Jakobsweg Rheinhessen 2010
Datum | Strecke | Länge | Gesamtlänge | |
1. | 02.05.2010 | Bingen - Appenheim | 16 km | 16 km |
2. | 20.10.2010 | Appenheim - Wörrstadt | 20 km | 36 km |
3. | 21.10.2010 | Wörrstadt - Dittelsheim-Heßloch | 24 km | 60 km |
4. | 22.10.2010 | Dittelsheim-Heßloch - Worms | 23 km | 83 km |
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Von Bingen nach Appenheim (2. Mai 2010) Das Wetter sollte nicht besonders gut werden, vereinzelt Schauer mit Gewitter ist angekündigt. Trotzdem haben wir geplant, mit der ganzen Familie anlässlich des Pilgerfestes am Jakobsweg Rheinhessen ab Bingen eine kurze Etappe gemeinsam zu pilgern. So machen wir uns auch erst gegen zehn Uhr auf den Weg, es sind rund fünfundsiebzig Kilometer bis Bingen, zum Glück fast nur Autobahn. Eine gute dreiviertel Stunde später parken wir unser Auto auf einem großen Parkplatz an der Nahe. Von dort sind es nur wenige hundert Meter bis zur Tourist-Info. Dort besorge ich für uns drei jeweils einen Pilgerausweis, den ersten Stempel erhalten wir sofort. Leider ist der Pilgerausweis auf glänzendes Papier gedruckt und die Stempel verschmieren oder hinterlassen auf der gegenüberliegenden Seite einen spiegelverkehrten Abdruck. Bei den nächsten Stempelstellen werde ich zum Schutz ein Stück Papier dazwischen legen müssen. Um den Wegverlauf bereits im Vorfeld kennen zu lernen, habe ich mir vor einiger Zeit den Pilgerführer von Dr. Christiane Halfmann besorgt. Wir laufen durch die Binger Innenstadt, dann hinauf zur Burg Klopp, in der sich heute die Stadtverwaltung befindet. Ursprünglich wurde die Burg wohl im 13. Jahrhundert erbaut, im Dreißigjährigen Krieg zerstört und im 17. Jahrhundert innerhalb weniger Jahrzehnte neu errichtet, um im Pfälzischen Erbfolgekrieg wiederum zerstört zu werden. Im Rahmen der Rheinromantik im 19. Jahrhundert erhielt die Burg ihre heutige Gestalt. Am Portal des Turmes befindet sich ein Kästchen mit einem weiteren Stempel, es ist aber der gleiche, wie wir ihn bereits in der Tourist-Info bekommen haben. Wir genießen ein paar Augenblicke die herrliche Aussicht auf die Stadt, den Rhein mit dem Mäuseturm und auch das Niederwald-Denkmal auf der anderen Flussseite. Es ist ein wenig grau und trüb, die Temperaturen sind angenehm. Wir verlassen die Burg durch das Burgtor und biegen nach links in die „Maria-Hilf-Straße“ ein. An der nächsten Kreuzung geht es nach rechts in die Rochusallee. Dort passieren wir zunächst die Fachhochschule und kurz darauf den alten Friedhof aus dem 19. Jahrhundert mit seinen interessanten Grabsteinen. Die Allee führt uns nun allmählich in höhere Regionen, vorbei an zahlreichen Bildstöcken mit Heiligenfiguren, unter anderem auch eine von Jakobus dem Älteren. Ein paar wenige Schritte weiter haben wir noch einmal einen großartigen Blick auf das Niederwald-Denkmal und Rüdesheim. Eine kleine Kapelle liegt direkt an der Straße, die uns schließlich zum Mutterhaus der Kreuzschwestern auf dem Rochusberg führt. Wir biegen nach links ab in den Kastanienweg und gelangen zum Hildegard-Forum. Hier bekomme ich für unsere Pilgerausweise einen weiteren Stempel, der jedoch identisch mit den beiden Stempeln aus Bingen ist. Am Ende des Weges befindet sich die Rochuskapelle, der wir natürlich auch einen Besuch abstatten. Nach einer kurzen Mittagsrast machen wir uns auf den weiteren Weg entlang an Weinbergen, die von blühendem Löwenzahn durchsetzt sind. Nach einem Weintor geht es zunächst ein längeres Stück über den Rochusweg abwärts, auf dem uns einige angestrengt aussehende Läufer begegnen. Hier haben wir auch noch einmal eine schöne Aussicht