühstück und fünfunddreißig Minuten Pause geht es wieder auf den Camino. Nur ein paar Kilometer weiter, in A Calzada, steht die kleine Dorfkirche offen - die erste offene Kirche auf dem Camino! Marcel, der gerade in meiner Nähe läuft, und ich gehen hinein und nehmen noch am über-wiegenden Teil des Sonntagsgottesdienstes teil. Außer uns beiden sind noch zwei ältere Damen aus dem Weiler anwe-send. Sonderbar fand ich, dass nur der Priester kommuniziert hat, nicht aber die Gottesdienstbesucher. In einer Nische entdecke ich eine Jakobusfigur, die aber bereits die meiste Farbe im Laufe der Zeit verloren hat. Sie sah zu ihrer besten Zeit sicherlich einmal richtig schick aus. Die Mittagssonne wird jetzt intensiver, doch der Camino verläuft zum Glück gerade auf schattigen Waldwege. An dem nächsten Gehöft winkt mir bereits Thorsten zu. Er hat mit Katja, einer Pilgerin aus Tschechien, am ehemaligen Pilgerhospiz auf dem letzten Pass im Freien übernachtet. Kurz danach erwartet mich ein Anstieg, wie ich ihn bisher noch nicht auf dem Camino erlebt habe. Ich habe das Gefühl, der Steigungsgrad nimmt Schritt für Schritt zu. Irgendwie fühle ich mich richtig fertig, und dann fliegt auch noch Thorsten an mir mit lockerem Schritt vorbei und lächelt mich dabei total entspannt an. Unmittelbar nach dem Ende des Anstieges befindet sich in A Lastra eine kleine Bar, wo ich freudestrahlend ein Bier bestelle. Und da das Glas vorher im Eisschrank war, bilden sich darin rasch Bierkristalle. Kaum ist das eiskalte Bier verdampft, steht die nächste Herausforderung in Form eines weiteren, langgezogenen Anstieges an. Dieser bringt mich zum Alto do Fontaneira auf 936 Meter Höhe. Das Fordernde neben der Steigung ist auf diesem Abschnitt die senkrecht stehende Mittagssonne, die teilweise durch hochstehende Bäume etwas abgemildert wird. Noch ein paar Schritte an einer Landstraße entlang und ich erreiche Fontaneira, wo ich mir die Möglichkeit auf eine Erfrischung in einem ehemaligen mittelalterlichen Hospital nicht entgehen lasse. Das alkoholfreie Bier ist hier so gut gekühlt, dass es in seinem festen Aggregatzustand gar nicht aus der Flasche fließen will. Die nächsten Kilometer nach O Cádabo verlaufen relativ unspektakulär auf breiten Feldwegen, die aber ungeschützt in der prallen Sonne liegen. Der Ort liegt zudem in einer Senke, dementsprechend geht es zunächst einmal ordentlich abwärts, um anschließend wieder auf einen weiteren Pass von rund neunhundert Metern Höhe anzusteigen. Es ist dies nun schon der vierte heftige Anstieg am heutigen Tag und es wird hoffentlich der letzte sein. Schließlich erreiche ich eine Hinweistafel, die über zwei verschiedene Wegvarianten informiert. In dem Moment kommen gerade Thorsten und Katja vorbei. Die beiden sind auch der Meinung, dass der längere Weg der schönere und einfachere ist. Auch hier geht es natürlich zunächst noch einmal leicht aufwärts, allerdings darf ich das meiste zu meiner Erleichterung in der Abwärtsbewegung durchgeführt. In der Ferne kann ich eine größere Stadt sehen und gehe davon aus, dass es sich hierbei um Lugo handelt. Dort werde ich morgen übernachten. Zunächst muss aber noch ein paar Kilometer in der Hitze hinter mich bringen. Nach einem Stückchen durch einen Wald biege ich nach links ab und passiere die Capilla Nuestra Señora del Carmen und erreiche das Örtchen Villabade. Danach geht es noch auf einer kaum befahrenen Straße bis nach Castroverde, wo ich gegen 15:30 Uhr in der öffentlichen Herberge eintreffe. Bilanz des Tages: 30 km, 831 positive und 1132 negative Höhenmeter. Es sind schon einige Pilger vor mir da und liegen schon erschöpft in den Betten. Ich ergattere noch ein unteres Bett und beschäftige mich mit Körper- und Kleiderreinigung. Neben Katja und Thorsten ist auch Marcel hier untergekommen. Ich habe jetzt nur noch Durst, Durst und Hunger und suche mir mit Marcel eine Bar. Dort trinken wir nur ein Bier und wechseln dann die Örtlichkeit. In einer Seitenstraße treffen wir Katja und Thorsten, die sich gerade die Premiere der deutschen Nationalmannschaft bei der WM ansehen. Wir dürfen uns dazu setzen und essen dort auch zu Abend. Ich bestelle mir heute eine Platte mit Chorizo, Salat und Pommes. Da die Herberge um 22:00 Uhr schließt, müssen wir zeitig wieder zurück sein, die meisten schlummern schon vor sich hin.
Lugo: rauhe Schale, süßer Kern Montag, 18. Juni 2018: Von Castroverde nach Lugo Das war wieder eine Nacht, wie man sie sich nicht wünscht. In meinem Schlafraum gab es erneut ein paar hochkarätige Schnarcher, die mich nicht zur Ruhe haben kommen lassen. Irgendwann habe ich es doch geschafft, einzuschlafen. Aber bereits gegen 4:30 Uhr bahnte sich die nächste nächtliche Ruhestörung an. Dann begannen nämlich die ersten, ihre Rucksäcke rücksichtslos zusammenzupacken und sich so auf den Weg zu machen, dass alle anderen mitbekamen. Da die meisten heute bis Lugo gehen wollen, bleibt es wohl ihr Geheimnis, warum man für eine Etappe knapp über zwanzig Kilometer schon mitten in der Nacht und im Dunkeln losmarschieren muss. Das Highlight ist allerdings eine spanische Familie mit ihren beiden Kindern, die fast eine ganze Stunde benötigen, um im Schlafraum geräuschvoll und unter Flutlicht ihre Rucksäcke zusammenzupacken. Immer mehr Pilger äußern ihren Unmut, ohne jedoch eine Reaktion zu erhalten. Ich bin zwar noch einmal eingeschlummert, aber die Unruhe wächst in mir und ich greife mir meinen bereits vorgepackten Rucksack und bringe ihn in den Aufenthaltsraum. Noch einmal betrete ich den Schlafraum, packe meinen Schlafsack und entferne den Einmalbezug von meinem Bett. Ich mache mich in Ruhe fertig für den Tag, packe den Rucksack noch einmal neu und schmiere mich mit Sonnencreme ein. Währenddessen beobachte ich die spanische Familie, die jetzt endlich fertig zu sein scheint und zu meiner Verwunderung in ein