Via Regia 2013
Datum | Strecke | Länge | Gesamtlänge | |
11. | 22.02.2013 | Leipzig - Kleinliebenau | 17 km | 17 km |
12. | 23.02.2013 | Kleinliebenau - Mücheln | 38 km | 55 km |
13. | 24.02.2013 | Mücheln - Naumburg | 27 km | 82 km |
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Von Leipzig nach Kleinliebenau (22. Februar 2013) Wieder einmal hat mich mein Dienstherr zu einem Lehrgang geschickt. Dieses Mal durfte ich für zwei Wochen nach Delitzsch, etwa dreißig Kilometer nördlich von Leipzig gelegen. Voller Freude stellte ich bei der Vorbereitung der Reise fest, dass der Ökumenische Pilgerweg mitten durch Leipzig verläuft. Ich besorgte mir im Vorfeld den Pilgerführer und einen Pilgerausweis, da ich das Wochenende nicht nach Hause fahren wollte, um ein Stück auf dem Pilgerweg zu gehen. Vor der Abreise nach Delitzsch musste gut überlegt werden, welche Ausrüstung notwendig war. Leider habe ich nicht die Wettervorhersage beachtet, sodass ich mir noch eine etwas wärmere Jacke kaufen musste. In Delitzsch war nämlich im Verlauf der ersten Woche der Winter eingebrochen, es war kalt und weiß. Um 11.00 Uhr habe ich die Möglichkeit, mit einem Kameraden zum Bahnhof mitgenommen zu werden, anschließend geht es mit dem Zug nach Leipzig. Unmittelbar vor dem Bahnhof treffe ich bereits auf die ersten Markierungen des Ökumenischen Pilgerweges, einer gelben Muschel auf blauem Grund mit gekreuzten Pilgerstäben. Meine erste Anlaufstelle ist die Stadt- und Pfarrkirche St. Nikolai, wo 1989 deutsche Geschichte geschrieben wurde. Ich habe Glück, denn in wenigen Minuten beginnt hier um 12.00 Uhr das Versöhnungsgebet der Kathedrale von Coventry, an dem ich zu Beginn meiner Pilgertage gerne teilnehme. Anschließend bekomme ich am Schriftenstand meinen ersten Stempel für den Pilgerausweis. Auf meinem Weg aus der Innenstadt besorge ich mir noch in einem Kaufhaus ein Multifunktionstuch, das ich mir um den Hals wickel, und zwei Bratwürste gegen den Hunger. Ich passiere das alte Rathaus und die Wirkungsstätte von Johann Sebastian Bach, die Thomaskirche. Über die „Jacobstraße“ gelange ich in die „Emil-Fuchs-Straße“, wo ich im katholischen Probsteipfarramt St. Trinitatis einen weiteren Stempel bekomme. Nach der Besichtigung der modernen Kirche aus dem Jahr 1980 (ein Neubau ist in der Innenstadt geplant) laufe ich durch eine parkähnliche Anlage, dem Rosental, und befinde mich bereits im äußeren Gürtel von Leipzig. Ich muss aufpassen, wo ich hintrete, denn es liegt eine dicke Schneeschicht auf dem Boden, der hin und wieder mit einer nicht sichtbaren Eisschicht versehen ist. Als ich an eine Straße komme, fällt es mir trotz Karte schwer, mich zu orientieren. Anscheinend sieht das Ganze sehr hilflos aus, da mich ein junger Mann anspricht und fragt, ob er weiterhelfen könne. Er bringt mich wieder auf den markierten Weg und erzählt, dass er früher auch Soldat war, aus Bielefeld stammt und nun in Leipzig lebt. An einer Kreuzung weist er mir die Richtung und ich erkenne nach wenigen Schritten die nächste Wegmarkierung. Hinter einem zugefrorenen Teich verlasse ich das Rosental und biege nach einer Kläranlage links ab. Es geht nun parallel an einer ICE-Trasse weiter, und wieder verpasse ich einen