Lahn-Camino 2009-2010
Datum | Strecke | Länge | Gesamtlänge | |
1. | 13.05.2009 | Wetzlar - Weilburg | 25 km | 25 km |
2. | 14.05.2009 | Weilburg - Runkel | 29 km | 54 km |
3. | 15.05.2009 | Runkel - Diez | 19 km | 73 km |
4. | 10.05.2010 | Limburg - Diez | 8 km | 81 km |
5. | 11.05.2010 | Diez - Obernhof | 31 km | 112 km |
6. | 12.05.2010 | Obernhof - Bad Ems | 20 km | 132 km |
7. | 13.05.2010 | Bad Ems - Lahnstein | 20 km | 152 km |
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Unser Militärpfarrer hatte vor einiger Zeit zu einer Pilgerrüstzeit auf dem Lahn-Camino eingeladen. Der Weg sollte in vier Tagen von Wetzlar nach Limburg führen. Den größten Teil dieser Strecke habe ich bereits im vergangenen Jahr alleine bewältigt, trotzdem möchte ich über die Tage hier berichten. Neu ist für mich die Passage ab Villmar. Treffpunkt 14.45 Uhr in der Kaserne. Wir fahren mit unserem evangelischen Standortpfarrer, Dekan Karsten Wächter, mit einem Fahrzeug nach Wetzlar. Wir, das sind drei weitere Kameraden und ich selbst. In Wetzlar treffen wir auf der Lahninsel mit einer Gruppe aus Mainz zusammen, mit der wir gemeinsam unterwegs sein werden. Bei einer kurzen Vorstellungsrunde mit Kaffee und Keksen macht man sich untereinander bekannt. Die Mainzer Gruppe wird begleitet vom dortigen evangelischen Standortpfarrer Alexander Liermann und seinem Pfarrhelfer Jörg Bertram. Dann machen wir uns auf den Weg zum Dom und treffen dort auf Matthias Völkel, der dort schon mit seinem Esel Birk auf uns wartet. Die beiden sind unterwegs nach Santiago de Compostela. Ich habe für alle Teilnehmer einen Pilgerpass für den Lahn-Camino dabei und eile kurz ins nahe gelegene katholische Pfarramt, um diese mit einem Stempel versehen zu lassen. Einen der Pässe muss ich der Pfarrsekretärin überlassen, sie ist begeistert davon. Nach einer kurzen geschichtlichen Einführung zum Wetzlarer Dom gehen wir auch hinein. Dort bereiten einige Jugendliche ihre bevorstehende Konfirmation vor. In einer kleinen Seitenkapelle gibt es einige einleitende Worte zu unserer Pilgerfahrt als Einstimmung für die kommenden Tage. Der weitere Weg führt uns zu Fuß zum außerhalb der Stadt gelegenen Hotel Dern, wo wir unseren Hunger und Durst stillen können. Später erzählt Mattes, unterlegt von vielen Bildern, von seiner letzten Reise nach Santiago im Jahre 2003. Damals startete er von Lourdes, wo er an der Internationalen Soldatenwallfahrt teilnahm. Mit Birk zog er dann in Richtung Santiago. In diesem Jahr ist er wieder unterwegs, und zwar von seinem Wohnort in der Nähe von Göttingen, und wir dürfen ihn ein Stückchen des Weges begleiten. Da Birk sehr anhänglich ist, hat Mattes neben dem Hotel sein Zelt aufgeschlagen. Den Abend beschließt Dekan Wächter mit einem spanischen Pilgerlied aus dem iPod, einem besinnlichen Text sowie einem gemeinsamen Lied. Morgen haben wir ein gutes Stück Weg vor uns, es geht von Wetzlar nach Weilburg. Hoffentlich werden wir vom Regen verschont. Auf den kommenden Abend freue ich mich, wenn Ka-Jo Schäfer zu unserer Gruppe stoßen wird und uns einiges über den Jakobsweg erzählt. Von Wetzlar nach Weilburg (13. Mai 2009) Heute Morgen steht zunächst einmal ein gutes Frühstück an sowie das Auffüllen von Wasser, Saft und kleinen Snacks für den Weg nach Weilburg. Jörg Bertram versorgt uns in diesen Tagen mit all diesen notwendigen Kleinigkeiten, kümmert sich um den Transport unseres Gepäcks und erledigt noch viel Weiteres im Hintergrund. Bevor es jedoch losgeht, hält Pfarrer Liermann eine kurze Morgenandacht. Dann setzt sich der Tross in Begleitung von Esel Birk und Kiwi, einem kurzbeinigen, aber ausdauernden Hund, in Bewegung. Zunächst geht es bergab nach Nauborn. Dort treffen wir wieder auf den ausgewiesenen Lahn-Camino. An der Theutbirg-Basilika machen wir einen ersten Stopp und singen ein Lied. Dekan Wächter erläutert noch kurz die Herleitung des Wortes Basilika, bevor es weiter geht. Inzwischen ist auch die Sonne hinter den Wolken hervorgekommen und die Jacken und Pullis verschwinden nach und nach in den Rucksäcken. Wir marschieren durch grüne und gelbe Felder und reden im wahrsten Sinne der Worte über Gott und die Welt. In Braunfels