auf die Kapelle. Der bisher zumeist asphaltierte Weg überquert die Bundesstraße 9, die Autobahn 60 sowie eine Bahntrasse und wird zu einem Feldweg. Wir werden ständig von kleinen Gruppen von Fahrradfahrern überholt und erreichen kurz darauf den Ortseingang von Ockenheim. Dort werden wir mittels eines Hinweisschildes über den Jakobsweg Rheinhessen und die örtlichen Gegebenheiten wie zum Beispiel den Stempelstellen informiert. Über die „Gaulsheimer Straße“ gehen wir zum Zentrum und zur katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul aus dem 18. Jahrhundert. Dort hätten wir jetzt den Pilgerstempel erwartet, finden aber keinen. Also heißt es ein paar Meter zurückgehen zum Hotel Restaurant Ockenheim, wo wir ihn schließlich erhalten. Über die „Bahnhofstraße“ und die „Mainzer Straße“ folgen wir den Muschelwegweisern, die uns nun wieder aufwärts zum Kloster Jakobsberg führen. Bereits nach einigen Höhenmetern beginnt es fürchterlich zu regnen, wir ziehen uns, sofern verfügbar, Regenkleidung an und erklimmen weiter den Berg. Inzwischen zieht ein Gewitter immer näher in unsere Richtung, sodass wir uns beeilen, schnell den Jakobsberg zu erreichen. Wir nutzen die Abkürzung über die Treppenstufen und erreichen dahinter direkt die Kapelle zu Ehren der vierzehn Nothelfer aus dem 19. Jahrhundert. Ich gehe nur kurz in die Kapelle, um sie mir anzuschauen, doch beginnen dort bereits die Vorbereitungen zu einer Taufe. Unweit der Kapelle befindet sich eine Überdachung, unter der ein steinerner Altar steht, vermutlich für Gottesdienste im Freien. Hier stellen wir uns unter und legen anbetracht des Regens eine kleine Brotzeit ein. Kurze Zeit später gesellt sich eine weitere Gruppe dazu. An der Klosterpforte erhalte ich für unsere Pilgerausweise einen weiteren Stempel. Endlich hört es auf zu regnen, das Gewitter ist auch vorbeigezogen, wir können weitergehen. Unser nächstes Ziel ist der Weiler Laurenziberg. Schon von weitem sieht man die dortige Kapelle, umgeben von blühenden Kirschbäumen und gelben Rapsfeldern. Im Rahmen des Pilgerfestes werden am Nachmittag Führungen durch die Kapelle angeboten. Im Feuerwehrgerätehaus, eher eine etwas größere Garage, wird für die Pilger Kaffee und Kuchen angeboten. Hier stärken wir uns und bekommen obendrein noch einen Pilgerstempel. Ich fülle noch einen Fragebogen eines Studenten der Mainzer Universität zum Thema „Jakobsweg Rheinhessen“ aus. Die kurze Pause tut uns gut und wir laufen weiter durch Felder und Wiesen, vorbei an Pferden, Rindern und Schafen. Es riecht ein wenig streng, ungewohnt für uns Stadtmenschen, aber irgendwie doch nach Natur. Wir folgen einem langgezogenen Feldweg bis zur Landesstraße 415. Dort entdecken wir Felder mit grünem und weißem Spargel und ich male mir schon aus, was ich in den nächsten Tagen unbedingt auf einem Teller vor mir haben möchte. Wir kreuzen die Straße und wenden uns anscheinend von dem vor uns liegenden Appenheim ab, werden dann aber bald wieder nach rechts auf den Ort zu geleitet. Nun sind es nur noch ein paar Schritte bis zu unserem heutigen Tagesziel. In einer am Wegesrand liegenden ehemaligen Mühle, die zu einer Weinstube umfunktioniert wurde, bekommen wir unseren letzten Stempel für heute. Zwei Ecken weiter finden wir die Bushaltestelle, von der wir zurück nach Bingen fahren wollen. Am Sonntagnachmittag verkehren nur zwei Busse im Abstand von zwei Stunden, den ersten werden wir mit Leichtigkeit bekommen, wir müssen sogar noch eine gute halbe Stunde warten. Von der gegenüberliegenden Straßenseite machen wir noch ein gemeinsames Photo mit Selbstauslöser, das dann im fünften Versuch