Abzweig. Nach dem Studium der Karte finde ich einen Waldpfad, der mich auf den Pilgerweg zurückbringt. Der Pfad entpuppt sich als Reitweg, dementsprechend ist der Untergrund beschaffen: tiefer Schnee und darunter oftmals Schlammlöcher. Am Ende treffe ich auf eine Brücke über die Lippe, der ich jetzt ein gutes Stück folgen werde. Zunächst laufe ich auf der Kuppe des Hochwasserschutzdammes. Dort weht mir aber ein starker Wind um die Ohren, sodass ich lieber den geschützt liegenden Weg links vom Damm wähle. Hier liegt allerdings jungfräulicher, knöcheltiefer Schnee. Das Gehen kostet sehr viel Energie und ich komme nur langsam voran. Gegen 16.00 Uhr durchbricht die Sonne den grauen Horizont. Das motiviert mich für die letzten Kilometer. Ich biege ab in ein kleines Waldstück, passiere die die "Domholzschänke" und bewege mich auf einer mit Eisplatten versehenen Straße. Das erfordert meine ganze Aufmerksamkeit, denn bei jedem nächsten Schritt besteht die Gefahr, auszurutschen. Das letzte Stück für heute geht an einer Landstraße entlang. Glücklicherweise kommen mir nur wenige Fahrzeuge entgegen, denn zum Ausweichen bleibt nur ein mit Schneematsch bestückter Straßengraben. Endlich erreiche ich mein heutiges Tagesziel Kleinliebenau, ein fast vergessenes Nest mit 120 Einwohnern. Dafür gibt es mit der vom Kultur- und Pilgerverein liebevoll sanierten Rittergutskirche aus dem beginnenden 14. Jahrhundert eine kleine Pilgerherberge für vier Personen. Am Aushang finde ich die Adresse von Familie Adaschkiewitz, die heute den Pilgern die Herberge aufschließt. Herr Adaschkiewitz zeigt mir die Herberge und auch die Kirche. Erst gestern wurde die neue Orgel durch den Verein abgenommen. Und vorgestern hat hier ein Pilger aus Mainz übernachtet. Die Herberge befindet sich in einem eigens für diesen Zweck im Rahmen der Kirchensanierung angebauten Gebäude. Im Untergeschoss sind die sanitären Anlagen einschließlich Dusche, eine kleine Küchenzeile und eine Sitzecke. Über eine Holztreppe gelangt man in den oberen Stock, wo auf einem Holzboden Platz für vier Matratzen ist, die in einem Gestell gelagert werden. Leider verfügt der Anbau nur über eine kleine Heizung, die im Winter nicht für eine ausreichende Raumtemperatur, vor allem oben, sorgen kann. Dafür werden in einem Behälter Decken bereitgestellt, von denen ich regen Gebrauch machen werde. Ich mache mich frisch, platziere den Pilgerstempel in meinen Pilgerausweis und stelle meine klatschnassen Schuhe zum Trocknen in die Nähe der Heizung. Im nahe gelegenen Gasthaus esse ich ein groß ausgefallenes Schweineschnitzel „Mephisto“ (mit süßem Senf bestrichen, darauf Preiselbeeren und mit Edamer überbacken auf Tagliatelle geschwenkt in Tomaten-Pesto). Ein so leckeres Schnitzel habe ich bisher noch nie gegessen. Ich muss mir das Rezept besorgen, es soll im Internet erhältlich sein. Da heute Schnitzeltag ist, bezahle ich nur 6,66 Euro, ein wahrlich diabolischer Preis. Nach dem Essen kehre ich in die Herberge zurück, wo ich mich noch in das Gästebuch eintrage. Um 20.30 Uhr habe ich meine Ausrüstung für morgen vorbereitet und lege mich in meinen Schlafsack. Die drei Decken, die ich darüber lege, gewähren eine angenehme, vor allem warme Nachtruhe.
