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Jakobsweg Trier - Vézelay

 

  Datum Strecke Länge Gesamtlänge
7. 21.05.2012 Dieulouard -  Liverdun 27 km 198 km
8. 22.05.2012 Liverdun - Nancy 20 km 218 km
9. 23.05.2012 Nancy - Toul 28 km 246 km
10. 24.05.2012 Toul - Montigny-les-Vaucouleurs 25 km 271 km
11. 25.05.2012 Montigny-les-Vaucouleurs - Gondrecourt-le-Château 18 km 289 km
12. 26.05.2012 Cirfontaines-en-Ornois - Joinville 24 km
313 km
13. 27.05.2012 Vignory - Colombey-les-Deux-Églises 25 km 338 km
14. 28.05.2012 Colombey-les-Deux-Églises - Clairvaux 14 km 352 km

 

Zum Betrachten der Bilderserie des kompletten Weges bitte auf die Miniatur klicken.

 

Von Dieulouard nach Liverdun (21. Mai 2012)

Darauf habe ich mich schon lange gefreut: heute geht es wieder auf den Jakobsweg nach Frankreich. Im vergangenen Jahr bin ich mit Jörg bis Dieulouard gepilgert, etwa 20 Kilometer nördlich von Nancy gelegen. Ich stehe bereits um 5.00 Uhr auf, nehme ein kleines Frühstück ein und lasse mich von meiner Frau Susanne zum Bahnhof bringen. Pünktlich um 5.56 Uhr setzt sich der Regionalexpress in Richtung Saarbrücken in Bewegung. Knapp drei Stunden später treffe ich dort Jörg wieder. Wir müssen für ihn noch ein Bahnticket kaufen und fahren dann über Forbach nach Metz. Hier hat unser Anschlusszug etwa zwanzig Minuten Verspätung und fährt dann noch von einem anderen Bahnsteig ab. Im Zug treffen wir zwei Wanderer, die sich durch die Lektüre in einem Outdoor-Buch als Deutsche verraten. Sie fahren heute bis Toul und wollen von dort aus ihre Wanderung fortsetzen.

Schließlich treffen wir gegen Mittag in Dieulouard ein. Es ist dort stark bewölkt, aber nicht kalt. Unsere erste Anlaufstelle ist die Mairie, direkt gegenüber der Kirche. Hier bekommen wir von einer freundlichen Dame unseren ersten Stempel für den Pilgerausweis. Anschließend besuchen wir die Kirche, wo ich eine Kerze entzünde und für einen guten Weg bete. Dieses Mal besichtigen wir auch die Krypta, die man mittels eines schmalen Durchlasses rechts neben dem Chor über in den Fels gehauene Stufen erreicht. Dann machen wir uns tatsächlich auf den Weg. Schon bald entdecken wir neben den Wanderzeichen des Fernwanderweges Metz-Nancy auch die gelbe Jakobsmuschel auf blauem Grund und fühlen uns sofort zu Hause. Auf einem asphaltierten Weg verlassen wir Dieulouard durch ein Neubaugebiet. Wenig später befinden wir uns auf einem Wirtschaftsweg, dem man die Regenschauer der vergangenen Tage anmerkt. Unsere Stiefel werden von Schritt zu Schritt schwerer. Wir müssen ständig dicke Matschklumpen von unserem Schuhwerk abstreifen. Wir laufen an Feldern vorbei, kreuzen eine Landstraße und durchqueren ein Waldstück. Beim Verlassen des Waldes haben wir einen ersten Blick auf Saizerais, unserem ersten Zwischenziel. Leider ist die Kirche, an der wir vorbeilaufen, verschlossen. So beschließen wir, im Zentrum des Ortes vor der Mairie eine erste Trinkpause einzulegen.