endlich so gelingt, wie wir uns das vorgestellt haben. Der Bus kommt pünktlich und bringt uns nach Gau-Algesheim. Dort überqueren wir zwei Straßen und befinden uns schon am Bahnhof. Kurz darauf sitzen wir im Zug und verlassen diesen erst am Stadtbahnhof von Bingen. Da am Himmel immer mehr dunkle Wolken aufziehen, beeilen wir uns, zum Parkplatz zu gehen. Für ein leckeres Eis bleibt aber noch Zeit. Die letzten Meter bis zum Auto schaffen wir allerdings nicht mehr ganz trocken. Über uns ergießt sich ein starker Regen. Egal, es war ein schöner Tag, der Lust auf mehr in dieser Region gemacht hat, der Jakobsweg Rheinhessen hat noch einige Etappen zu bieten.
Von Appenheim nach Wörrstadt (20. Oktober 2010) Gegen fünf Uhr wache ich auf, kurz darauf auch meine Frau Susanne. Es plätschert laut gegen das Schlafzimmerfenster. Wir wollen heute mit unserem Sohn Christian für drei Tage auf dem Jakobsweg Rheinhessen pilgern. Richtig gutes Wetter ist nicht angekündigt und so machen wir uns schon mal Gedanken für eine Alternative. Bis wir dann aber um 7.30 Uhr unser Gepäck im Auto verstaut haben und von zu Hause losfahren, nieselt es nur noch. Wir erreichen problemlos unseren Startort Bingen und stellen in der Nähe des Bahnhofs unser Auto ab. Der Parkplatz kostet uns für den ganzen Tag nur drei Euro. Um 8.58 Uhr fährt unser Zug, der uns bis nach Gau-Algesheim bringt. Dort müssen wir eine halbe Stunde warten, bis der Bus nach Appenheim an der Haltestelle auftaucht. In Appenheim haben wir am 2. Mai dieses Jahres unser erstes Teilstück in Rheinhessen anlässlich des Pilgerfestes absolviert. Und hier steigen wir heute wieder ein. Zunächst laufen wir über einen Wiesenweg, an dessen Ende uns ein Wegweiser nach links führt. Wir folgen einem betonierten Wirtschaftsweg durch die Weinberge, es geht allmählich bergauf. Wenn wir uns umdrehen, haben wir einen schönen Blick auf Appenheim. Am Horizont erkennen wir das Rheintal mit den Rüdesheimer Weinlagen, die von der Sonne angestrahlt werden. Über uns zieht sich eine dunkle Wolkendecke zusammen und vereinzelte Regentropfen fallen herab. Jedoch wird vor uns das triste Grau von einen schwachen Regenbogen durchbrochen. Wir haben nun den Anstieg hinter uns und erkennen, dass wir einen großen Bogen laufen. Der Weg zieht sich weiter über Betonplatten zwischen den Reben hindurch. Nur wenige rote und weiße Trauben hängen noch an den Rebstöcken. Die werden wohl für die noch zu erwartenden besonderen Lesen aufgehoben. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Abzweig in ein Waldstück verpassen, es soll zudem das einzige auf dem Jakobsweg Rheinhessen sein. Zur Abwechslung laufen wir hier auf unzähligen bunten Blättern, die dem Herbst zum Opfer gefallen sind und sich von ihren Bäumen trennen mussten. Auf diesem Abschnitt besteht die Möglichkeit, an verschiedenen Stationen zu verweilen und in sich zu gehen. An einigen Bäumen sind laminierte Bilder mit jeweils einem Spruch zum Nachdenken befestigt. Am Ende des Waldes erreichen wir die Sportanlage von Ober-Hilbersheim und durchqueren den Ort. Vor der katholischen Pfarrkirche St. Josef hängt eine Box, in der sich der Pilgerstempel befindet. Leider ist die Kirche selbst nicht geöffnet und wir gehen weiter. Auch die evangelische Kirche ist verschlossen. Am dahinter liegenden Gemeindehaus machen wir unsere Mittagsrast. Christian sammelt eifrig Walnüsse, die wir in einer Frischhaltedose verstauen. Die Kirchturmuhr schlägt in dem Moment zum zwölften Mal, als wir uns wieder in Bewegung setzen. Wir laufen ein kurzes Stück an der Landesstraße 415 entlang und biegen hinter einer Scheune auf