machen wir Mittagsrast, mitten auf dem Marktplatz unterhalb des Schlosses. Ich gehe noch zum katholischen Pfarramt, um die Pilgerausweise abstempeln zu lassen. Es gibt Schnitzelbrötchen, saftige Äpfel und Bananen. Zwischendurch dürfen auch einige Kinder auf Birk reiten. Manch einer genehmigt sich auch ein großes Eis mit Sahne. Im Laufe der Zeit lernen wir ein weiteres Lied von Dekan Wächter, das aber nicht so gut ankommt („Ein Lied lebt vom Mitsingen, nicht vom Zuhören“, es muss aber auch gefallen). Es wird daher nicht so inbrünstig mitgesungen, wie manch ein anderes. Knapp 25 Kilometer Marsch haben wir hinter uns gebracht, als vor uns die ersten Häuser von Weilburg auftauchen. Unser Gastgeber vom Hotel Weilburg (da habe ich auch im vergangenen Jahr bei meiner ersten Tour übernachtet) empfängt uns mit Wasser, Apfelsaft und Wein. Auch Mattes und Birk werden überrascht: hinter dem Hotel befindet sich eine große Wiese, auf der das Zelt aufgebaut werden darf und sie die Nacht verbringen können. Um 19.00 Uhr gibt es für uns „ausgelaugte“ Pilger im „Bürgerhof“ ein reichhaltiges und gutes Mahl. Dort treffen wir auch Gabi und Ka-Jo, der sich angeboten hat, etwas über die Geschichte des Jakobsweges zu erzählen. Zurück im Hotel versammeln wir uns hinter dem Haus. Der Hotelier hat Bier und Wein bereitgestellt, ein paar Teelichter und die beginnende Dämmerung sorgen für eine angenehme Atmosphäre. Wir sitzen im Kreis und hören gespannt den Ausführungen von Ka-Jo zu, der sein Publikum in seinen Bann zieht. Der Abschluss des Abends gehört wieder dem Dekan: ein Lied über unsere müden Knochen, die wir nach dem langen Marsch spüren. Ein Psalm beschließt den Abend endgültig. Um 22.30 Uhr verabschieden wir Ka-Jo, ich selbst gehe auch auf mein Zimmer, während einige noch bleiben. Ich nehme mir mein Notizbuch und einen Kuli und lasse den Tag gedanklich Revue passieren, denn wir haben ja doch schon einiges erlebt.
Von Weilburg nach Runkel (14. Mai 2009) Nach dem Frühstück und der Morgenandacht geht es wieder auf den Weg. Wir passieren den Schiffstunnel und schauen noch einmal kurz bei Ka-Jo zu Hause vorbei. Mattes bekommt eine Ausgabe des Pilgerwanderführers für den Lahn-Camino mit einer Widmung geschenkt. Wir verabschieden uns herzlich und stoßen wieder zum Rest der Gruppe, der an der Lahn wartet. Kurz darauf verlassen wir den Fluss und auch den Camino, denn die folgenden zwei bis drei Kilometer sind mir vom Vorjahr mit tiefen, schlammigen Furchen in Erinnerung. Daher wählen wir den annähernd parallel verlaufenden Weiltal-Radweg. Nach einem kurzen Anstieg erreichen wir die Burg Freienfels und haben die Möglichkeit, in den sonst verschlossenen Burghof zu gelangen. Hier finden noch Aufräumarbeiten statt, denn vor ein paar Tagen fand hier ein beliebtes mittelalterliches Treiben statt. Hier bekommen wir von Dekan Wächter unsere nächste Aufgabe: bis zur Mittagsrast in Elkershausen sollen wir versuchen, den Weg schweigend zu beschreiten und dabei unsere Gedanken ein wenig zu bündeln. In Weinbach trenne ich mich kurzzeitig von der Gruppe, um einen weiteren Stempel für die Pilgerpässe zu ergattern. Diesen erhalte ich, wie beim vergangenen Mal, bei der Gemeindeverwaltung. Erst am vereinbarten Rastplatz am Sportplatz in Elkershausen schließe ich zu den anderen wieder auf. Man ist eifrig dabei, frische Fleischwurst, Frikadellen und Brötchen zu vertilgen. Auf den weiteren Kilometern verlieren wir kurz vor Villmar einen Teil unserer Mitpilger, die anscheinend einen Abzweig übersehen haben. Doch moderne Technik, sprich Handy, führt uns nach wenigen Minuten wieder zusammen. Nun beginnt auch für mich Neuland, denn im letzten Oktober war Villmar für mich die Endstation meiner ersten Pilgertage. Da wir nur am Ortsrand entlanglaufen, hat Jörg Bertram bei der katholischen Pfarrgemeinde die Pilgerstempel besorgt, er ist wirklich unsere gute Seele. Am Ortsausgang bestaunen wir am Wegesrand eine Stele mit Jakobsmuschel und plötzlich stürzt aus dem dahinterliegenden Steinmetzbetrieb eine Dame auf uns zu und will uns unbedingt aufhalten. Es stellt sich heraus, dass wir bereits am Galgenkopf kurz vor Villmar entdeckt wurden und dies per Handy