Auto einsteigt, das seit geraumer Zeit vor der Herberge parkt. Heute scheint es ein schöner Tag zu werden, der Himmel ist bereits blau, kein Wölkchen ist zu sehen und bei der aktuellen Temperatur lässt es sich schon sehr angenehm laufen. Ich starte bereits um 7:00 Uhr. Anhand der im Schuhregal vorhandenen Schuhe stelle ich fest, dass noch höchstens vier oder fünf andere Pilger in der Herberge sein können. Zunächst laufe ich einmal quer durch Castroverde, an der kleinen Jakobuskirche vorbei und anschließend durch eine Wiesenlandschaft und ein größeres Waldstück. Die Natur erwacht allmählich, während die Sonne aufgeht. Es riecht nach frisch gemähtem Heu und ich überhole die ersten Pilger, die es gemütlich angehen lassen. Zu meiner Überraschung entdecke ich in dem verschlafenen Dörfchen Vilar de Cas unter einem Türsturz ein kleines Holzschild, das auf eine in keinem Führer verzeichnete Bar verweist. Naja, Bar ist übertrieben. Die Eigentümer des Hauses haben den Innenhof in einen netten Verkaufsstand umgewandelt und bieten den Pilgern Kaffee, Frühstück und Kaltgetränke zu kleinem Preis an. Dort treffe ich auch Katja, die sich ebenfalls von der angenehmen Atmosphäre anziehen ließ. Wir plaudern ein wenig, während wir ein paar leckere Toastscheiben mit Marmelade verdrücken. Dann wird es Zeit, weiterzugehen. Ich verabschiede mich von Katja und erreiche am Ende des Dorfes einen Abzweig. Hier besteht die Möglichkeit, an einer rund tausend Jahre alten, mittelalterlichen Kirchenruine San Salvador vorbeizugehen. Das kostet mich zwar einen Umweg von rund 800 m, aber ich bin halt neugierig und nehme die zusätzliche Strecke in Kauf. Über einen kühlen Waldweg gelange ich über Hohlwege und an einer knorrigen, uralten Kastanie vorbei zur bereits von außen verfallen aussehenden Kirche. Durch eine kleine Öffnung im Portal kann ich ins Innere blicken. Während die Rückwand im Chor noch Farbreste aufweist, sind die Wände im Schiff dunkel verfärbt. Neben einem steinernen Sarkophag oder vielleicht auch einem Altar sind noch drei Bänke als einziges Inventar zurückgeblieben. Wieder zurück auf dem Originalweg geht es zunächst weiter auf einer Nebenstraße. Im Verlauf folgt eine kurze Steigung - die einzig nennenswerte am heutigen Tag - und anschließend eine Hauptverkehrsstraße, auf deren Randstreifen ich rund 1,5 Kilometer bleiben muss. Zum Glück bleibt trotz rasender LKW dieser gefährliche Abschnitt ohne Zwischenfälle und ist bald vorüber. Ich kann endlich nach rechts auf eine kleinere Nebenstraße einbiegen und laufe schon bald auf naturbelassenen Wege, vornehmlich im schattigen Wald. Die Entfernungsangabe eines Monolithen weist mich darauf hin, dass ich nur noch 105 Kilometer bis Santiago de Compostela laufen muss. Aber nicht deswegen komme ich ins Staunen. Um den Stein herum hat sich die spanische Familie breitgemacht, die heute Morgen in der Herberge den großen Zirkus beim Verpacken der Rucksäcke gemacht hat. Sie sehen alle ziemlich geschafft aus und ich frage mich, was die vier in den vergangenen dreieinhalb Stunden so geschafft hat. Mit Lugo erreiche ich demnächst zum ersten Mal seit Oviedo wieder eine etwas größere Stadt. Man merkt das auch schon an dem zunehmenden Lärm der nahegelegenen Verkehrswege, zum Beispiel einer Autobahn, die ich in diesem Moment überquere. Kaum gehe ich durch ein etwas heruntergekommenes und anscheinend auch kaum bewohntes Dörfchen, kann ich in der Ferne die modernen Hochhausbauten von Lugo erkennen. Diese unterscheiden sich extrem von den urigen Dörfchen mit ihren massiven Steinhäusern, die ich in den letzten Tagen zu Gesicht bekommen habe. Wesentlich größere Bedeutung hat für mich der jetzt gleich und hoffentlich erscheinende 100 km-Monolith, der für Jakobspilger immer etwas Besonderes darstellt. Diese Entfernung stellt die Schwelle dar, um in Santiago im Pilgerbüro auch die Compostela zu erhalten. Ich warte jedoch vergebens. Dafür geht es durch eine moderne, sehr belebte Stadt aufwärts durch laute Straßen. Das gefällt mir nach den vergangenen ruhigen Tagen überhaupt nicht. Aber ich vermute mal, dass sich das alles gleich ändert, wenn ich die komplett erhaltene mittelalterliche Stadtmauer erreiche. Und so ist auch. Am der Puerto de San Pedro, dem östlichen Stadttor finde auch meinen ersehnten Stein - zwar nicht mit der Zahl einhundert, aber dafür mit Kilometerangabe 99,583. Dahinter findet ein pulsierendes Leben in schmalen Gassen, auf großzügigen Plätzen, in Geschäften und Bars oder Restaurants statt. Und mittendrin ist die moderne Pilgerherberge platziert. Da ich dort bereits um 12:00 Uhr als erster eintreffe und eine Stunde zu früh dran bin, erkunde ich schon einmal die Stadt und die Kathedrale. Die Architektur der Kathedrale ist sehr interessant. Wenn man sich den Grundriss genauer betrachtet, stellt man fest, dass man hier eine Kirche in der Kirche vor sich hat. Um den Bereich der ursprünglichen, Kirche hat man später einfach eine weitere Hülle drum herum gebaut. Der Raum dazwischen dient vor allem als Umlauf zwischen Hochaltar und den angebauten Seitenkapellen. Neben der Kathedrale ist die vollständig erhaltene, circa zwei Kilometer lange römische Stadtmauer aus dem 3. Jahrhundert sehens- und erlebenswert sowie begehbar. Auf dem Rückweg zur Herberge entdecke ich einen Hinweis auf einen Pilgergottesdienst, der um 20:00 Uhr in der Kathedrale gefeiert wird. Auch auf dem Kirchplatz wird gefeiert - dort findet am Abend ein Folklorefestival statt. Ich beziehe mein Bett in der Herberge, wasche meine Wäsche und kaufe mir in einem Supermarkt ein paar Kleinigkeiten für das Abendessen ein. Das Haus ist gut gefüllt und ich treffe wieder viele Bekannte: Lisa, Antonio, Gonzalo und die Pilgerfreunde aus Moskau und Südkorea sowie zwei Kanadier. Auf dem Weg zur Gottesdienst treffe ich vor der Kathedrale noch einmal Thorsten, der morgen wieder auf den Camino del Norte gehen wird. Kurz darauf sehe ich Marcel, der mich zum Pilgergottesdienst begleitet. Wir nehmen in der inneren Kirche im überfüllten, historischen Chorgestühl Platz. Die Pilgermesse fällt allerdings heute Abend aus. Ich verstehe zwar so gut wie nichts, aber wir werden Zeuge bei der Aufnahme eines jungen Kanonikers in das Kathedralkapitel. Im Anschluss findet dennoch ein Gottesdienst mit Diözesanbischof Alfonso statt, von dem ich auch die Kommunion empfangen darf. So geht ein schöner Tag mit überragendem Abendprogramm zu Ende.