Nach einer Viertelstunde geht es weiter und wir folgen immer noch den Muschelwegweisern. Es dauert nicht lange und der eingeschlagene Weg kommt uns etwas komisch vor, passt er doch eigentlich nicht zum Verlauf der Karte. Wir marschieren jedoch weiter durch ein ausgedehntes Waldgebiet und erreichen schließlich Weideland und einen kleinen Bach. Wir laufen auf einen Hof zu und orientieren uns an einigen Hausdächern, die wir am Horizont sehen. Im Ort entdecken wir oberhalb einer Haustür eine stark verwitterte Jakobusstatue und stellen dort mittels Jörgs iPhone unseren tatsächlichen Standort fest: Viller-St.-Etienne. Wir haben uns richtig schön verlaufen und stellen nun auch fest, dass die Jakobsmuscheln den Weg nach Toul anzeigen und nicht nach Nancy. Das bedeutet nun, dass wir noch gut zwei Stunden entlang einer schmalen Uferstraße an der Mosel bis zu unserem heute geplanten Tagesziel Liverdun laufen dürfen. Dort kommen wir dann etwas erschöpft nach 27 Kilometern an, eigentlich sollten es rund 16 Kilometer gewesen sein. Wir begeben uns direkt zum Bahnhof, um nach Nancy zu fahren. Erst im Zug können wir bei der Zugbegleiterin unsere Tickets kaufen, denn am Bahnhof gibt es weder einen Schalter noch einen Automaten. Und da wir auch kein Kleingeld haben, bekommen wir sogar zwanzig Cent erlassen. Unser Hotel befindet sich nur zwei Ecken vom Bahnhof entfernt. Dabei passieren wir eine gotische Kirche, deren Portal sogar noch offen steht. Morgen werden wir sie uns ansehen.

Unser Zimmer im Hotel „Akena“ ist sehr sauber, aber auch sehr klein. Es ist gerade noch genug Platz, um am Bett vorbeizugehen. Im Zimmer ist eine Kunststoffkabine eingebaut: unsere Nasszelle mit Waschbecken, WC und Dusche. Streckt man beide Arme aus, erreicht man mühelos die Außenwand. Wir nennen die Kabine liebevoll „Wohnklo“. Nachdem wir unsere Ausrüstung versorgt und uns geduscht haben, machen wir uns auf die Suche nach etwas Essbarem. Am Himmel ziehen inzwischen vermehrt zahlreiche dunkle Wolken auf. Da auf dem Fensterbrett noch unsere Wanderstiefel stehen, wollen wir kein Risiko eingehen, kehren noch einmal um und stellen sie ins Trockene. Draußen entscheiden wir uns dann für eine andere Richtung und finden direkt einen kleinen Supermarkt. Dort decken wir uns für den morgigen Tag mit Wasser und Müsliriegeln ein. Beim Verlassen des Ladens sehen wir an der nächsten Straßenkreuzung eine Pizzeria. Das ist nach unserem Geschmack, aber zunächst bringen wir unsere Einkäufe ins Zimmer. In der Pizzeria werden wir informiert, dass es beim Kauf einer XL-Pizza für 13,80 Euro eine zweite gratis dazu gebe. Das hört sich gut an und wir entscheiden uns für je eine Pizza „Fruits de Mar“ für 13,80 Euro. Wir setzen uns direkt an eine große Fensterscheibe mit Blick auf die Straße. Rechts neben uns sind im Fernseher die Simpsons zu sehen. Die Pizza ist lecker und wir genehmigen uns noch jeder zwei Dosen Bier dazu. Auf dem Weg zurück zum Hotel beginnt es dann tatsächlich zu regnen. Wenig später liegen wir im Bett, werden aber bald von einem heftigen Gewitter mit hellem Blitz und lautem Donnerschlag wachgehalten.
 