weitergegeben wurde. Die Dame gehört zu einer Gruppe von acht Personen, die seit zehn Jahren auf dem Jakobsweg unterwegs ist. Man ist dabei immer zwei Wochen pro Jahr unterwegs. Zurzeit sind sie bis 200 Kilometer vor Santiago angekommen und wollen im kommenden Jahr endgültig ihr Ziel erreichen. Sie sind auch erst am letzten Wochenende aus Spanien zurückgekehrt. Man bietet uns Kaffee und Sekt an, und von überall strömen die Menschen zu uns. Ein weiteres Ehepaar aus der Pilgergruppe gesellt sich zu uns und lässt sich von Mattes über seine Pläne berichten. Nach einem Erinnerungsphoto bewegen wir uns weiter in Richtung Runkel. Auf den überwiegend schmalen Pfaden stoßen wir auf ein wunderschönes Friedenskreuz aus Marmor und haben vom König-Konrad-Denkmal einen tollen Ausblick auf Villmar und Runkel. Nach rund 29 Kilometern und cirka sechs Stunden reiner Marschzeit erreichen wir unser Hotel hoch über Runkel. Auch heute hat es das Wetter gut mit uns gemeint. Mattes findet hinter dem Hotel auch ein Stück Wiese und baut dort seine Unterkunft auf. Aus einem angrenzenden Garten kommen einige Kinder herausgelaufen, als sie Birk entdecken. Eines der Kids hat Geburtstag und bekommt ein Ständchen von uns dargebracht, anschließend dürfen die Kinder auch noch etwas reiten. Wir beenden diesen erneut ereignisreichen Tag mit einem sehr guten Abendessen und einer kurzen Abendandacht. Im Mittelpunkt steht der Song „Wonderful World“ von Israel Kamakawiwo'Ole, einem hawaiianischen Sänger, der so passend für den abgelaufenen Tag steht.
Von Runkel nach Diez (15. Mai 2009) Heute bricht unser letzter gemeinsamer Tag an, wir werden „liebevoll“ von Birk geweckt. Nach einem köstlichen Frühstücksbüffet geht es auf den letzten Abschnitt. Pfarrer Liermann hält die Andacht heute etwas kürzer, da wir vor dem Essen in Limburg noch einen Gottesdienst feiern werden. Ich löse mich wieder von der Gruppe, um beim etwas abgelegenen katholischen Gemeindebüro noch den örtlichen Stempel zu ergattern. Ich klingele etwas vor der Öffnungszeit des Pfarrbüros und werde von der erst kurz vor mir eingetroffenen Mitarbeiterin begrüßt. Wir unterhalten uns kurz über unsere Pilgergruppe, denn sie hatte uns unterwegs auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte bereits gesehen. Sie drückt mir dann auch gerne das Pfarrsiegel in den Stapel der Pilgerpässe. Kurz darauf habe ich dann auch Runkel durchquert und schließe zu den anderen auf. Der Camino führt nun über schmale Waldpfade hoch über der Landstraße und der Lahn her. Unterwegs passieren wir einen jüdischen Friedhof, eine Kriegsgräberstätte und eine kaum noch lesbare Gedenktafel für gefallene Soldaten aus dem 19. Jahrhundert. Die Sonne will heute nicht so richtig rauskommen, aber es bleibt zum Glück trocken. Mit Blick auf das Stift Dietkirchen, das über der Lahn thront, verlassen wir den Wald. Dekan Wächter ergreift noch einmal das Wort, er erzählt uns die Geschichte vom heiligen Menas, einem ägyptischen Soldaten und Märtyrer. Den weiteren Weg nach Limburg werden wir auf der anderen Lahnseite absolvieren, abseits des ausgeschilderten Caminos. Wir überqueren die Lahn über einen hölzernen Steg des Stiftes und laufen nun parallel entlang der Lahn, unter den ICE- und Autobahnbrücken durch bis zur Limburger Schleuse. Dort erhebt sich über uns majestätisch der Limburger Dom. Da wir etwas zu früh unser Ziel erreicht haben, nutzen wir die Gelegenheit für einen Kurzbesuch des Domes. Hier bekomme ich an der Dominformation von einer Schwester den letzten Stempel für diese Etappe. Bei einem kurzen Rundgang entdecke ich in einer tiefer gelegenen, mit einer Glastür verschlossenen Kapelle am Altar eine große Jakobsmuschel. Gleich um die Ecke bedeckt ein großes Fresko mit dem Stammbaum Jesu großflächig eine Wand. Ganz unten erkennt man auch Jakobus den Älteren als Kind mit seiner Mutter dargestellt. Im Dom komme ich mit einem Ehepaar ins Gespräch, das im vergangenen Jahr in Santiago war und sich nun den Lahn-Camino vorgenommen hat. Ich schenke den beiden einen meiner selbst erstellten Pilgerpässe und mache noch ein Erinnerungsphoto für sie mit ihrer Kamera. Heute wollen sie noch bis nach Balduinstein laufen.