Reise in die Vergangenheit Dienstag, 19. Juni 2018: Von Lugo nach Ferreira Ich habe meine Pläne für den heutigen Tag noch am gestrigen Abend ein klein wenig umgeworfen und werde statt dem regulären Weg zusätzlich einen kleinen Abstecher zu einer romanischen Kirche aus dem Mittelalter machen. Dadurch muss ich allerdings rund fünf Kilometer Wegstrecke auf die ursprüngliche Distanz addieren. Außerdem habe ich mir in Ferreira bereits ein Bett reserviert, so dass ich heute nicht unter Zeitdruck laufen muss. Um circa 7:15 Uhr geht es los. Der Himmel ist schon blau, das Wetter verspricht auch wieder gut zu werden - also alles ideal für einen guten Pilgertag. Der Rucksack ist heute wieder zwei Kilogramm schwerer, da ich aufgrund der zu erwartenden hohen Temperaturen und der Wegstrecke genügend Getränke eingepackt habe. Apropos Rucksack. Ich glaube, unsere gemeinsame Zeit geht nach diesem Camino zu Ende. So langsam verabschiedet sich ein Reißverschluss nach dem anderen. Weitere Verschleißteile sind auch nicht mehr in dem Zustand, den man nutzbar bezeichnen kann. Immerhin ist das jetzt der vierte Camino nach Santiago, plus der Weg von Koblenz nach Vézelay und weitere Wege in Deutschland, auf denen er mir in etwa zehn Jahren treue Dienste geleistet hat. Ich werde mich also nach meiner Rückkehr nach etwas Neuem umsehen müssen. Ich verlasse Lugo durch die Puerta de Santiago, über der die Statue eines reitenden Jakobus wacht. Es geht zunächst durch eine steil abwärts führende Straße bis zum Rio Miño, den ich über die mittelalterliche Brücke überquere. Nach einer Dreiviertelstunde habe ich auch die letzten Häuser der Vororte von Lugo hinter mir gelassen und laufe wieder in ländlicher Region auf einer Nebenstraße. Nach knapp zehn Kilometern auf der Straße erreiche ich das Dorf O Burgo, wo sich hinter einem Garagentor ein nett eingerichteter Rastplatz für Pilger befindet, der unter anderem mit Getränke- und Snackautomaten sowie einer Mikrowelle und sogar einer Toilette ausgestattet ist. Hier treffe ich auch wieder einmal Marcel. Zwei Kilometer später verlasse ich die Straße und zweige auf eine noch kleinere Nebenstraße ab, der ich jetzt gut zwei km folgen werde, um die Igrexa Santa Eulalia de Bóveda zu besuchen und zu besichtigen. Gerade dachte ich noch, wie einsam doch hier dieser nicht markierte Abschnitt sei. Man befindet sich mitten in der Natur, rechts und links Bäume und Wiesen und das übliche morgendliche Konzert der Vogelschar, das hin und wieder von Hundegebell unterbrochen wird. Da begegnen mir zwei französische Pilgerinnen, die mir bestätigen, dass sich der Besuch wirklich lohnt und sie sehr schön sei. Sie gehen jetzt den gleichen Weg wieder zurück. Anscheinend sind sie nicht darüber informiert, dass man auch über eine kürzere Route zum Camino zurückkehren kann. Der zusätzliche Weg hat sich tatsächlich gelohnt, ich bekomme von Antonio das spätrömische Heiligtum zu Ehren der Göttin Cibeles aus dem 3. Jahrhundert gezeigt, das vorsorglich unter einem Betonsarkophag versteckt ist. Ursprünglich gab es noch ein weiteres Stockwerk, in dem Stiere geopfert wurden, das Blut floss in das noch vorhandene Becken im Untergeschoß. Nach der Christianisierung wurde dieser Ritus untersagt und das Obergeschoß in eine Kapelle umgewandelt. Im zur Krypta umgebauten Untergeschoss befinden sich sehr gut erhaltene Wandmalereien an der Decke. Es werden Rebhühner, Fasane, Tauben, je eine Gans und Ente sowie Pfaue als Symbol für die Göttin Cibeles dargestellt. Die Bilder der Vögel und deren Lieder stellen einen direkten Bezug zu dem Heiligtum und seiner Funktion als Orakel dar und sind einmalig in den römisch besetzten Gebieten. Ich hoffe, dass dieser kulturelle Nachlass noch lange erhalten bleibt und möchte mich nach der Besichtigung bei Antonio mit einem kleinen Obolus erkenntlich zeigen, doch er lehnt vehement ab. Ich setze dann meinen Weg über die mit roten Pfeilen versehene Ruta O Vello Lugo Agrario fort und bin nach zusätzlich drei Kilometern Weg wieder auf dem Camino. Es gehe zunächst durch ein Waldstück, bevor wieder die Straße der bevorzugte Untergrund wird. Heute kann man froh sein über jeden Abschnitt, der nicht über Asphalt führt. Allerdings habe ich persönlich keine Probleme damit. Eine erste Rast mache ich erst gegen 12:00 Uhr, wo ich an einer Bushaltestelle ein Stück von meiner gestern gekauften Chorizo zu mir nehme. Als ich dann weiterlaufen möchte, befinde ich mich urplötzlich mitten in einer Gruppe Buspilger, die gerade von ihrem Fahrer mit Wasserflaschen versorgt werden. Kurz vor San Román werde ich von Lisa und ihrem italienischen Begleiter überholt und wir laufen ein kleines Stückchen gemeinsam bis zur Herberge O Candido, die mitten in einem Wäldchen liegt. Die beiden laufen weiter, ich trinke erst einmal zwei kleine Alkoholfreie, die ich mir jetzt einfach mal verdient habe. Danach folgt eine seit paar Tagen nicht mehr erlebte Kombination Anstieg-Abstieg-Anstieg-Abstieg-Anstieg. Das tut mir als aktuellem Flachlandpilger unter der Mittagssonne richtig weh. Zur Abwechslung befindet sich mitten im nächsten Dorf Burgo de Negral in einer umgebauten Scheune eine kleine, düstere Lederkunstwerkstatt. Ich bin neugierig und schaue rein. Neben allen möglichen Gebrauchsgegenständen aus Leder