einen betonierten Feldweg. Der zieht sich schnurgerade cirka einen Kilometer durch Rübenfelder hindurch. Teilweise sind die Felder schon abgeerntet und die Rüben türmen sich mannshoch. Der Weg selbst ist durch Erntefahrzeuge ziemlich matschig geworden. Das Gewicht unserer Schuhe nimmt von Schritt zu Schritt zu. Wir kreuzen die Kreisstraße 15 und haben erneut ein ähnliches Stück Weg vor uns wie gerade zuvor. Kurz vor Wolfsheim beginnt es wieder zu tröpfeln. Schnell den Regenschirm aufgespannt, denn am Ortseingang hängt ein unscheinbarer weißer Briefkasten, der den nächsten Pilgerstempel beinhaltet. Nachdem alle Pilgerpässe im Trockenen gestempelt sind, gehen wir weiter. Der stärker werdende Regen kommt von hinten und durchnässt unsere Hosen bis auf die Haut. Zum Glück hört es bald auf und es dauert auch nicht lange, dann sind die Hosen trotz einer Außentemperatur von nur cirka sechs Grad wieder trocken. Nun bewegen wir uns unterhalb des SWR-Sendemastes erneut zwischen Weinlagen und erreichen kurz darauf das Örtchen Vendersheim. Vor der verschlossenen evangelischen Kirche hängt wieder ein Briefkasten, und dieses Mal ist es auch einer. Ein freundlicher Autofahrer weist uns auf die Stempelstelle an der katholischen St. Martins-Kirche hin, die nur fünfzig Meter weiter in der gleichen die Straße liegt. An einem Zaun hängt ein blauer Kasten, darin der Stempel. Nach zwei Straßenecken verlassen wir schon wieder Vendersheim und befinden uns mitten im Weinberg. Wir laufen an einer Kläranlage vorbei und am Wegesrand sind die Reste der gepressten Trauben abgelegt. Diese versprühen einen betörenden Geruch, die Gärung hat eingesetzt. Nun haben wir einen längeren Anstieg vor uns, der aber bald überwunden ist. Jetzt überrascht uns sogar die Sonne ein wenig, alles sieht mit ihr doch wesentlich freundlicher aus als ohne. Von unseren Standort können wir bereits Sulzheim erkennen, den nächsten Ort. An dem langgezogenen Abstieg passieren wir abgeerntete Felder, auf denen Sonnenblumen angebaut wurden. In Sulzheim werden wir mit einem überdimensionalen Pilgermotiv an der Wand eines Weingutes begrüßt. Am Sportplatz verlassen wir den Jakobsweg, um an der Barockkirche St. Philippus und Jakobus einen Stempel zu erhalten. Die Kirche ist, wie anderswo, verschlossen. Wieder zurück am Sportplatz, sind wir entsetzt: zum einen geht es auf einem Wiesenweg richtig steil aufwärts, zum anderen zieht hinter uns eine weitere Regenfront in unsere Richtung. In einiger Entfernung ist der niederprasselnde Regen zu erkennen. Wir haben gerade noch die Gelegenheit, unseren Regenschutz anzuziehen, da sind wir auch schon fast nass. Das ging ja doch schneller, als wir gedacht haben. Zum Glück hört es kurz darauf wieder auf und wir sind in Wörrstadt. Hier beenden wir unser heutiges Pilgern und fahren mit dem Zug zurück nach Bingen zu unserem Auto. Auf dem Weg zum Parkplatz werden wir noch einmal geduscht. Wir verpacken unsere Ausrüstung schnell und machen uns auf den Weg nach Bad Kreuznach. Dort übernachten wir in der Jugendherberge, in der Bingener Herberge war vor ein paar Wochen bereits alles ausgebucht. Andere Unterkünfte sind für uns drei fast nicht zu bezahlen. Am Abend treffe ich in Bad Kreuznach in der Fußgängerzone Joachim, der im Mai dieses Jahres an unserer Pilgerauszeit an der Lahn mit der evangelischen Militärseelsorge teilgenommen hatte. Die Welt ist eben ein Dorf! Er gibt uns einen guten Tipp und wir werden bei einem Chinesen für kleines Geld richtig gut satt. Wieder zurück in der Jugendherberge schreibe ich noch Tagebuch und um 21.15 Uhr gehen bei uns für heute die Lichter aus.