Wir verlassen den Dom, um zur Obermühle zu gehen. Diese liegt unterhalb des Domes, unmittelbar an der Lahn an eine Felswand geschmiegt. Am Dienstag haben wir unseren Pilgerweg in Wetzlar an der Lahnbrücke begonnen, nun endet sie in Limburg ebenfalls an einer Lahnbrücke. Bevor wir uns zu Tisch begeben, feiern wir noch gemeinsam einen Gottesdienst vor einem steinernen Pavillon, der unseren Altar überdacht. Abschließend werden Dankesworte an alle gerichtet, die sich für die Gemeinschaft eingebracht haben. Jörg Bertram überreicht noch jedem Teilnehmer eine Urkunde und als Höhepunkt einen Schlüsselanhänger mit einer bronzenen Jakobsmuschel. Anschließend verteile ich an meine Mitpilger die Pilgerpässe in der Hoffnung, dass wir im kommenden Jahr die nächsten Etappen bis nach Lahnstein vielleicht gemeinsam gehen können. Nun wird es Zeit für das Mittagessen, das wiederum sehr schmackhaft und reichhaltig ausfällt. Bereits am vorhergehenden Abend habe ich beschlossen, Mattes und Birk noch bis nach Diez zu begleiten. Von dort werde ich mit der Bahn nach Hause fahren. Da es nun schon spät geworden ist, verabschieden wir uns bald und machen uns auch auf den Weg. Schon recht schnell stoßen wir auf die bekannten Wegzeichen, zunächst allerdings innerhalb der Stadt. Nach kurzer Zeit laufen wir schon wieder durch Grünflächen, am Schäferberg vorbei und dann durch die blühenden Lahnwiesen. Ein letztes beschwerliches Stück führt uns in den Diezer Hain, einem bewaldeten Naherholungsgebiet. Dort treffen wir bald auf den Zaun der Kasernenanlage Schloss Oranienstein. Kaum habe ich mich von Mattes verabschiedet (er verbringt die Nacht in der Diezer Kaserne), beginnt es plötzlich wie aus Kübeln zu regnen. Schnell hole ich meine Regenjacke aus dem Rucksack und verpacke diesen ebenfalls in seinen Regenüberzug. Ich gehe mit strammen Schritten quer durch den Hain zum Diezer Bahnhof. Es hört just in dem Moment auf, als ich dort ankomme. Die Wartezeit auf den Zug hält sich auch in Grenzen. In Koblenz angekommen muss ich noch den Berg nach Hause erklimmen. Dabei lasse ich mir noch einmal die schönen letzten Tage durch den Kopf gehen. Wir hatten tolles Wetter, eine prima Gruppe und eine inspirierende geistliche Führung, also alles, was für eine gelungene Pilgerfahrt notwendig war. Hier auf diesen letzten Metern fasse ich den Entschluss, bis nach Santiago de Compostela zu laufen. Jedoch werde ich mir Zeit lassen, mich Schritt für Schritt im Laufe der kommenden Jahre meinem Ziel nähern. Zufrieden komme ich zu Hause an und werde von meiner Familie begrüßt.
Koblenz (17. und 18. Mai 2009) Ab Diez mussten Mattes und Birk alleine weiterlaufen. Udo aus unserer Gruppe hatte sich angeboten, die beiden am Sonntag in Lahnstein mit seinem Pferdeanhänger aufzunehmen und in die Falckenstein-Kaserne zu transportieren. Dort konnten sie die Nacht verbringen und Mattes hatte eine Dusche zur Verfügung. Als ich Sonntagabend mit meinem Sohn Christian mein in Limburg zurückgelassenes Gepäck in der Kaserne abholte, waren alle drei schon da, und wir redeten noch ein wenig über die letzten und auch die kommenden Tage miteinander. Christian bestaunte in der Zwischenzeit Birk. Ich versorgte Mattes am Montagmorgen mit Kaffee, Brötchen und Kuchen und begleitete ihn dann bis kurz vor Winningen mit meinem Drahtesel. Auf dem Weg zur Kasernenwache trafen wir auch noch Dekan Wächter, der Mattes herzlich verabschiedete. Kurz hinter der Universität Koblenz wurden wir von Mattes´ Frau und Tochter überrascht, die bereits am Vorabend in der Kaserne zu Besuch waren. An der Layer Autofähre trennten sich dann unsere Wege, ich fuhr zurück zum Dienst und Mattes und Birk gingen weiter in Richtung Winningen und Kobern-Gondorf. Leider musste Mattes seinen Esel in der Eifel zurücklassen, da er Probleme mit den Hufen hatte. Mattes ist am 4. Mai 2009 in der Nähe von Göttingen gestartet und hat Santiago de Compostela nach 99 Tagen und rund 3000 Kilometern am 11. August 2009 erreicht. Danach ist er noch bis Finisterre und Muxia weitergelaufen. Ich bin froh, Mattes während dieser paar Tage getroffen und ein wenig kennen gelernt zu haben. Sein Vorhaben hat mich zusätzlich bestärkt, auch meinen Weg zu gehen.