bekommt man gegen Spende auch noch Getränke und Obst. Mit einem Anhänger aus Leder in Muschelform gehe ich wieder raus. Da wird zukünftig mein Autoschlüssel dranhängen. Dann treffe ich noch Marcel und wir laufen die letzten beiden Kilometer zur Herberge A Nave in Ferreira gemeinsam, wo wir kurz nach 14:00 Uhr eintreffen. Während ich mein reserviertes Bett in Empfang nehme, läuft er noch weiter. Die Herberge ist noch relativ neu und in einem früheren Stall unterbracht. Hinter dem Aufenthalts- und Speiseraum gibt es mehrere Zimmer, die mit sieben Betten und einer eigenen Nasszelle versehen sind. Das Abendessen - es wird eine Meeresfrüchte-Paella angeboten - und das Frühstück habe ich beim Einchecken gleich mitgebucht und brauche mir wegen Verpflegung erstmal keine Gedanken zu machen. In dem mir zugewiesenen Zimmer lerne ich Dave aus New York und Tomas aus Polen kennen. Ich nutze außerdem wieder einmal die Gelegenheit, meine Wäsche maschinell waschen zu lassen. Erstmals muss ich auch meine eigene Wäscheleine an einem Zaun befestigen, da die anderen Pilger keinen Platz mehr für meine Wäsche übriggelassen haben. Nach getaner Arbeit heißt es, auf der schönen Wiese zu relaxen und Kraft tanken für morgen. Die Paella wird in einer riesigen Pfanne vor unseren Augen im Speiseraum zubereitet und ist wirklich eine Wucht. Ich sitze mit ein paar Italienern und Tatjana aus Litauen zusammen. Irgendwie scheinen wir die Italiener zu stören. Wir beide haben den Eindruck, dass die mit uns nichts zu tun haben wollen. So belassen wir es halt dabei und führen eine nette Unterhaltung auf Englisch. Wir sind zwar beide nicht die großen Sprachgenies, aber jeder versteht den anderen. Gegen 21:30 Uhr löst sich die Gesellschaft auf und wir verschwinden in unseren Zimmern. Ich bereite schon einmal meinen Rucksack so vor, dass ich ihn morgen früh ohne Lärm packen und in den Aufenthaltsraum gehen kann.
Auf dem Boden der Tatsachen gelandet Mitwoch, 20. Juni 2018: Von Ferreira nach Arzúa Nach einem kleinen Frühstück geht es um 7:15 Uhr los. Heute Morgen dominiert wieder der Nebel, aber es ist angenehm, bei diesen Bedingungen auf der Straße zu sein. Außerdem habe ich heute eine Mammutetappe bis Arzúa vor, es erwarten mich rund 36 km. Das war so gar nicht vorgesehen, aber ich habe mir für meine Ankunft in Santiago de Compostela noch einmal Gedanken gemacht. Die nächsten Etappen sollten eigentlich bis Melide, Santa Irene und abschließend nach Santiago gehen. Mit diesem Plan würde ich am Freitagnachmittag meinen Camino beenden. Das ist mir erstens zu spät und zweitens bleibt mir aufgrund meines Rückfluges am Samstag kaum Zeit, mich in der Stadt „rumzutreiben“. Morgen möchte ich nun bis zum Monte do Gozo laufen, um am Freitag bereits gegen 8:00 Uhr vor der Kathedrale zu stehen. Und dann passiert es. Nach ungefähr drei Kilometern biege ich von der Straße auf einen Feldweg ab und übersehe an-scheinend einen hervorstehenden Stein. Nur Bruchteile von Sekunden später erledigt die Schwerkraft den Rest und 1,80 m Körpergröße inklusive Rucksack und zwei Stöcken liegen bäuchlings auf dem Boden. Zunächst weiß ich gar nicht, wie mir geschieht. Ich rappele mich schnell wieder auf und spüre nur einen brennenden Schmerz an der Innenseite meiner Unterlippe. Dort haben sich meine oberen Schneidezähne hineingebohrt und ich spüre den Geschmack von Blut, der sich meinem Mund breitmacht. Eine anschließende Überprüfung ergibt zum Glück keine weiteren großartigen Verletzungen. Ich kann lediglich eine kleine Schramme an der linken Hand und ein aufgeschlagenes rechtes Knie feststellen. In den nächsten Tagen werde ich jetzt mit einer dicken Lippe herumlaufen, dazu schmerzen Kinn und Nase ein wenig. Da habe ich wohl noch mal richtig Glück gehabt. An einer hübsch hergerichteten Pilgerrast mit Brunnen reinige ich meine Wunden, die inzwischen auch ein wenig schmerzen. Gegen 8:30 Uhr ist der Nebel verschwunden und die Sonne macht sich am blauen Himmel breit. Ich hof-fe, dass die Temperatur noch ein wenig tief bleibt, damit es auch weiterhin angenehm zum Laufen ist. Hinter As Seixas geht es nun ein wenig den Berg hinauf über eine Passhöhe mit Windrädern, aber das kennen meine Beine ja. Der Camino geleitet mich momentan durch kühle Waldabschnitte, aber auch wieder über Zubringerstraßen zu abgelegenen Bergdörfern. Hinter dem Pass geht es wieder leicht abwärts und ich kann in der Ferne schon Melide erkennen. Vor mir sind inzwischen eine ganze Reihe Pilger unterwegs. Ein solcher Anblick war bisher eigentlich eine Seltenheit. Da bin ich auf Sichtweite fast immer alleine gelaufen. Nach vierzehn Kilometern erreiche ich das kleine Dörfchen Vilamor, in dem die Igrea San Esteban geöffnet ist. Zwei Studenten verteilen gegen eine Spende zum Erhalt der Kirche den Pilgerstempel. Nur zehn Minuten später erreiche die Bar Carburo Parrilada, wo ich eine erste ausgiebige Pause einlege. Es ist zwar erst 10:15 Uhr, aber genau die richtige Zeit für ein kaltes San Miguel, alkoholfrei natürlich. In der Bar macht auch Dave aus New York eine Rast. Er ist verwundert über mein Aussehen und fragt nach meinem Wohlbefinden. Nach gut 20 Minuten mache ich mich wieder auf den Weg, der wieder aus einer Landstraße besteht. Kurz vor dem Örtchen Compostela hat sich ein Einwohner etwas Tolles einfallen lassen. In einen Granitblock wurde eine Nische geschlagen, in der sich zwei große Wasserkanister zur gefälligen Selbstbedienung befinden. Als Trinkgefäß dient eine Jakobsmuschel. Ich bleibe noch ein paar Kilometer an der Straße, überhole noch die sehbehinderte Pilgerin mit Mann und Hund und treffe endlich in Melide ein. Dort kaufe ich mir in einem Supermarkt einen Trinkjoghurt und eine Cola, deren Halbwertzeit sehr kurz sind. Von Melide bekomme ich eigentlich überhaupt nichts mit, so schnell bin ich da wieder raus. Pünktlich zur Mittagsstunde