Von Kleinliebenau nach Mücheln (23. Februar 2013) Den Wecker habe ich auf 7.00 Uhr gestellt. Ich habe auf der Matratze in meinem Schlafsack und den drei Decken gut geschlafen. Draußen sieht es trüb aus, es wird wohl wieder einmal ein grauer Tag werden. Ich mache mich frisch, verpacke meine Ausrüstung in den Rucksack und mache mir eine Chai Latte. Meine Spende für die Übernachtung hinterlasse ich in einer Jakobsmuschel. Kurz vor 8.00 Uhr verlasse ich die Pilgerherberge und werfe den Schlüssel, wie vereinbart, in den Briefkasten. Direkt gegenüber der Kirche befindet sich der erste Wegweiser für den heutigen Tag, dem ich natürlich folge. So gelange ich wieder an den Luppedeich. Die Karte und mein Führer sagen eigentlich etwas anderes, aber ich folge den Zeichen. Kurz vor der Ortschaft Maßlau überschreite ich die Landesgrenze von Sachsen nach Sachsen-Anhalt. Nachdem ich durch die noch menschenleeren Straßen gelaufen bin, erreiche ich ein Waldstück. Hier sehe ich vorerst den letzten Muschelwegweiser. An der nächsten größeren Kreuzung folge ich einer inneren Eingebung und begleite die hier stark mäandrierte Luppe. Etwas später verlasse ich das Flüsschen und wandele auf einem schmalen Pfad. Zur Orientierung nutze ich die Fußspuren eines Läufers, der anscheinend kurz vor mir als Einziger die bis dahin unberührte Schneeoberfläche zerstört hat. Durch ein blätterloses Gesträuch sehe ich vor mir ein feudales Gebäude, das sich nach einem Blick auf die Karte als Schloss Dölkau herausstellt. Ich umlaufe den Schlossteich und lande schließlich in der Ortschaft Dölkau. Mitten im Ort finde ich auch wieder einen Wegweiser und passiere ortsauswärts das Schloss an der Front. Die nächsten Kilometer führen mich zunächst an einen Waldrand, anschließend durch Ackerland bis zum Raßnitzer See. Dieser hat eine Fläche von rund drei Quadratkilometern und ist ein gefluteter Braunkohletagebau. Hinter dem See durchquere ich Luppenau, wo nun einige Bewohner mit dem Beseitigen des über Nacht gefallenen Schnees beschäftigt sind. Bald erreiche ich die „Leipziger Straße“. Zehn Minuten später habe ich das Ortseingangsschild von Merseburg vor mir. Ich nutze die Gelegenheit, in einem Supermarkt meine Vorräte ein wenig aufzufüllen. Über die „Naumburger Straße“ komme ich an die Neumarktkirche, die aber leider verschlossen ist. Hier gibt es auch eine Pilgerherberge. Also gehe ich über die Saalebrücke und erklimme über eine langgezogene Treppe den höchsten Punkt der Stadt. Dort befindet sich das Schloss und der Dom. Im Dom erhalte ich als Pilger freien Eintritt. Beim Eintragen in eine Liste entdecke ich direkt über meinem den Eintrag des Pilgers aus Mainz, der vor zwei Tagen hier war. Ich lasse mir Zeit mit Besichtigung, schaue mir alles sehr genau an. Beim Verlassen des Domes entzünde ich noch zwei Kerzen und spreche ein kurzes Gebet. Gegen 12.20 Uhr mache ich mich auf den Weg, denn es liegt noch eine gute Strecke vor mir. Es beginnt jetzt heftig zu schneien, sodass ich meinen Rucksack mit dem Regenschutz versehe. Wegen Bauarbeiten ist der markierte Weg aktuell nicht besonders gut erkennbar und ich muss mich mehr an der Karte orientieren als an Wegezeichen. Am Eingang zum Südpark