   

 

 

 

Von Liverdun nach Nancy (22. Mai 2012)

Die Kirchenglocken wecken uns um 7.00 Uhr. Eigentlich wollten wir heute erst etwas später aufstehen, trotzdem machen wir uns fertig zum Frühstück. Es ist schon einiger Betrieb im Frühstücksraum. Wir suchen uns einen Platz, leider unmittelbar am Kaffeeautomaten. Morgen werden wir etwas zeitiger zum Frühstück erscheinen und einen günstigeren Platz erhaschen. Es gibt alles, was das Herz begehrt, halt auf Französisch: Brötchen, Croissants, Butter, Wurst, Käse, Marmelade. Im Fernsehen wird über das nächtliche Unwetter berichtet, das mit Schwerpunkt in der Region um Nancy hereingebrochen ist. Anschließend packen wir das Nötigste für heute ein. Da wir unser Zimmer auch für die kommende Nacht haben, nehmen wir nur meinen Rucksack mit.

Auf dem Weg zum Bahnhof teilt mir Jörg mit, dass er seine Pläne geändert hat. Ursprünglich wollte er an unserem letzten gemeinsamen Tag nach Dijon fahren und dann über Le Puy-en-Valey in Richtung Pyrenäen weiterlaufen. Er hat sich mit der Entfernung ein wenig verschätzt und will nun direkt nach Saint-Jean-Pied-de-Port fahren und dort auf den Camino Francés gehen. Zunächst statten wir der Église St. Leon IX. einen Besuch ab und sind überrascht über die Räumlichkeit der Kirche. Bei einem kurzen Rundgang entzünde ich noch eine Kerze und lasse mich auf einer Bank nieder. Im Bahnhof verkürzen wir die Wartezeit auf unseren Zug an einem Fahrscheinautomaten und versuchen, eine Verbindung für Jörg nach Saint-Jean zu finden. Um 9.02 Uhr sind wir in Liverdun. Es ist diesig und bedeckt. Zunächst machen wir einen Rundgang durch den mittelalterlichen Ort. Dabei genießen wir die wunderschöne Aussicht auf die Mosel vom Hof des Château Corbin aus dem 19. Jahrhundert. Weiter oben gelegen ist die Église St Pierre, die um diese Zeit noch verschlossen ist. So kehren wir zum Bahnhof zurück und beginnen die heutige Etappe nach Nancy. Dabei laufen wir an der Mairie vorbei und lassen uns einen Stempel in den Pilgerausweis drücken. Nach Studium der vorhandenen Unterlagen verändern wir den geplanten Wegverlauf und überqueren bereits in Liverdun die Mosel. Es geht nun einige Kilometer entlang einer Landstraße bis nach Frouard. Dort kaufen wir in einem Lidl etwas Obst und Trinkjoghurt. Wir folgen nun dem Lauf der Meurthe auf einem gut ausgebauten Fahrradweg, machen aber erneut einen kleinen Umweg. Inzwischen klart der Himmel auf und die Sonne lässt sich sogar blicken. Wir lassen die Ortschaften Champigneulles und Maxéville mit ihren am Wasser gelegenen Industrieanlagen rechts liegen.

An der „Pont Vayringe“ verlassen wir die Meurthe und laufen rechter Hand in ein Wohngebiet. Hier befinden wir uns bereits in Nancy und erreichen kurz darauf den „Canal de Marne au Rhin“. Dieser wurde 1853 fertiggestellt und verbindet auf 300 Kilometern Mosel, Rhein und Marneseitenkanal. Wir laufen an einer beweglichen Brücke über den Kanal vorbei und staunen über die zahlreichen Hausboote, die hier vor Anker liegen. Auf Höhe der „Rue Lecreulx“ verlassen wir den Kanal nach rechts und betreten den wunderschönen, großflächig angelegten „Parc de Pépinière“. Die Überbleibsel des Unwetters sind in Form von Wasseransammlungen noch deutlich erkennbar. Unmittelbar an die südliche Kante des Parks schließt sich der „Place Stanislas“ an, der uns ins Staunen versetzt. Rund um den Platz befinden sich prunkvolle Bauten, in denen die Oper, das Musée-des-Beaux-Arts und das Rathaus untergebracht sind. Die Ecken des Platzes sind mit wunderschönen Brunnen mit vergoldeten Verzierungen versehen und in der Mitte thront die Statue des polnischen Königs Stanislaus I. Am Südende des „Place Stanislas“ gehen wir in die „Rue Maurice Barres“ und stehen an deren Ende unmittelbar vor der „Cathédrale Notre-Dame-de-l'Annonciation“, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts erbaut wurde. Wir lassen uns von der Einfachheit der hellen Bischofskirche einfangen und sind besonders von der Orgel begeistert. Auch hier entzünde ich eine Kerze vor einem Marienbildnis.