erreiche ich den Ort des Zusammentreffens von Camino Frances und Camino Primitivo: eine normale Straßenkreuzung ohne einen entsprechenden Hinweis. Das habe ich etwas anders vorgestellt. Unmittelbar dahinter laufe ich auf einen Souvenirladen zu, wo man jede Art von Pilgerdevotionalien bekommen kann. Mich interessiert vorrangig der Stempel, auf dem die verbliebene Strecke bis Santiago mit fünfzig Kilometern angegeben ist. Direkt daneben befindet sich die Igrexa de Santa María de Melide, die aber gerade von einer Kompanie Fahrradpilgern belagert wird, sodass mir die Lust zu einer Besichtigung vergeht. Ich bin zwar erst ein paar wenige Kilometer auf dem Camino Frances unterwegs, aber ich kann schon deutliche Unterschiede zum bisherigen Weg erkennen. Zum einen nimmt ab Melide der Kommerz zu, darüber hinaus fehlt mir jetzt die gewohnte Einsamkeit. Ich habe ständig Pilger um mich herum, mit großen und kleine Rucksäcken. Ich kann jetzt Thorsten verstehen, ab Lugo noch einmal auf den Camino del Norte zu auszuweichen. Momentan weiß ich nicht, ob ich das so über 800 Kilometer haben möchte. So krass hätte ich das mir nicht vorgestellt. Wahrscheinlich liegt es aber nur daran, dass viele Pilger erst auf den letzten einhundert Kilometern einsteigen, um in Santiago eine Compostela zu erhalten. Es geht in einer langen Pilgerschlange zunächst einmal ein langes Stück durch einen gut riechenden Eukalyptuswald und danach auf breiten Schotterwegen in Richtung Arzúa. An einem Kiosk mitten im Wald treffe ich Marcel, der heute das gleiche Ziel wie ich hat. An jeder Ecke habe ich jetzt die Möglichkeit, mir in einer Bar einen Stempel in das Credencial geben zu lassen. Das wird mir dann irgendwann zu viel und ich belasse es bei ganz besonderen Stempeln. Einen solchen bekomme ich zum Beispiel in der Igrexa de Santiago de Boente. Um 13:40 Uhr mache ich nach dreißig Kilometern eine zweite Pause. An dem schattigen Rastplatz befindet sich ein kleiner Bach, in den ich meine Füße eintauche. Es tut gut, die beanspruchten Füße ein wenig zu kühlen. Immerhin haben wir seit Tagen am Nachmittag beständig Temperaturen zwischen fünfundzwanzig und dreißig Grad. Als ich zu meinem abgelegten Rucksack zurückkehre, bemerke ich, dass nicht nur meine Füße nass sind, sondern auch meine Sitzfläche. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass der Boden dort so feucht war. Na ja, das wird auf dem nächsten Streckenabschnitt wieder schnell getrocknet sein. Während ich mir die Füße gut abtrockne, läuft Marcel an dem Rastplatz vorbei und wir kam auch noch Marcel dazu und wir wechseln kurz ein paar Worte. Nach zwanzig Minuten geht es dann weiter auf die letzten fünf Kilometer. Unterwegs überqueren wir den Rio Iso, an dem sich die Herberge von Ribadiso befindet. Die aus Bruchstein errichteten Gebäude der Herberge, die mittelalterliche Brücke und der kleine Fluss geben ein idyllisches Bild ab. Einige Pilger, die heute hier ihre Unterkunft bezogen haben, nutzen die Gelegenheit und sitzen in dem flachen Gewässer und lassen es sich augenscheinlich gut gehen. Irgendwann hole ich Marcel ein und wir gehen die letzten drei Kilometer hintereinander nach Arzúa, wo wir schließlich nach 35,8 Kilometern gegen 15:15 Uhr in der schönen Privatherberge Via Láctea eintreffen. Hier wurde eine große Fläche geschickt in mehrere Räume geteilt, in denen jeweils fünf Doppelstockbetten stehen. Ganz besonders bin ich von den Stoffbezügen begeistert, das ist halt doch etwas Anderes als die Einmalbezüge. Nach der großen Wäsche, einer erfrischenden Dusche und der Begutachtung meiner Verletzungen sitzen wir noch bei einem Bier im kleinen Hof der Herberge. Marcel unterhält sich mit einer Kanadierin und kann endlich wieder in seiner Muttersprache reden. Danach lege ich mich ins Bett und ruhe mich noch etwas aus. Gegen 20:00 Uhr gehen Marcel und ich in eine nahe gelegene Bar etwas essen. Wir entscheiden uns für Pasta und Fisch. Allmählich wird es mir unangenehm, dass ich nicht alles verstehe und auch selbst kaum etwas sagen kann. Ich nutze jetzt sogar ein Übersetzungsprogramm, um ihm wenigsten hin und wieder etwas mitteilen zu können. Nach einer guten Stunde sind wir wieder in der Herberge. Ich nehme die getrocknete Kleidung von der Wäscheleine und bereite mein Gepäck für morgen vor. Um kurz nach 21:00 Uhr liege ich im Bett, es war ein langer und anstrengender Tag.
Heute ein Pilgerkönig Donnerstag, 21. Juni 2018: Von Arzúa zum Monte do Gozo Heute Morgen bin ich sehr früh wach geworden. Ich greife meine Sachen und mache mich im Hof für den Abmarsch bereit. Um 6:45 Uhr bin ich auf der Straße. Es ist unglaublich, wie viele Menschen sich bereits unterwegs sind. Vor mir bewegt sich eine lange Pilgerschlange, die durchaus mit einer Volkswanderung vergleichbar ist. Schon bald erreiche ich die Bar in Pregontoño, deren Tische alle besetzt sind. Da es mir noch nicht nach Frühstück ist und die Schlange vor dem Verkaufswagen zudem eine beachtliche Länge hat, hole ich mir nur den ersten Stempel für heute ab. ,Der Weg führt heute zum Glück zunächst nicht so häufig über Straßen, sondern eher auf noch recht kühlen Wald und Wiesenwegen. Mich wundert allerdings, dass die Menschenmassen auf einmal spurlos verschwunden sind. Ich bin auf einmal ganz alleine und prüfe mal eben, ob ich überhaupt noch auf dem richtigen Weg bin oder mich verlaufen habe. Ich schaue noch einmal zurück nach Arzúa, das am Horizont gerade von der aufgehenden Sonne angestrahlt wird. Es scheint so, dass die Sonne heute früher herauskommt, aber wahrscheinlich täusche ich mich auch nur aufgrund der Uhrzeit. Es soll heute auch wieder mit rund fünfundzwanzig Grad und mehr sehr warm werden. Nach circa acht Kilometern mache ich an der Bar Lino in Calle meine Frühstückspause mit einem Café con leche und einem Riesenboccadillo mit Seranoschinken und