bin ich wieder richtig. Der Park besteht aus zahlreichen Gehegen für Kleintiere und ist für jedermann zu jeder Zeit zugänglich. Die Höhe des Schnees auf dem Boden nimmt allmählich zu und meine Schuhe werden dunkler. Hoffentlich bekomme ich keine nassen Füße. Am Ende des Parks gehe ich am Gelände der Fachhochschule Merseburg vorbei, danach biege ich in einen schmalen Pfad und laufe durch eine Naturlandschaft. Meine Füße versinken bei jedem Schritt bis über die Knöchel im Schnee. Ich bin froh, dass ich bald auf eine asphaltierte Straße gelange, auf der ich die nächsten drei Kilometer schnurgeradeaus bleibe. Zuweilen ist es sehr glatt und durch den Wind gibt es alle paar Meter unterschiedlich tiefe Schneeverwehungen. In Frankleben verlasse ich die Hauptroute des Ökumenischen Pilgerwegs und wähle eine Variante, die mich am Geiseltalsee entlang bis nach Mücheln bringen wird. Auch dieser See ist ein gefluteter Tagebau und mit rund neunzehn Quadratkilometern einer der größten künstlich angelegten Seen in Deutschland. Gegen 16.50 Uhr treffe ich in Mücheln ein. Der Weg am See zieht sich sehr in die Länge und ist durch den tiefen Schnee sehr kräftezehrend. Ständig weht mir der Schnee ins Gesicht. Zum Schutz habe ich mir die Kapuze meiner Jacke über den Kopf gezogen. An einer Mauer entdecke ich das Stadtwappen von Mücheln, das Jakobus mit Muschel und Pilgerstab zeigt. Die Pilgerherberge befindet sich im Kinder- und Jugend-Erlebnishaus der Evangelischen Kirche (KEEK´s), das unmittelbar neben der St. Jakobi-Kirche angesiedelt ist. Ich rufe die für Pilger zuständige Frau Müller an, die sich trotz heftigstem Schneefall von ihrer Nichte zur Herberge fahren lässt und eine halbe Stunde später eintrifft. Ich bin froh, dass sie mir trotz der widrigen Witterungsbedingungen Zugang zur Herberge verschaffen kann. Sie zeigt mir das Haus und gibt mir zu verstehen, dass ich mich frei entfalten könne. Wir unterhalten uns noch ein wenig, bis sie abgeholt wird. Dabei erzählt sie mir, dass erst gestern ein Fernsehteam einen Beitrag für einen Bericht über Pilger in Sachsen-Anhalt gedreht hat. Den werde ich mir natürlich ansehen, wenn er gesendet wird. Natürlich hat auch der Pilger aus Mainz hier im Haus übernachtet. Ich übergebe ihr noch meine Spende für die Übernachtung und wir verabschieden uns voneinander. Der Schlafraum befindet sich unter dem Dach. Ich bereite mir mein Nachtlager mit ein paar Matratzen und dem Schlafsack. Die Heizungen laufen auf Hochtouren und ich kann meine feuchten Kleidungsstücke und meine wieder einmal nassen Schuhe trocknen. Nach einer wohltuenden Dusche bereite ich mir in der Küche ein Fertiggericht zu, Gulasch mit Nudeln, und verzehre noch ein Brötchen mit Wurst. Im Flur hängt an der Wand eine riesige Deutschlandkarte, auf der Pilger ein Fähnchen ihres Wohnortes platzieren können. Kurz darauf steckt das erste Fähnchen auch in Koblenz. Neben der Tafel gibt es noch einige Informationen, unter anderem auch über das Projekt „Wegemarkierung und Artenschutz“ von Karl-Heinz Jung aus dem Koblenzer Stadtteil Lay. Ich trage mich noch in ein Gästebuch ein, drehe die Heizungen deutlich runter und lege mich gegen 21.00 Uhr in meinen Schlafsack.