Nun ist die Zeit gekommen, dass wir uns wieder in unser Hotel zurückziehen. Unterwegs holen wir uns in der Tourist-Information noch einen Stempel ab und genehmigen uns in einer Bäckerei ein Éclair „chocolat“ und ein „vanille“, lecker! Da wir auch am Bahnhof vorbeikommen, kauft sich Jörg noch sein Ticket von Paris nach Saint-Jean. Es ist nicht ganz einfach, mit meinem schlechten Französisch dem Mitarbeiter zu erklären, was wir wollen. Letztendlich bekommt er aber, was er braucht. Um 16.00 Uhr erreichen wir unser Hotel. Wir pflegen, wie immer unsere Ausrüstung und bereiten schon alles für den kommenden Tag vor. Später gehen wir noch einmal Pizza essen, das Angebot ist einfach zu verlockend. Jörg bestellt sich wie am Abend vorher eine „Fruits de Mer“, ich entscheide mich für eine „Forêt-Noire“. Heute tauschen wir nach der Hälfte die Teller aus. Mit gefülltem Magen liegen wir schon früh im Bett und lauschen noch ein wenig einem Hörbuch: „Ich bin dann mal weg!“

   

 

 

 

Von Nancy nach Toul (23. Mai 2012)

Wir stehen heute ohne die Unterstützung unseres Weckers um 6.00 Uhr auf und machen uns ein wenig frisch für das Frühstück, das ab 6.30 Uhr bereitsteht. Es sind noch nicht viele Gäste im Frühstücksraum, sodass wir uns einen freien Tisch nach Wahl aussuchen können. Nach einer ausgiebigen Stärkung packen wir unsere Ausrüstung ein und marschieren um 7.30 Uhr aus dem Hotel. Über die „Rue Jeanne d´Arc“ erreichen wir die „Rue de la Commanderie“, der wir gut drei Kilometer folgen. Dabei ändert die immer schmaler werdende öfter den Namen und erreicht allmählich ansteigend die äußeren Wohngebiete von Nancy. In einer Boulangerie kaufen wir noch zwei kleine Baguettes für die Mittagsrast und füllen noch einmal die Wasservorräte auf. Wir unterqueren die A 33, passieren die weitläufigen Sportanlagen des „Stade R. Bambock“ und erreichen das Wohngebiet Clairlieu. Unser Weg führt uns an den Nordrand der Siedlung und schließlich in den Foret Domaniale de Haye, den wir auf den nächsten zehn Kilometern durchwandern. Mitten im Wald machen wir an einem Kreisel mit einer Schutzhütte eine erste Rast und verspeisen einen Apfel.