Käse. Kurz nach meinem Aufbruch passiere ich nach ein paar Ecken eine weitere Bar, die an jeder freien Fläche mit leeren, von Pilgern signierten leeren Bierflaschen der Marke Peregrina versehen ist. Hätte ich das gewusst, wäre ich hier eingekehrt, sieht urgemütlich aus. Danach geht der Camino weiter über nett angelegte, meist im Schatten von Bäumen befindliche Wanderwege. Inzwischen habe ich die Befürchtung, dass die deutsche Brauerei Erding zum Sponsor des Jakobweges geworden ist, denn an fast jeder Bar findet man entsprechende Werbeschilder. Um 10:15 Uhr und weiteren acht Kilometern ist die nächste Pause fällig. Ich habe mir heute vorgestellt, regelmäßig Pausen einzulegen, die ich an den bisherigen Tagen nur selten gemacht habe. Um diese Uhrzeit darf es auch wieder ein isotonisches, alkoholfreies Getränk sein. Heute ist es mal zur Abwechslung ein portugiesisches Super Bock Negra. Jetzt fangen die Portugiesen auch schon an, Schwarzbier zu brauen. Als ich mir dann noch den Stempel des Hauses in das Credencial drücke, fällt mir auf, dass ich nicht mehr allzu viel Platz darin habe. Es reicht gerade noch für zwei bis drei Stempel. Ich muss zumindest Platz lassen für den heutigen Herbergsstempel und den letzten Stempel im Pilgerbüro in Santiago. Nach zwanzig Minuten Beine hochlegen geht es weiter. Kurz vor der Herberge von Santa Irene muss ich noch einmal einen außerplanmäßigen Boxenstopp einlegen, denn irgendetwas stimmt mit meinem Socken nicht. An einer Stelle am linken Fuß zwickt es etwas, doch ich kann nichts feststellen. Ich tausche vorsichthalber die Socken aus und ziehe mir ein paar trockene an. Vor der Herberge sitzen schon die ersten Pilger, die auf die Öffnung warten. Das dauert aber noch fast zwei Stunden. Die nächsten Kilometer sind richtig angenehm. Es geht durch Eukalyptuswälder und kleine Dörfer in der Nähe der Hauptstraße nach Santiago, aber in gebührendem Abstand von dieser. Das macht richtig Spaß und lenkt davon ab, dass ich mich meinem Pilgerziel unaufhaltsam nähere. Nach knapp 24 Kilometern ist die nächste planmäßige Pause fällig in Amenal. Hier gibt es einen Stempel, der die verbliebene Strecke bis Santiago mit fünfzehn Kilometern angibt. Dieser Ort ist zudem richtig gut gewählt, denn im weiteren Verlauf des Caminos gibt es einen Anstieg, der mir allerdings mit dem Training der letzten Tage nichts mehr ausmacht. Ich bin jetzt in unmittelbarer Nähe des Flughafens von Santiago, wo ich gerade ein Flugzeug starten höre. Ich sehe weiterhin nur noch sehr selten Pilger in meiner Umgebung. Entweder sitzen die anderen alle zur Mittagszeit in irgendeiner Bar oder sie haben sich bereits in einer Herberge niedergelassen. Lediglich ein paar Fahrradpilger kommen öfters an mir vorbei. Am Ende des Anstieges erreiche ich einen mobilen Verkaufsstand, wo es neben Getränken und Obst auch Pilgerdevotionalien gibt. Hier treffe auch Marcel wieder. Er erzählt mir zum wiederholten Male von seinem Haus in der Bretagne, das er mir gerne für einen Urlaub zur Verfügung stellen würde. Er will sich per eMail bei mir melden. Während ich heute „nur“ bis zum Monte do Gozo laufe, wird er bereits den kompletten Weg nach Santiago gehen. Ich bin zwar auch schon die ganze Zeit am überlegen, ob ich es ihm nicht gleichtun solle, aber die Nacht am Monte do Gozo möchte ich gerne nutzen, um mich mental auf das letzte Stückchen von rund fünf Kilometern vorzubereiten. Mein Plan ist es, morgen früh so zeitig loszugehen, um zur Öffnungszeit des Pilgerbüros um 8:00 Uhr dort zu sein und meine Compostela abzuholen. Eventuell schließe ich schon vorher meinen Rucksack in der Herberge ein. Auf Höhe des Flughafens treffe ich Gabriel, einen jungen mexikanischen Pater, den ich heute schon mehrfach überholt habe. Wir machen an der SantiagoSkulptur gegenseitig Fotos von uns. Mit einem Segensgruß verabschiedet er mich. In San Paio hole ich mir in der Kirche noch einen Stempel ab. Danach wird es noch einmal hügelig und vor allem sehr zäh und öde. Der Camino lässt mich gefühlt unendlich lange über Nebenstraßen in der prallen Sonne laufen. Endlich erreiche den Monte do Gozo - den Berg der Freude. Der Name kommt von den mittelalterlichen Pilgern, die ihre Freude über den ersten Blick auf die Kathedrale von Santiago ausdrückten. Um 15:15 Uhr erreiche ich als achtzehnter am heutigen Tage die öffentliche Herberge. Etwas später trifft auch Pater Gabriel ein. Die Herberge ist in einem riesigen Unterkunftskomplex verortet ist, der zum Weltjugendtag 1989 in Santiago entstand. Von den rund 3000 Betten werden noch maximal vierhundert für Pilger genutzt. Der Rest einschließlich Restaurants etc. befinden sich in einem Dornröschenschlaf. In jeder Barracke befinden sich unzählige Räume, in denen jeweils vier Doppelstockbetten stehen. Daneben gibt es noch Sanitärräume, Waschräume und eine Küche. Entgegen aller Veröffentlichungen gibt es für die Pilger weder Speisen noch Getränke, auch nicht aus Automaten, zu kaufen. Da muss ich mir für heute Abend etwas überlegen, wie ich den hungrigen Pilger gesättigt bekomme. Zunächst stopfe ich meine Wäsche in eine Waschmaschine und besuche das Pilgerdenkmal, wo ich mich traditionell zum Pilgerkönig ausrufe – ich bin schließlich der erste aus meiner „Pilgergruppe“, der vom Monte do Gozo die Kathedrale erblickte. Danach gehe ich noch einmal ein Stück zurück, um mir das Monument anlässlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. zum Weltjugendtag und die Capilla San Marcos anzusehen. Danach will ich in dem etwa zehn Minuten entfernt liegenden Restaurant etwas essen, das ich schon auf dem Weg zum Monte do Gozo gesehen habe. Doch neben der Kapelle erhalte ich an einem Kiosk ein warmes Baguette für kleines Geld. Außerdem kann ich meine Getränkevorräte auffüllen. Am Abend werde ich es nicht spät werden lassen. Um 19:30 Uhr nehme ich am Gottesdienst in der Kapelle teil, bei dem Pater Gabriel konzelebrieren darf. Ich habe die Ehre, eine Fürbitte auf Deutsch vorzutragen. Zum Ende des Gottesdienstes dürfen sich alle Pilger rund um den Altar stellen. Jeder wird von Pfarrer in seiner Muttersprache nach dem Startort und dem Wohlbefinden gefragt, bevor er allen den Pilgersegen erteilt. Ich hatte zwar keine Vorahnung, aber das war jetzt das iTüpfelchen, um morgen früh und nicht schon heute nach Santiago zu gehen. Jetzt kann ich dankbar den Tag abschließen und mich zu Bett begeben.