Von Wörrstadt nach Dittelsheim-Heßloch (21. Oktober 2010) Nach einer ruhigen Nacht und einem guten Frühstück fahren wir gegen 8.30 Uhr von Bad Kreuznach nach Alzey. Dort stellen wir das Auto auf einem Park-and-Ride-Platz ab, das kostet heute nur 1,50 Euro für den Tag. Mit dem Zug fahren wir nach Wörrstadt und beginnen am Bahnhof unsere nächste Etappe. Zuerst füllen wir im nahe gelegenen Supermarkt ein paar Vorräte auf, bevor wir dem markierten Weg ins Zentrum folgen. Dabei laufen wir unter anderem am Schmiedbrunnen vorbei und gelangen in die „Pariser Straße“. Hier müssen wir vom Weg abweichen und anstatt nach rechts zunächst nach links abbiegen. Dort erreichen wir nach ein paar Minuten die evangelische und direkt daneben die katholische Pfarrkirche, beide sind natürlich verschlossen. Am katholischen Pfarrhaus befindet sich neben einem Schaukasten ein Behälter für den Pilgerstempel. Leider hat man sich hier keine Mühe gemacht und nur einen einfachen Stempel hinterlegt, bestehend aus zwei Zeilen Text. Wir verlassen daraufhin Wörrstadt über die „Pariser Straße“, die in die Bundesstraße 420 übergeht. Gegen das hohe Verkehrsaufkommen scheinen sich die Bürger zu wehren, viele Häuser sind mit entsprechenden Transparenten verziert. Es geht weiter über einen Fahrradweg, bis wir dann schließlich die stark befahrene Bundesstraße überqueren müssen. Der Jakobsweg findet seine Fortsetzung einmal mehr auf einem betonierten Wirtschaftsweg. An dessen vermeintlichem Ende befinden sich fünf Windkraftanlagen, darunter wird gerade ein Klettergarten errichtet. Wir lassen rechts eine großflächige Photovoltaikanlage liegen und stehen bald vor einer Autobahnüberführung. Ein Blick in Pilgerführer und Wanderkarte zeigt uns, dass wir zu weit gelaufen sind. Also müssen wir das Ganze wieder zurückgehen. An einer Abzweigung stehen auf den Markierungen einige Baucontainer und Gerätschaften. Hier hätten wir abbiegen müssen. Das hat uns jetzt zwei zusätzliche Kilometer eingebracht. Auf dem frisch asphaltierten Weg geht es nun ein gutes Stück geradeaus. Dabei kommt uns bei eisigen Temperaturen und starken Windböen ein Läufer in kurzer Bekleidung entgegen. Da fröstelt es uns beim Anblick noch mehr. Schließlich kommen wir in den Weinort Spiesheim und erhalten an der katholischen Kirche einen weiteren Stempel. Die Kirche können wir, wie immer, nicht besuchen, sie ist verschlossen. Nach einer Dorfrunde passieren wir den gepflegt aussehenden Kunstrasenplatz mit Laufbahn und pilgern durch eine Kleingartenkolonie. Etwas weiter nutzen wir die Unterführung der Autobahn 61 und gehen über Wiesenwege durch die Weinberge. Dort bietet sich uns zu beiden Seiten die Möglichkeit, verschiedene Rebsorten zu kosten. Wir kreuzen die Landesstraße 414 und werden kurz darauf von einem freundlichen Landwirt angesprochen, der sein Feld mit schwerem Gerät bearbeitet. Wir unterhalten uns kurz über den Jakobsweg und verabschieden uns dann voneinander. Wenig später sind wir bereits in Biebelnheim und werden mitten durch einen Garten geleitet. Zuvor müssen wir eine kleine Treppe hinabsteigen, an deren Geländer eine Muschel aus Metall angebracht ist. Im Weingut Fluhr erhalten wir einen weiteren Stempel für den Pilgerausweis, der dafür eigentlich viel zu groß ist. Es ist schon überflüssig zu erwähnen, dass sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche nicht besichtigt werden können. Da wir keine Rastmöglichkeit finden, genießen wir in einem Seitenweg an einem Gartenzaun ein paar Happen aus unseren Rücksäcken, die wir am Zaun aufhängen. Es gibt Brot, Käse, Salami und Obst. Wir folgen nun dem Verlauf eines Baches. Irgendwann wird es uns unheimlich, lange gab es keine Muschel mehr zur Orientierung. Endlich erreichen wir das Ende des Weges. Es gibt nur die Möglichkeiten rechts oder links. Nach links weist uns dann doch ein etwas versteckter Pilgerstein die Richtung. Dort zeigen uns zwei Damen im Nordic Walking-Schritt, wie schnell sie sein können. An der nächsten Kreuzung trennen sich aber unsere Wege, wir gehen erneut nach links. Das Tempo der beiden Damen wird danach erkennbar langsamer. Dafür haben wir nun das Vergnügen, den Homberg zu erklimmen, ein recht steiles Stück. Christian eilt uns hier voraus. Oben angekommen, erblicken wir bereits Framersheim am Horizont. Doch der Weg bis dahin scheint sich noch ganz schön zu ziehen. Zum Glück geht es stetig abwärts bis zur Landestraße 406, die wir überqueren müssen. Wir befinden uns hier schon im Ort, müssen aber bis zum Zentrum noch ein gutes Stück weiterlaufen. An der evangelischen Kirche hängt wieder ein Kasten mit einem Stempel darin. Und oh Wunder, die Kirche ist offen! Das lassen wir uns nicht nehmen und schauen sie uns auch von innen an. Im Gästebuch hinterlassen wir meinen eigenen Pilgerstempel und ein paar Zeilen. Auch andere Pilger haben sich dort eingetragen und waren froh, endlich einmal eine Kirche anzutreffen, die nicht verschlossen ist. Die nur wenige Schritte entfernte katholische Kirche ist allerdings wieder nicht zugänglich, den im Pilgerführer vermerkten Stempel finden wir ebenso nicht. Hinter Framersheim laufen wir weiter auf dem „Wormser Weg“, der zum Teil auch als Weinlehrpfad ausgewiesen ist. Und es geht wieder steil aufwärts auf den Hornberg. Auf diesem befinden sich unzählige Windenergieanlagen, wir haben ständig das Sausen der Rotoren in den Ohren. Den nächsten Abschnitt gehen wir auf holprigem Wiesenuntergrund und erobern den Kloppberg. Dort sammelt ein Ehepaar auf einem abgeernteten Acker liegen gebliebene Kartoffeln ein. Dann stehen wir etwas ratlos in der Landschaft, es sind keine Wegweiser zu finden. Der Weg knickt in einen kleinen Wald ab, die Wanderkarte ist da in unseren Augen eindeutig. Wir stoßen auf das Turmlokal, finden dort eine Muschel und laufen bergab am Weinkastell vorbei ins Tal. Wir sind also richtig, folgen einer schlechten Straße und einem holprigen, stark abfallenden Wiesenweg nach Dittelsheim-Heßloch. Direkt an der evangelischen Kirche, die durch ihren markanten Turm auffällt, endet unsere heutige Etappe. An der Bushaltestelle warten wir noch einige Minuten, dann kommt der Bus, der uns nach Gau-Odernheim bringen soll. Ab da müssen wir in einen anderen Bus nach Alzey umsteigen. Der junge Busfahrer meint es gut mit uns und verkauft uns ein 24-Stunden-Gruppenticket, das nur zehn Cent mehr kostet als die Einzelfahrscheine. Er meint, dass wir damit sogar morgen wieder von Worms nach Dittelsheim fahren könnten. Da wir als einzige Fahrgäste verbleiben, gibt er uns über die Lautsprecheranlage noch ein paar Tipps. Ich setze mich zu ihm nach vorne und unterhalte mich