Bereits im vergangenen Jahr haben die Planungen für die diesjährige Pilgerauszeit der evangelischen Militärseelsorge Koblenz begonnen. Schon früh nach der Tour von Wetzlar nach Limburg kam bei Dekan Karsten Wächter die Idee auf, in diesem Jahr den begonnenen Weg bis nach Lahnstein fortzusetzen. Zusammen mit Pfarrhelfer Holger Knieling und mir wurden die dreieinhalb Tage vorbereitet und geplant. Vor zwei Wochen haben wir uns die Örtlichkeiten noch einmal angeschaut und geeignete Rastplätze für die Mittagspausen erkundet. Von Limburg nach Diez (10. Mai 2010) Heute ist endlich der ersehnte Tag des Abmarsches gekommen. Mit einer kleinen Gruppe von leider nur zehn Pilgern treffen wir uns in der Falckenstein-Kaserne in Koblenz. Wir verladen unser Gepäck und fahren zu unserem Startpunkt, der Obermühle unterhalb des Limburger Domes. Neben Angehörigen meiner Dienststelle sind auch Kameraden aus Mainz und Darmstadt dabei. Wir kommen um ca. 14.45 Uhr in Limburg an und machen uns zunächst auf den Weg zum Dom. Das Gepäck wird bereits von Holger in das Schloss Oranienstein gebracht, wo wir heute übernachten werden. Ich werde jedoch meinen Rucksack ständig tragen, um einfach mal zu testen, wie ich das mit vollem Gepäck hinbekomme. Nachdem jeder für sich den Dom erkundet hat, machen wir uns nun auf, um nach Diez zu gelangen. Leider konnte ich für meine Mitpilger im Dom keinen Stempel für die Pilgerausweise bekommen, da der Informationsstand nicht besetzt war. Wir schlagen den Weg ans Lahnufer ein und folgen diesem auf einem Radweg, der mit den bekannten Wegweisern mit dem Muschelsymbol markiert ist. Je näher wir uns Diez nähern, desto mehr scheint die Sonne über uns. Neben der angenehmen Wärme verwandelt sie die Lahnwiesen in ein saftiges Grün und die blühenden Rapsfelder in ein strahlendes Gelb. Am Horizont können wir bereits das Schloss Oranienstein erblicken, müssen aber zunächst den kleinen Aufstieg durch den Stadtwald Hain bezwingen. Zu allem Überfluss bleibt uns nichts anderes übrig, als den Kasernenzaun mindestens zu dreiviertel zu umrunden. An der Wache werden wir, nachdem wir uns ausweisen können, durchgelassen und treffen bald auf Holger, der uns den Weg zur Unterkunft weist. Kurz vor dieser werden wir durch ein Fahrzeug „ausgebremst“ und ein grimmig dreinschauender Offizier steigt aus. Er stellt sich als Kasernenkommandant vor und ist über unsere Übernachtung wohl nicht informiert worden, er reagiert trotzdem ein wenig überdimensioniert. Schließlich lässt er uns doch die Unterkunft beziehen. Wenige Minuten später ist für uns in den Schlossgebäuden eine Führung vorgesehen. Obwohl montags eigentlich keine Führungen vorgesehen sind, zeigt uns Frau Friedrichs an ihrem freien Tag die wunderschönen barocken Räumlichkeiten. Sie erklärt uns mit ihrer charmanten Art die Geschichte und die Nutzung der vergangenen dreihundert Jahre. Anschließend treffen wir uns im Mannschaftsheim zum Abendessen, am Ende hat jeder zwei kleine Schnitzel verzehrt. Zum Abschluss des Abends verlegen wir ins Offizierheim, das in dem ehemaligen Schlafzimmer der Fürstin untergebracht ist. Als ersten Impuls der Pilgerauszeit hören wir den „Walkin´ Blues“ von Eric Clapton. Danach malt jeder auf Pappe seine Füße auf und schneidet sie aus. Ein Fuß soll den „Stand-Fuß“ darstellen, der andere den „Gehen-Fuß“. Darauf schreibt nun jeder, wo er sich derzeit befindet bzw. wohin er möchte. Im Rahmen einer kurzen Vorstellungsrunde berichtet alle über das Geschriebene. Wir lassen dann den Abend gemütlich ausklingen mit den ersten Diskussionen und einigen schmackhaften Kaltgetränken zu Happy Hour-Preisen.