Bereits nach einer Viertelstunde machen wir uns wieder auf den Weg durch den kühlen Wald. Unterwegs begegnen wir einigen Waldarbeitern, die in einem biologischen Testgelände zu tun haben. Dieses Gebiet wurde nach einem verheerenden Sturm im Jahre 1999 eingerichtet, um die natürliche Regeneration des Waldes zu erforschen. Am Ende des Waldes stoßen wir auf die D 909, die zwar nicht stark, aber sehr rücksichtlos befahren wird. Nach rund drei Kilometern erreichen wir das Örtchen Villey-le-Sec. Im Zentrum, unmittelbar neben der Mairie, finden wir eine Bank vor, die uns ideal für die Mittagsrast erscheint. Heute gibt es zur Abwechslung mal Baguette und Salami, dazu kühles Wasser. Anschließend schauen wir uns die Befestigungsanlagen des örtlichen Forts an. Die imposanten Bauten sind für uns schon vom Beruf her interessant und wurden im Zeitraum 1874 - 1879 im Nachgang des deutsch-französischen Krieges als Schutz für Toul gebaut. Leider ist die Festung nur sonntags zur Besichtigung geöffnet. Wir laufen weiter entlang der Landstraße, weichen dann aber von unserem Führer ab und biegen nach links in ein Waldgebiet ein. So entkommen wir dem Autoverkehr der Straße und befinden uns in etwas kühlerem Terrain. Der Waldweg verläuft bogenförmig, fast parallel zur Straße, und lässt sich sehr angenehm laufen. Im Wald selbst entdecken wir die Ruinen mehrere Gebäude, die wohl zu früheren Zeiten als militärische Unterkünfte dienten.

Bisher bedeckten zahlreiche Wolken den Himmel, aber jetzt kommt doch noch die Sonne raus. Gleichzeitig stelle ich ein leichtes Brennen an meinen Waden auf Höhe der Oberkante meiner Wanderstiefel fest. Das gefällt mir gar nicht. Ich bin gespannt, was mich heute Abend beim Ausziehen erwartet. Nach rund vier Kilometern erreichen wir einen Vorort von Toul und haben einen tollen Ausblick von einer Anhöhe auf die Kathedrale. Es ist 15.00 Uhr, als wir nach der Überquerung der Mosel an der mittelalterlichen Stadtmauer mit Wassergraben entlangwandern. Über die „Rue Drouas“ betreten wir Toul, laufen durch eine kleine Grünfläche und befinden uns unmittelbar vor der Kathedrale, die wir zunächst besichtigen. Uns fällt die großzügige Räumlichkeit der im Jahre 1221 begonnenen und 1496 vollendeten Kirche auf. Während sich das Mittelschiff nach der Restaurierung in einem prachtvollen Zustand präsentiert, sehen die Seitenschiffe sehr vernachlässigt aus. Hier scheint einfach das Geld für weitere Sanierungsarbeiten zu fehlen. In der neben der Kathedrale befindlichen Tourist-Information werden wir von einer freundlichen Dame direkt auf Deutsch angesprochen und erhalten einen Stempel für unseren Pilgerausweis. Danach schlendern wir über die „Rue Michatel“ zum „Place de Trois Évéchés“, wo wir das von uns gebuchte „ABC Hotel“ finden. Zu unserer Überraschung ist das Hotel bereits geöffnet. Eigentlich sollte die Rezeption erst ab 18.00 Uhr besetzt sein. Das uns zugewiesene Zimmer ist zwar nicht sehr groß, für unsere Zwecke aber ausreichend. Der Mitarbeiter ist sehr bemüht und spricht gutes, verständliches Englisch.

Wie immer, kümmern wir uns zunächst um unsere Ausrüstung und dann um uns selbst. Als ich Stiefel und Socken ausziehe, brennt es immer noch und es kommen rote, schmerzende Flecken mit kleinen Bläschen oberhalb der Fersen zum Vorschein. Ich kann mir überhaupt nicht erklären, wo die Ursache hierfür liegt. Habe ich die Stiefel vielleicht nicht fest genug gebunden und die Füße und Beine schwammen darin? Morgen werde ich zur Schonung erst einmal in Sandalen losgehen und später die Stiefel anziehen. Jetzt lasse ich kaltes Wasser in die Badewanne ein und kühle meine Beine. Nachdem sowohl Jörg als auch ich ein Bad genommen haben und einige Kleidungsstücke auf der Wäscheleine hängen, suchen wir einen Supermarkt auf, den wir schon auf der Moselbrücke gesehen hatten. Wir kaufen unser Abendessen ein: französischen Weichkäse, Trinkjoghurt, Bier und eine kleine Melone. Die Einkäufe bringen wir zunächst in unser Zimmer und suchen uns noch eine Boulangerie, um Baguettes zu bekommen. Unterwegs nehmen wir in einer Straßenbar ein Bier zu uns, um den ersten Durst zu löschen. Den Rest des Abends verbringen wir auf dem Zimmer und verspeisen unsere Einkäufe bis auf die letzten Krümel und Tropfen. Bevor wir uns bettfertig machen, bildet ein Kapitel Hape den Tagesabschluss.