Von Mücheln nach Naumburg (24. Februar 2013) Auch heute verlasse ich um 7.00 Uhr meinen Schlafsack und mache mich ein wenig frisch. In der Küche im Erdgeschoss bereite ich mir einen Chai Latte zu. Von gestern habe ich noch ein Brötchen übrig, das ich mir mit Quittengelee bestreiche. Frau Müller hat mir am vergangenen Tag erlaubt, mich ruhig aus dem Kühlschrank zu bedienen. Ich lasse mir viel Zeit und verpacke nach dem Zähneputzen meine im Zimmer verstreute Ausrüstung in den Rucksack. Ein erster Blick aus dem Fenster verspricht wiederum einen verschneiten Tag, allerdings kommt da eher ein Schnee-Eis-Regen-Mix vom Himmel gefallen. Gegen 8.00 Uhr verlasse ich schließlich das KEEK´s zu meinem letzten Teilstück an diesem Wochenende.
Irgendwie habe ich heute Morgen Schwierigkeiten, den richtigen Weg aufzuspüren. Trotz intensivem Blick auf die Karte irre ich eine Weile durch Mücheln, bis ich über eine Querstraße die gesuchte „Gröster Straße“ finde. Ab hier gehe ich jetzt neben dem Ökumenischen Pilgerweg auch auf dem Jakobsweg Sachsen-Anhalt, der mit einer etwas anderen Muschel markiert ist. Es geht zunächst auf einer Straße ortsauswärts. Als die Straße nacht rechts abzweigt, folge ich einem Radweg, der geradeaus führt. Hier stapfe ich oftmals durch Verwehungen mit meist knöcheltiefem Schnee. An der nächsten Kreuzung soll ich eigentlich weiter in der eingeschlagenen Richtung bleiben, jedoch versinke ich hier bis zum Knie im Schnee. Das möchte ich mir nicht antun und wähle einen Umweg, der jedoch über den Radweg führt und sicherlich einfacher zu bewältigen ist. Kurz vor Gröst passiere ich die ersten Weinfelder und rutsche prompt auf dem glatten Untergrund aus. Zum Glück kann ich mich abfangen, sodass meine Ausrüstung und vor allem ich unversehrt bleiben. Nun laufe ich die nächsten knapp drei Kilometer auf der heute sehr wenig befahrenen K 2165 von Gröst bis nach Branderoda. Mitten im Ort werde ich zurückgeschickt, da mit vor lauter Schnee keine Wegzeichen aufgefallen sind. Ein Einwohner warnt mich vor dem tiefen Schnee, er habe erst gestern versucht, dort spazieren zu gehen. Das hilft mir aber nicht weiter, es gibt keine Alternative ohne einen nochmaligen Umweg. In einer Kurve vor Branderoda geht es einen Anstieg hinauf. Nach den ersten Schritten muss ich das Tempo deutlich reduzieren, da der Schnee tatsächlich sehr tief ist. Ich stake in der weißen Masse herum wie ein Storch, muss dabei die Füße richtig hochnehmen und beim nächsten Schritt aufpassen, dass ich nicht urplötzlich noch tiefer versinke. Die kommenden fünf Kilometer werden sicherlich sehr lustig werden. Für ein kurzes Stück habe ich das Vergnügen, in der Fahrspur eines Autos zu laufen. Ansonsten weiche ich auf den anliegenden Rand eines Ackers aus, wo an der Kante deutlich weniger Schnee liegt. Zuweilen folge ich auch Tierspuren, die vornehmlich in flacheren Bereichen abgebildet sind. Allmählich wird der Niederschlag weniger und etwas mehr Licht durchstößt die Wolkendecke. Hinter Zeuchfeld geht es wieder einmal leicht aufwärts. Markierungen sind keine erkennbar, dafür habe ich erneut das Vergnügen, vor mir nur „Tiefschneewege“ zu haben. Endlich stoße ich auf eine Jakobsmuschel, im Nebel erkenne ich links von mir gerade noch so einige Windräder. Damit kann ich meine derzeitige Position bestimmen und den Weg richtig fortsetzen. Jedoch ist dieser wegen der Schneedecke gar