Von Diez nach Obernhof (11. Mai 2010) Um 6.30 Uhr weckt mich sanft ein elektronischer Ton, es ist Zeit, aufzustehen. Kurz frisch machen, das Bett abziehen, den Rucksack packen und verschließen. Danach gibt es in der Truppenküche Frühstück, das ich sehr genieße. Allmählich trudeln auch die anderen ein. Wir lassen uns viel Zeit. Kurz nach acht Uhr treffen wir uns mit dem Diezer Militärpfarrer Richter in der wunderschönen Schlosskapelle, um mit ihm eine morgendliche Andacht mit Gebet und Gesang zu feiern. Abschließend erteilt er uns noch einen Wegesegen. Dann ist es soweit, wir verlassen den Kasernenbereich und laufen wieder durch den Hain, dieses Mal in Richtung Diezer Innenstadt. Wir bewegen uns direkt auf das Grafenschloss zu und durchqueren dann das Stadtzentrum. Im Pfarrbüro der Heilig Geist-Gemeinde ergattere ich die ersten Pilgerstempel für die Ausweise. Der heutige Weg ist mit ca. 28 Kilometern sehr lang und hat einen hohen Schwierigkeitsgrad, weil er ständig zwischen ansteigenden und abfallenden Abschnitten wechselt. So passieren wir die Lahngemeinden Fachingen und Balduinstein. Auf den Höhen gibt es immer wieder herrliche Ausblicke ins Tal. Einen letzten Anstieg müssen wir zur Schaumburg erklimmen, bevor wir kurz darauf zu unserer Mittagsrast nach Steinsberg kommen. Hier werden wir bereits von Holger mit Wurst, Brötchen, Obst und Joghurt erwartet. Dazu gibt es heiße Boullion und Kaffee. Wir setzen uns an einen runden Tisch auf einem Spielplatz und füllen die hungrigen Bäuche. Nach einer dreiviertel Stunde ist es Zeit, uns auf die verbleibenden Kilometer zu begeben. Uns erwartet, nachdem wir an Laurenburg vorbeigewandert sind, der heftigste Anstieg des Tages, der uns mit einem Höhenunterschied von einhundertfünfzig Metern auf siebenhundert Meter Strecke zur Brunnenburg bringt. An der Ruine der Klosterkirche machen wir eine kurze Rast, genießen den Ausblick auf das Lahntal und singen gemeinsam ein Lied. Karsten gibt uns noch einen kurzen Denkanstoß. Ich überlege mir darauf, welche Nebensächlichkeiten mir einmal wichtig geworden sind oder vielleicht doch Zeichen des Wirkens Gottes waren. Prompt fällt mir da mein Erlebnis beim Halbmarathon vor zwei Wochen ein. Damals hatte ich meine Laufschuhe zu Hause vergessen, allerdings bereitete mir mein linkes Knie einige Probleme. Wahrscheinlich war es gut, auf der profilierten Strecke nicht zu laufen… Wir verlassen die Brunnenburg weiter in Richtung Obernhof, das Streckenprofil ändert sich immer noch ständig. Endlich sehen wir die ersten Häuser und biegen kurz darauf ab zum Kloster Arnstein. Dort beziehen wir unsere Unterkunft in der Jugendbegegnungsstätte und werden von Pater Bernhard begrüßt. Dabei genehmigen wir uns zum Lohn für die heutigen Strapazen ein Gläschen Rotwein. Nach einigen Worten in der Runde führt uns Pater Bernhard noch durch Kloster und Kirche. Dann werden wir zum Essen gerufen, die Steaks und Würstchen von Holzkohlengrill sind fertig. Es schmeckt klasse. Danach begebe ich mich auf mein Zimmer, bereite alles für den folgenden Tag vor und gehe unter die Dusche. In der Zwischenzeit haben sich zwei Wandergesellen zu uns gesetzt, sie sind beide Tischler. Pater Bernhard gewährt ihnen für die Nacht Unterkunft. Später sitzen wir noch ein wenig in der Runde zusammen und erzählen einiges aus dem Alltag. Den Abschluss des Tages bildet das obligatorische Betthupferl. Heute lauschen wir wie im letzten Jahr dem Song „Somewhere Over The Rainbow/Wonderful World“ von Israel Kamakawiwo´ole. Karsten erzählt vorher noch die alttestamentarische Geschichte von Jakob und Esau und stellt so die Verbindung her zu der Frage, was eigentlich wirklich hinter dem Regenbogen sei. Bei Jakob waren es die Engel, die auf der Leiter auf- und abstiegen. Ganz oben ist jedoch Gott, der mit Jakob Großes für die Zukunft des Volkes Israel vorhatte.