   

 

 

 

Von Toul nach Montigny-les-Vaucouleurs (24. Mai 2012)

Um 7.00 Uhr nehmen wir unser Frühstück in einem Restaurant ein, das sich im Erdgeschoss des Hotels befindet. Jörg und ich haben beide nicht gut geschlafen. Die in Frankreich übliche große Matratze hatte in der Mitte eine Kuhle, sodass wir beide versucht haben, möglichst außen zu liegen, um nicht ständig nach innen zu rollen. Aber auch so eine Nacht haben wir einigermaßen hinbekommen. Man serviert uns ein Baguette, Butter und Marmelade und nach Wunsch Kaffee oder Kakao. Das hört sich zwar nicht viel an, reicht aber vollkommen aus, um satt zu werden. Anschließend packen wir unsere Rucksäcke ein. Ich verstaue darin heute auch meine Wanderstiefel wegen der Rötungen an den Waden, ziehe Socken und Sandalen an. Die Rezeption ist zu dieser Zeit unbesetzt, den Zimmerschlüssel werfen wir in einen dafür vorgesehenen Briefkasten. In einer Boulangerie besorgen wir uns noch zwei Ficelles, das sind dünne Baguettes. Dann marschieren wir über die „Rue Jeanne d´Arc“ und die Reste des gleichnamigen Tors aus Toul hinaus. Über den „Boulevard Pinteville“ und die „Avenue Maréchal Foch“ erreichen wir eine Kaserne, die wohl ein Transportregiment beherbergt. Aus dem Kasernentor rollt dann auch eine Kolonne mit schweren LKWs heraus. Kurz hinter der Kaserne befindet sich eine großflächige Kriegsgräberstätte, die wir uns etwas genauer betrachten. Dabei sehen wir nicht nur Grabmale aus dem ersten Weltkrieg, sondern auch aus dem Indochina-Krieg der 50er-Jahre. Hier ruhen neben französischen Gefallenen auch zahlreiche Kanadier. Auffällig sind die unterschiedlichen Kennzeichnungen der Gräber für christliche, muslimische und jüdische Soldaten.

Wir laufen jetzt an der D 11B entlang und überqueren einen Bahnübergang, den kurz vor uns noch ein Zug passiert hat. Hinter der nächsten Kurve erreichen wir das Dorf Choloy-Ménillot. Am Ende des Dorfes biegen wir nach links in die „Rue Marcel André“ und befinden uns am Beginn eines längeren Anstieges, der zum Glück durch den Wald führt. Allmählich kommt nämlich die Sonne raus und die Temperaturen steigen merklich an. Der Weg ist von dem Unwetter der letzten Tage in dieser Region sehr ausgewaschen worden. Ich muss mit meinen Sandalen an den Füßen gut aufpassen, dass ich nicht ständig auf lose Steine trete und umknicke. Aber zum Glück geht alles gut und auf der Höhe muss ich nicht mehr auf Steine aufpassen, sondern auf unzählige große und kleine Pfützen. Jörg geht voraus und lotst mich gut durch das Pfützenlabyrinth, sodass ich tatsächlich mit trockenen Füßen da durchkomme. Wir überqueren bald die Grenze zwischen den Departements „Meurthe-et-Moselle“ und „Meuse“. An dem Grenzstein machen wir ein Erinnerungsphoto. Ab hier geht es wieder abwärts, der Weg ist ebenfalls sehr ausgewaschen und mit tiefen Furchen durchzogen. Wir erreichen den Waldrand und beschließen, am Wegesrand unsere Mittagsrast einzulegen.