nicht erkennbar und so laufe ich einfach der Nase nach auf einen Wald zu, die meiste Zeit wohl über einen Acker. Am Waldrand finde ich dann doch noch einen Wegweiser mit beiden Muschelsymbolen. Leider ist den angezeigten Weg seit dem Beginn des Schneetreibens vor ein paar Tagen niemand mehr gegangen, sodass ich schon wieder tief einsinke. An der nächsten Kreuzung habe ich endlich die Möglichkeit, mich in einer ausgefahrenen Spur fortzubewegen. Doch schon bald befinde ich mich auf dem gewohnten Untergrund und sehe meine Schuhe sehr selten. Hinter einer Brücke mache ich in einer Schutzhütte eine kurze Trinkpause, um dann das „Burgholz“ zu durchqueren. Umgestürzte Bäume versperren mir den Weg und verwehren mir so das Weiterkommen. Ich entscheide mich, an der anderen Seite des Waldes entlangzulaufen. Nach einiger Zeit erreiche ich einen Querweg, von dem mich ein Hundebesitzer entgeistert anstarrt. Er weist mir die Richtung zum Schloss Neuenburg, wo ich bald ankomme. Vom Schloss führen zahlreiche rutschige Treppenstufen hinunter nach Freyburg. Dort gehe ich zunächst zur St. Marien-Kirche, die aber leider verschlossen ist. Da die Feuchtigkeit allmählich in meine Schuhe eindringt, habe ich beschlossen von Freyburg nach Naumburg mit der Bahn zu fahren. Am Haltepunkt stelle ich fest, dass der Zug erst in einer guten Stunde abfährt. So lange möchte ich nicht warten und setze mich wieder in Bewegung. Am Rande einer Landstraße und auf einem Radweg marschiere ich nach Großjena. Hinter der Ortschaft bewundere ich das barocke Felsrelief „Steinernes Bilderbuch“ aus dem frühen 18. Jahrhundert. Es zeigt Szenen aus dem Alten Testament wie die Arbeit im Weinberg oder den Weingenuss und dessen Folgen sowie Huldigungen an den amtierenden Herzog. Schließlich erreiche ich die Unstrut und erkenne an deren anderem Ufer die nächste Muschelmarkierung. Normalerweise kommt man mit einer Fähre auf die gegenüberliegende Seite, nur nicht in den Monaten Januar und Februar. Das steht leider in keinem Führer drin. Jetzt habe ich wirklich keine Lust mehr auf einen weiteren Umweg und rufe mir den „Blütengrund-Express“ über eine Telefonnummer auf einem Schild, um nach Naumburg gefahren zu werden. Aus dem angeschlagenen Fixpreis wird dann allerdings ein etwas höherer Taxipreis. Am Hauptbahnhof Naumburg erkundige ich mich nach Fahrtmöglichkeiten zurück nach Delitzsch. Dann spaziere ich durch die Stadt in Richtung Dom, bei dem ich fünfzehn Minuten vor Schließung ankomme. Ich darf noch rein und brauche nach Vorlage des Pilgerausweises keinen Eintritt zu bezahlen. Das Innere des Domes überrascht mich wirklich, denn sowohl der Ost- als auch der Westchor sind vom Haupthaus abgetrennt und mit jeweils einem Altar versehen. Schade, dass ich nicht mehr Zeit für die Besichtigung habe. Bevor ich den Dom verlasse, entzünde ich noch zwei Kerzen und spreche ein kurzes Gebet. Ich muss mich nun beeilen, damit ich meinen Zug erwische. In einer Bäckerei im Bahnhof kaufe ich mir etwas zu essen und zu trinken. Kaum fünf Minuten später sitze ich im Zug nach Halle, wo ich in einen anderen Zug nach Leipzig umsteigen muss. Dort habe ich schon bald Anschluss nach Delitzsch, wo ich um 19.30 Uhr ankomme. Zehn Minuten später trifft mein Kamerad, der mich bereits am Freitag mitgenommen hat, mit dem Zug ein und fährt mich zurück in die Kaserne.
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