Ein letzter Stempel Freitag, 22. Juni 2018: Vom Monte do Gozo nach Santiago de Compostela Der letzte Pilgertag bricht an. Gegen 6:00 Uhr werde ich durch das unruhige Verhalten von anderen Pilgern außerhalb unseres Zimmers wach. Ich beschließe, dann halt auch aufzustehen und nicht zwanghaft im Bett zu bleiben. Da ich am gestrigen Abend schon meinen Rucksack verpackt hatte, greife ich ihn mir, verlasse den Schlafraum und mache mich im Aufenthaltsraum in Ruhe fertig. Heute verstaue ich auch meine Stöcke, die ich auf den letzten fünf Kilometern nicht mehr benötigen werde. Um 6:40 Uhr verlasse ich die Herberge und marschiere ganz langsam den Berg hinab in das gerade erwachende Santiago. Ich bin wieder einmal alleine unterwegs, was mir eigentlich sehr gut gefällt. Einige Mitpilger sind bereits früher losgegangen, aber ich bin ganz froh, dass ich ungestört die letzten Schritte mit meinen eigenen Gedanken machen kann. Lediglich das Morgenkonzert der Vögel begleitet mich, wird aber fließend vom Lärm von Autos abgelöst. Den kann ich aber einigermaßen ausblenden, um mich auf das für mich Wesentliche, nämlich das Ankommen in der JakobusStadt, konzentrieren kann. Selbstverständlich ist es ein gewaltiger Unterschied im Vergleich zu den vergangenen zwei Wochen, durch die vorgelagerten Ansiedlungen einer Großstadt zu gehen. Von der Natur ist jetzt nicht mehr allzu viel zu sehen, dafür die ersten Häuser der Vororte, deren Dichte immer mehr zunimmt. Ich bin heute auf den letzten Kilometern genauso aufgeregt, wie bei meinen ersten drei Ankünften. Es gibt ja viele Pilger, die genau das Gegenteil behaupten. Ein wiederholtes Ankommen in Santiago sei nicht so emotional wie beim ersten Mal. Ich sehe das ein wenig anders. Ich war immer sehr bewegt, wenn ich mich auf der Praza de Obradoiro vor die Kathedrale gesetzt habe. Es liegt vielleicht auch einfach daran, mit welchen Erwartungen man auf seinen Camino geht. Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass jeder Camino komplett anders und damit auch jedes Ankommen ein anderes war. Ich sehe die Umstände des Weges, das Erlebte, das Verarbeitete, die Menschen des Weges, das Wetter und die Natur all das trägt dazu bei, wie ich das Ankommen empfinde. In den Boden eingelassen BronzeMuscheln weisen nun den Weg in Richtung Zentrum. Aus östlicher Richtung bin ich noch nie nach Santiago gelaufen. Bisher kam ich über den Camino Inglés aus dem Norden und über den Caminho Portugues aus dem Süden. Mir gefällt das Finale des Camino Primitivo jedenfalls deutlich besser. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass zu dieser Uhrzeit noch nicht allzu viel los ist? Nein, ich glaube nicht. Ich bin jedenfalls froh und dankbar, dass ich diesen Camino gehen durfte, ihn auch ohne großartige Blessuren gut hinbekommen habe. Ganz besonders bedanke ich mich bei Susanne und Christian, die mir erneut diese zwei Wochen geschenkt haben. Ich freue mich, morgen wieder nach Hause zu kommen. Wenn ich auf die letzten vierzehn Tage zurückblicke, habe ich in diesem Jahr nicht so viele Leute kennengelernt. Die Gespräche mit ihnen waren immer sehr offen und herzlich. Marcel bedaure ich ein wenig, da er es mit mir und den Verständigungsproblemen sicherlich nicht einfach gehabt hat. Und doch ist er immer wieder auf mich zugekommen, das rechne ich ihm sehr hoch an. Die Zeit vergeht wie im Flug und so treffe ich mit feuchten Augen um 7:45 Uhr auf der noch fast leeren Praza de Obradoiro vor der Kathedrale ein. Ich bin total begeistert, wie die Front der Kirche inzwischen aussieht, hier ist im vergangenen Jahr richtig tolle Arbeit bei der Sanierung geleistet worden. Es stehen kaum noch Gerüste und das gesäuberte Mauerwerk sieht aus wie neu. Ich gehe nach einem ersten Dankgebet vor der Kathedrale direkt zum Pilgerbüro, wo ich in der kurzen Schlange Tatjana treffe. Kurz darauf bekomme ich den letzten Stempel in meinen Pilgerpass. Um 8:20 Uhr halte ich bereits meine Compostela in der Hand. Im vergangen Jahr kam ich erst am Nachmittag an und musste fast neunzig Minute auf mein Pilgerzeugnis warten. Dann mach ich mich auf den Weg zu meiner Unterkunft, dem Seminario Menor, wo ich um 9:30 Uhr eintreffe und meinen Rucksack im Keller einschließen möchte. Ich habe jedoch Glück: mein Zimmer war für die vergangene Nacht nicht vergeben und braucht nicht gereinigt zu werden, sodass ich es bereits beziehen darf. Das ist natürlich toll. Ich stelle mich komplett angezogen unter die Dusche, wasche gleichzeitig meine Kleider und hänge sie danach im warmen Zimmer auf. Sie sollten bis morgen wieder trocken sein. Ich sortiere und kontrolliere noch einmal meine Ausrüstung und lege mir alles für die morgige Abreise zurecht. Als nächstes steht der Pilgergottesdienst um 12:00 Uhr auf dem Plan. Auf dem Weg zur Kathedrale begegnet mir das japanische Ehepaar, das schon seit Tagen immer wieder in den gleichen Herbergen wie ich übernachtet hat. In der Stadt treffe ich Marcel, der bereits gestern in Santiago ankam. Er hatte ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zur Kathedrale, heute ist er ebenfalls, wie auch die Japaner, im Seminario Menor untergebracht. Wir verabreden uns zum Mittagessen nach dem Ende des Gottesdienstes. Diesem kann ich in diesem Jahr nicht so folgen wie sonst, weil mir heute komischerweise die ganzen