mit ihm. Sein Vater sei bereits in Santiago gewesen, allerdings sei er in die andere Richtung an der Küste entlanggelaufen. Nach einer kurzen Pause sagt er mir, dass er noch tanken müsse und in Alzey sei in der Nähe des Bahnhofes eine günstige Tankstelle. Er würde uns bis dahin mitnehmen und am Bahnhof herauslassen. Ich bin völlig überrascht und auch sehr dankbar. Das erspart uns doch glatt eine ganze Stunde Zeit. Da muss Jakobus seine Finger im Spiel haben. Wir steigen dann gut gelaunt am Alzeyer Bahnhof aus und bedanken uns ganz herzlich bei unserem Chauffeur für die Privatfahrt. Wir verstauen die Rucksäcke im Auto und wechseln die Schuhe, dann geht es auf die Autobahn nach Worms. Dort bekommen wir in der Jugendherberge ein Zimmer im zweiten Stock mit direktem und freiem Blick auf den Dom St. Peter, klasse! Da wir alle müde sind, essen wir eine Kleinigkeit im Bistro der Jugendherberge und beenden den Tag.
Von Dittelsheim-Heßloch nach Worms (22. Oktober 2010) Heute müssen wir etwas früher aufstehen, damit wir den Bus nach Dittelsheim erreichen. So sind wir auch die Ersten, die sich auf das Frühstücksbüffet stürzen wollen. Auch hier in der Jugendherberge in Worms bekommen wir eine gute Auswahl serviert. Anschließend verpacken wir unsere Sachen und bringen alles zum Auto, das wir gestern in einem Parkhaus abstellen mussten. Die mitten in der Stadt gelegene Herberge hat nur eine begrenzte Anzahl an Stellplätzen. Es war im Vorfeld nicht ganz einfach gewesen, für eine Nacht eine Unterkunft zu bekommen, dazu noch zu einem einigermaßen vertretbaren Preis. Da fehlt es hier noch deutlich an besonderen Angeboten für Pilger. Also nutzen wir die umliegenden Jugendherbergen, mit dem Nachteil, dass wir zwischen den Etappenorten mit Auto, Bahn und Bus pendeln müssen. Vom Parkhaus laufen wir mit unseren Rücksäcken cirka fünfzehn Minuten bis zum Bahnhof. Dort angekommen, verbleibt uns noch viel Zeit bis zur Abfahrt des Busses. Wir nutzen diesen Umstand aus, um in einem Supermarkt etwas Verpflegung für unterwegs zu besorgen. Der Bus kommt schließlich einige Minuten später, als geplant. Und wir haben Glück, denn das gestern gekaufte Tagesticket ist für die Fahrt nach Dittelsheim gültig. Kurz nach zehn Uhr steigen wir dort vor der evangelischen Kirche aus dem Bus. Leider haben wir keine Möglichkeit, einen Stempel zu bekommen. An der Kirche finden wir keinen und das gegenüberliegende Pfarramt hat heute geschlossen. Also machen wir uns auf den Weg, der erste Untergrund ist wieder einmal Wiese. Wir gehen in einem großen Bogen aus Dittelsheim heraus und werden erneut auf beiden Seiten von Weinreben begleitet. Es ist heute Morgen im Vergleich zu gestern recht kühl und die Sonne kann sich nicht so recht gegenüber der Wolkendecke durchsetzen. Plötzlich geht vor einer Anhöhe in unserer unmittelbaren Nähe eine Selbstschussanlage los. Die findet man hier in der Region in den Weinbergen und Feldern, um Vögel zu vertreiben. Nun überqueren wir die Landesstraße 425 und durchlaufen den historischen Galgengrund. Wir passieren auf dem Betonweg einen kleinen See voller Regenwasser. In diesem Augenblick fahren zwei Traktoren an uns vorbei, aber bis auf ein paar kleine Matschspritzer nehmen wir keinen Schaden. In der nächsten Stunde verändert sich unsere Umgebung kaum. Der Jakobsweg verläuft