Von Obernhof nach Bad Ems (12. Mai 2010) Es klopft an der Tür und Karsten steckt den Kopf durch dieselbige. „Guten Morgen“, ruft er uns zu, „es ist gleich kurz nach halb acht.“ Da haben Jörg und ich wohl zu gut geschlafen und uns gegenseitig darauf verlassen, einen Wecker zu stellen. Es hilft nichts, raus aus der Kiste. Aufgrund der vorgerückten Uhrzeit gibt es eine Katzenwäsche und dann runter zum Frühstück. Alle sitzen bereits am Tisch und grinsen. Ich suche mir einen freien Platz und mache mir etwas zu essen. Anschließend heißt es, Gepäck fertig machen und schon mal an den Eingang stellen. Dann besorge ich mir einen Besen und fege unser Zimmer und den Flur aus. In der Zwischenzeit sind auch alle anderen dabei, unser Haus in den Urzustand zu versetzen. Ein paar Minuten später steht mir Frau Lotz gegenüber, die hier alles für uns geregelt hat. Ich hatte ihr im Vorfeld versprochen, einige Pilgerausweise zur Verfügung zu stellen, über die sie sich sehr freut. Sie bekommt von mir noch die Datei zugeschickt und kann sich dann bei Bedarf neue Ausweise ausdrucken. Als alles erledigt und das Gepäck der anderen wieder im Auto verstaut ist, treffen wir uns vor der Jugendbegegnungsstätte zum morgendlichen Impuls mit Gebet und Gesang. Kurz vor neun Uhr begeben wir uns auf den Camino, der uns zunächst nach Nassau über den Lahntal-Radweg führt. Unterwegs treffen wir eine größere Gruppe aus Koblenz, die auf ein nett angerichtetes Frühstücksbüffet unter freiem Himmel zu marschiert. Wir kommen deutlich früher als geplant in Nassau an und besteigen den Burgberg, um in den Genuss des sagenhaften Ausblicks vom sehr gut erhaltenen Bergfried zu kommen. Nach einer kleinen Pause geht es wieder an den Abstieg, dabei pilgern wir an der Ruine der Burg Stein und am Denkmal des Freiherrn vom Stein vorbei. Wir sind immer noch zu früh zur Mittagspause am vereinbarten Platz. So entscheiden wir uns, ins Café der Stadthalle einzukehren und uns ein wohltuendes Heißgetränk zu gönnen. Um 12.00 Uhr trudeln wir dann am Lahnufer zur Mittagspause ein. Holger hat wieder reichlich eingekauft. Es gibt Schnitzelbrötchen, Quarkspeise und frisches Obst, dazu die inzwischen beliebten heißen Getränke. Wir lassen uns alles gut schmecken. Eine weitere dreiviertel Stunde später brechen wir in Richtung Dausenau auf. Es geht durch die Innenstadt von Nassau am alten Rathaus und am Stein´schen Hof vorbei, um dann am Marienkrankenhaus steil nach oben zu wandern. Wir folgen nun dem Lahnhöhenweg auf der Westerwaldseite und erreichen nach cirka einer Stunde die kleine Lahngemeinde. Dort werden wir bereits von Gerhard Schäfer erwartet, der uns auf der historischen Stadtmauer einiges über die Geschichte Dausenaus erzählt. Wir gehen noch am schiefen Turm und am historischen Rathaus vorbei, bevor wir abschließend die St. Kastor-Kirche besichtigen. Auch hier erläutert Herr Schäfer uns einiges zur Geschichte, zum Bau und dem Inventar. Danach begeben wir uns auf den letzten Abschnitt für den heutigen Tag, der uns über den Concordiaturm nach Bad Ems bringt. Allerdings müssen wir erneut einige Höhenmeter überwinden. Am Höhenhaus biegen wir nach links ab und laufen über eine Zubringerstraße zum hochgelegenen Aussichtsturm. Von diesem hat man einen traumhaften Ausblick auf die alte Kurstadt. Hier beschließen wir auch, die Anhöhe zur Bad Emser Jugendherberge mittels der Kurwaldbahn zu erreichen. Dies erspart uns zum einen ein paar Kilometer, vor allem aber einen steilen Anstieg von annähernd sechzehn Prozent. Von der Aussichtsplattform schlängelt sich der Weg am Rande des Bäderleifelsens und an den Heinzelmannhöhlen ins Tal hinab. Wir laufen am Kurhaus vorbei und sind bald an der Talstation der Kurwaldbahn. Dort lösen wir eine 10er-Karte, die kostengünstiger ist, und lassen uns entspannt nach oben befördern. An der Bergstation geht es am Bismarckturm und an den Bad Emser Kliniken vorbei. Bald erreichen wir unser heutiges Ziel, die Jugendherberge. Wir beziehen unsere Zimmer, machen uns frisch und treffen uns im Speisesaal zum Abendessen. Es gibt Hähnchenroulade, Salat und Country Potatoes, als Dessert einen Obstquark. Nach dem Essen verlegen wir ins Bistro im Keller des Hauses und gönnen uns das ein oder andere Glas Wein. Karsten nutzt die Gelegenheit für das Betthupferl und erzählt die bereits am Morgen fortgesetzte Geschichte von Jakob. Danach hören wir zum Tagesausklang den Song „Roll Jordan Roll“, das durch seinen imponierenden tiefen Bassgesang besticht. Spontan beginnen wir noch einige Runden Würfelspiel und lassen uns durch Markus, dem besten Witze-Erzähler der Gruppe, unterhalten.