Touristen, die während des Gottesdienstes umherlaufen ziemlich auf den Nerv gehen. Deswegen setze ich mich in die Marienkapelle, in der ich eine Weile alleine sein kann. Ich erlebe jedoch noch das Schwenken des Botafumeiro wie immer bei meinen Besuchen der Pilgermesse. Und jedes Mal werden hunderte Handys in Betrieb genommen, wenn sich der silberne Weihrauchkessel in Bewegung setzt... Das Mittagessen neben Marcel und ich in der Mensa der medizinischen Fakultät der Universität von Santiago ein, wo wir für nur 5,70 € ein leckeres Menü bekommen. Danach trennen wir uns, da Marcel ins Seminario umziehen und ich noch etwas durch die Stadt bummeln möchte. Dabei treffe ich unterwegs noch Dave und Gonzalo, mit denen ich noch ein wenig plaudere. Der Trubel wird mir dann doch zuviel und ich ziehe mich noch einmal auf mein Zimmer zurück, um mich auszuruhen. Am Abend mache ich noch einen Zug durch die Gemeinde, denn es ist San Xoan Johannesfest. Allerdings ist es heute eher ruhig, erst morgen wird die Nacht zum Tag. An vereinzelten Punkten trifft man sich aber schon heute. An einem solchen bestelle ich mir mein Abendessen Pulpo und Piementos de Padrón. Danach gehe ich ein wenig durch die Gassen, schaue mir noch die Iglesia Santa Maria Salome aus dem 12. Jahrhundert an, die bisher immer verschlossen war. Sie ist eine hübsche, alte Kirche und das Alter scheint man förmlich riechen zu können. Ich schlendere weiter zur Kathedrale. Gerade geht die Sonne unter und läss die Fassade beinahe golden erstrahlen. Und dann läuft mir Jamar über den Weg. Obwohl wir uns nur einmal intensiv in Berducedo unterhalten und nochmal sporadisch gesehen haben, ist die Wiedersehensfreude beiderseits groß. Wir haben uns viel zu erzählen. Es wird erneut ein großartiges, sehr offenes Gespräch zwischen uns beiden. Ich freue mich wirklich, ihn noch einmal gesehen zu haben. Wir verabschieden uns sehr herzlich voneinander. Direkt nebenan spielt seit einiger Zeit unter den Arkaden des Verwaltungsgebäudes die Tuna. Die Straßenkonzerte der Musiker sind berühmt und man sollte unbedingt die Gelegenheit nutzen, sie zu erleben. Sie haben ihre Zuhörer fest im Bann und integrieren sie auch gerne in ihren Auftritt. Auch ich verbleibe noch eine Weile und sauge die positive Stimmung auf. Auf dem Heimweg zur Herberge laufe ich an der Rua de San Pedro entlang, wo ebenfalls noch LiveMusik die Menschen unterhält. Auch hier bleibe ich noch eine Weile stehen, muss dann aber doch los, damit ich noch in die Herberge eingelassen werde.
Zufallsfund am Markt Samstag, 23. Juni 2018: Santiago de Compostela Ich habe mich inzwischen an das frühe Aufstehen gewöhnt und da ich ohnehin schon um 5:30 Uhr wach bin, nutze ich halt die Gunst der Stunde und beginne mit den Abreisevorbereitungen. Ich öffne das Fenster weit und bitte die frische Luft der Morgendämmerung herein. Mein Schwerpunkt liegt beim systematischen Verpacken meiner Ausrüstung in den Rucksack. Etwas später ist auch die Zeit da, noch einmal unter die Dusche zu gehen. Kurz vor 7:30 Uhr verstaue ich den Rucksack in einem Schließfach im Keller der Herberge und begebe mich völlig entspannt zur Kathedrale. Um 8:00 Uhr beginnt dort in der Capilla de Cristo de Burgos der deutschsprachige Gottesdienst, der für mich der Abschluss der diesjährigen Pilgerwanderung sein wird. Vorher besuche ich noch einmal Jakobus am Hochaltar und in der Krypta. Nach dem Gottesdienst gehe ich traditionell in die gegenüberliegende Hospederia Seminario Mayor San Martin zum Frühstück. Für sechs Euro bekommt man dort ein reichhaltiges und gutes Angebot. Gegen 10:00 Uhr beginnt allmählich das Leben auf der Praza de Obradoiro vor der Kathedrale, wo ich mich an einer Säule des Verwaltungsgebäudes hinsetze. Ich habe dort schon so manche Stunde verbracht und all die Menschen beobachtet, die hier ihren Camino beendet haben. Es macht einfach Spaß, die Menschen bei ihrem Ankommen zu sehen, wie sie reagieren, wie sie feiern, wie sie sich freuen. Man sieht aber auch oft genug Trauer und Schmerz in den Gesichtern. Dazwischen laufen aber auch Touristen herum, die manchmal sehr verwundert auf das Geschehen auf der Praza reagieren. Nachdem ich fast zwei Stunden lang auf dem Platz verbracht habe, mache ich mich auf den Weg zu den Markthallen, durch die ich auch immer gerne bummele. Dabei fällt mir zufällig in der Auslage eines kleinen Ladens ein Körbchen mit selbst bemalten Jakobsmuscheln auf. Das ist eine Überraschung, damit hätte ich hier überhaupt nicht gerechnet. Eine gefällt mir besonders. Sie ist sehr einfach gehalten, passt daher sehr gut zum Camino Primitivo und wird prompt mein diesjähriges Pilgerzeichen. Die Muschel, die ich bereits gestern gekauft hatte, ist zwar auch sehr schön, aber war von Beginn an „nur“ ein Kompromiss. Außerdem kaufe ich auf dem Markt noch die gute Orangen-Schokolade, die ich als Mitbringsel nach Hause nehmen werde. Dann mache ich mich allmählich wieder zur Herberge auf, um meinen Rucksack abzuholen. Unterwegs mache ich noch einen Boxenstopp in der Bar Bicoca und genehmige mir zum Abschluss ein leckeres Super Bock. Um 13:15 Uhr habe ich meinen Rucksack auf den Schultern und laufe die knapp 1,5 Kilometer bis zum Busbahnhof. Ich muss auch nur zehn Minuten warten, dann kommt auch schon mein Bus, der pünktlich um 13:50 Uhr in Richtung Flughafen abfährt. Einchecken und Sicherheitskontrolle verlaufen entspannt, da noch nicht viel los ist. Kurz vor dem Boarding passiert dann doch noch etwas Unerwartetes: ich treffe Walter aus unserem Koblenzer Pilgerforum, der am Pfingstmontag auf den Camino Frances gestartet ist. Es ist erstaunlich, dass ich bisher in jedem Jahr irgendeinen Bekannten in Santiago getroffen habe. Der Flug wird heute planmäßig um 16:55 Uhr in Santiago rausgehen und um 19:15 Uhr auf dem Flughafen Hahn landen, wo ich von Susanne abgeholt werde. |