hier über endlose Geraden. Zu beiden Seiten finden wir neben Wein und Rüben alternativ auch einmal Felder, auf denen Sonnenblumen angebaut werden. Leider ist der ausgeschilderte Weg auf dieser Etappe so ausgewählt, dass fast alle Ortschaften mehr oder weniger gemieden werden. Es gibt zwar Ortsschleifen nach Bechtheim, West- und Osthofen sowie Abenheim, aber die bedeuten natürlich zusätzliche Kilometer. Ich persönlich fände es schöner, wenn diese Ortschaften mit ihren Sehenswürdigkeiten in den Weg direkt eingebunden wären. Auf der Passage in Richtung Abenheim erleben wir ein seltenes Naturschauspiel. Hier scheinen sich tausende Zugvögel zu sammeln, um gemeinsam nach Süden zu ziehen. Sie färben dabei den Himmel und einen Acker mit unzähligen schwarzen Punkten ein. Hier beginnen auch wieder dichte Weinberge, die wir in der letzten Stunde schon beinahe vermisst haben. Die Rebstöcke sind noch reichlich mit Trauben bestückt. Daher nutzen wir diese wohl letzte Gelegenheit, von den Früchten zu kosten. Sie sind je nach Rebsorte im Geschmack sehr unterschiedlich, von zuckersüß bis süß mit säuerlicher Note bis zu herbsüß. Man kann erahnen, wie vielseitig die daraus entstehenden Weine sein werden. Kurz vor der St. Anna-Kappelle vor Herrnsheim nehmen wir den falschen Abzweig, zumindest sehen wir keinen Wegweiser mehr und folgen einfach dem eingeschlagenen Weg. So kreuzen wir vor dem Ort die Kreisstraße 18 und gelangen auf einen Fuß- und Radweg. Hier führte in vergangenen Tagen eine Bahnlinie her, der aufgeschüttete Damm lässt es jedenfalls erahnen. Als Ergebnis dieses Abstechers, der glücklicherweise keinen Umweg darstellt, laufen wir nicht, wie eigentlich gedacht, durch den Park des Herrnsheimer Schlosses. Dieses erreichen wir erst mittels einer Schleife durch den Ort. Am Rathaus hängt ein interessanter Hinweis für Pilger: den Pilgerstempel bekommt man seit Mai des Jahres in der Orangerie des Schlosses. Die hat natürlich heute geschlossen. Umso überraschter sind wir, als wir feststellen, dass die katholische Pfarrkirche St. Peter geöffnet ist. Deren Besuch lohnt sich wirklich, sie ist wunderbar ausgestaltet und strahlt sehr viel Ruhe aus. Hier sammele ich kurz meine Gedanken und gehe etwas in mich. Das letzte Stück des Jakobsweges Rheinhessen verläuft auf dem besagten Fuß- und Radweg, den wir bis zum Ende im Wormser Stadtteil Neuhausen nicht mehr verlassen. Dort unterqueren wir einige Bahnlinien, lassen einen Bach mittels einer Brücke hinter uns und gehen durch ein etwas schmuddeliges Wohngebiet. Es gibt nun kaum noch Wegweiser, wir orientieren uns anhand der Karte und laufen einmal quer durch Worms. Kurz nach 16 Uhr stehen wir dann vor dem Dom St. Peter. Hier bekommen wir sogar noch einen Stempel. Wir lassen die umwerfende Räumlichkeit des Gotteshauses auf uns wirken. Einige Minuten der Ruhe, ich lasse die vergangenen Tage mit meiner Familie auf dem Jakobsweg etwas sacken. Dazu gehört ein Dankgebet, dass wir die drei Tage gesund und ohne Blessuren überstanden haben. Dann wollen wir aber doch nach Hause. Noch ein paar Meter sind es bis zum Parkhaus, in dem unser Auto steht. Schuhe wechseln, einpacken, wegfahren. Nicht ganz eine Stunde später sind wir wieder in Koblenz und freuen uns auf eine heiße Badewanne.
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