Von Bad Ems nach Lahnstein (13. Mai 2010) Heute ist der letzte Tag unserer Pilgerwanderung auf dem Lahn-Camino. Wir werden von der Bad Emser Jugendherberge über Nievern, Miellen und Frücht nach Lahnstein laufen und dort in der Hospitalkapelle St. Jakobus einen Gottesdienst feiern. Doch zunächst steht für uns ein gut bestücktes Frühstücksbüffet im Speiseraum bereit. Nachdem wir uns gestärkt haben, packe ich meinen Rucksack und gebe den Zimmerschlüssel an der Rezeption ab. Allmählich trudeln alle anderen auch an unserem Treffpunkt vor dem Haus ein, zudem ist noch Jürgens Frau Ulrike zu uns gestoßen. Gestern Abend musste uns André bereits verlassen, Holger hat ihn noch nach Koblenz gebracht. Wir starten den Pilgertag, wie in den vergangen Tagen, mit dem morgendlichen Impuls. Carsten setzt die Geschichte von Jakob fort, der von seinem Bruder Esau mit offenen Armen und voller Freude in Empfang genommen wurde. Diese Freude wollen wir heute auch mit auf den Weg nehmen. Dann geht es los, erst einmal steil bergab. Dieses Stück haben wir uns in entgegengesetzter Richtung gestern erspart, und das war auch gut so. Wir passieren die ehemalige Bundeswehrschule und die evangelische Martinskirche, bevor wir die Lahn überqueren und an den Bad Emser Westbahnhof gelangen. Dort laufen wir durch ein kleines Gewerbegebiet und lassen dann die Kurstadt hinter uns. Zur Freude aller geht es dann endlich wieder einmal bergauf und wir bewegen uns oberhalb der Lahngemeinde Nievern. Hier haben wir erneut einen schönen Blick in das Lahntal und auch zurück nach Bad Ems. Hinter dem Nieverner Sportplatz werden wir vom Wald verschluckt. Wir folgen einem schmalen Pfad am Hang, am Rande kann man immer noch in unwegsamem Gelände die Sturmschäden des Frühjahrs ausmachen. Es dauert nicht allzu lange, bis wir auf einen Wegweiser stoßen, der die Stempelstelle in Miellen ankündigt. Ulrike, Jörg und ich machen uns auf den kurzen Umweg, um die Pilgerausweise abzustempeln, die anderen gehen schon einmal zur Gedenkkapelle an einer Bergkante über der Lahn. Dort stimmt uns Karsten auf die kommende Aufgabe ein. Wenn wir jetzt durch das Schweizertal nach Frücht und zur Mittagsrast in der Gemarkung Friedrichssegen laufen, soll jeder diesen Abschnitt schweigend zurücklegen, ein wenig in sich gehen und die Sinne öffnen. Der Lahn-Camino folgt nun dem Schweizertal, das immer enger zuläuft und in dem im 18. Jahrhundert einige Mühlen ansässig waren. Von diesen sind aber nur wenige Reste oder Erinnerungstafeln verblieben. Am Ende des zerklüfteten Tales wandern wir über einen Wiesenweg nach Frücht. Hinweistafeln zeigen dem Besucher sehenswerte Gebäude des Dorfes. Auf einer Historiensäule ist die Geschichte des Örtchens eingemeißelt. Wir schauen uns die evangelische Thomas-Kirche und die Gruft des Reformers Freiherr vom Stein auf einer Schleife durch Frücht an und verlassen den Ort in Richtung Friedrichssegen. Es geht nun über einen Feldweg, wenig später durch einen dichten Mischwald. Der Weg ist hin und wieder durch umgefallene Bäume versperrt und wir müssen verschiedene Klettertechniken anwenden, um vorwärtszukommen. Am Ende des Waldes sind nur noch fünfhundert Meter auf einer Straße zu gehen, bis wir das uns wohlbekannte Fahrzeug von Holger erblicken. Es ist Mittagszeit und wir haben richtig Hunger. Holger hat einen Gasgrill aufgebaut und macht in einem Topf Fleischwurst heiß. Das passt jetzt richtig gut, denn es nicht sonderlich warm. Dazu gibt es Brötchen und die Reste unseres Frühstücks vom Kloster Arnstein. Nachdem wir uns gestärkt haben, füllen wir noch einmal die Getränkevorräte auf und begeben uns auf den letzten Abschnitt. Auf diesen Metern kommt schon ein wenig Wehmut auf, denn wir nähern uns für dieses Jahr unserem Ziel. Unsere Gruppe ist in den wenigen Tagen richtig gut zusammengewachsen, es macht riesig Spaß. Doch ich spüre jetzt, dass unsere Auszeit bald vorüber sein wird, wir in unser „normales“ Leben zurückkehren werden. Dieses Phänomen hört man immer wieder von Jakobspilgern, die kurz vor ihrem Ziel Santiago sind. Sie stellen sich die Frage nach dem „danach“. Wie wird es weitergehen, das Ende ist jetzt erreicht. Nun heißt es, sich neue zu setzen, Erfahrungen und Erlebnisse in sein Leben zu integrieren und zu nutzen. Wir laufen über die Lahnhöhen am Lahnsteiner Kurgebiet vorbei, durch Wald, Wiesen und Feld. Jetzt begegnen uns auch einmal andere Wanderer oder vielleicht Pilger, man erkennt es nicht im Vorbeigehen. Auf der anderen Lahnseite sehen wir die Allerheiligenkapelle, während vor uns die Spitzen der Burg Lahneck über den Baumwipfeln sichtbar werden. Hinter der Burg geht es dann letztmalig abwärts direkt in die Stadt hinein. Nur einige Ecken weiter erreichen wir an der Hospitalkapelle nach fast achtzig Kilometern unser Ziel. Hier feiern wir gemeinsam einen Gottesdienst und reflektieren noch einmal die vergangenen Tage. Bevor wir dann auseinandergehen, genehmigen wir uns in einem Eis-Café eine mehr oder weniger große Belohnung. Es waren wiederum ein paar schöne Tage, wir sind trocken, gesund und ohne schwere Blessuren zu Hause angekommen. Wir hatten mit der Geschichte des „anderen“ Jakob einen schönen roten Faden für die Pilgerauszeit, wir führten interessante Gespräche über (im wahrsten Sinne der Worte) Gott und die Welt, wir beteten und sangen und hatten Spaß. Wir freuen uns auf das kommende Jahr, wenn wir vielleicht wieder gemeinsam unterwegs sein werden…
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