Wir ziehen unsere Hemden aus, legen sie zum Trocknen über einen Zaun und schmieren uns noch mit Sonnencreme ein. Danach verzehren wir die Ficelles und Salami und gleichen den Flüssigkeitsverlust aus. Nach einer guten halben Stunde geht es weiter parallel zum Waldrand, bis wir auf die D 960 stoßen. Nur wenige Schritte weiter sind wir in dem Dörfchen Rigny-Saint-Martin. Mit Interesse schauen wir uns die Kirche an. Diese ist als Rundbau errichtet worden und grenzt sich somit von allen bisherigen Kirchen deutlich ab. Die Innenausstattung ist sehr spärlich, aber trotzdem hat die Kirche ihren Reiz. Ich nutze die Gelegenheit zu einem kurzen Gebet. Es geht nun leicht aufwärts und wir überqueren die D 74. Schließlich erreichen wir das Dörfchen Chalaines und laufen weiter auf der D 960 nach Vaucouleurs. Wir befinden uns hier bereits in der Region der Jeanne d´Arc, deren Spuren in Vaucouleurs deutlich werden. Am Ortseingang werden wir mit einem großen Hinweisschild darauf aufmerksam gemacht. Im Zentrum sind ein Reiterstandbild der französischen Heldin sowie ein Museum. Dort bekommen wir auch einen Stempel. Leider gibt es hier keine Bar, denn wir würden jetzt gerne etwas Kaltes trinken. In einer Boulangerie werden unsere Gelüste erfüllt und wir kaufen uns jeder eine Flasche Cola. Anschließend besichtigen wir die Kirche Saint-Laurent aus dem 18. Jahrhundert und setzen dann unseren Weg fort, der uns an der alten Burgkapelle und dem „Porte de France“ vorbeiführt. Von hier an geht es weiter aufwärts, bis wir erneut die D 960 erreichen und überqueren, dann durch ein Stück Wald, immer leicht abwärts.

Nach circa drei Kilometern sind wir in Montigny-les-Vaucouleurs und finden recht schnell die „Villa Claudette“, unsere heutige Unterkunft. Wir werden sehr nett von Madame Lambert empfangen und mit einem kühlen Bier und Wasser versorgt. Die Verständigung ist nicht einfach, weil sie weder Deutsch noch Englisch spricht, aber wir bekommen alles geregelt. Unser Zimmer, das „La Marina“, ist ein Traum in Blau und hat eine Größe von 21 m² mit einem Badezimmer von 6 m². Hier fühlen wir uns direkt wohl. Wir nutzen die Gelegenheit und waschen unsere Wäsche, die im Garten aufgehängt werden kann. Madame Lambert macht dafür extra Platz für uns auf der Wäschekleine. Meine Waden sind immer noch leicht gerötet und mit kleinen Bläschen übersät, sodass ich, wie bereits gestern, kaltes Wasser in die Badewanne einlasse und meine Füße darin kühle. Die 25 Kilometer des heutigen Tages in Sandalen, für die wir gut fünfeinhalb Stunden unterwegs waren, haben mir keine Probleme bereitet. Ich glaube, das war die richtige Entscheidung. Anschließend nutzen Jörg und ich gerne die Möglichkeit und nehmen jeder ein Bad. Den ganzen Tag hatten wir schönes Wetter, Sonnenschein und blauen Himmel. Jetzt, kurz vor dem Abendessen ziehen Wolken auf und es wird dunkler. Über uns zieht ein kurzes, aber heftiges Gewitter hinweg. Das Abendessen nehmen wir mit je einem älteren Ehepaar aus Belgien und Frankreich ein. Es gibt Schweinebraten, Kartoffelgratin und Salat und schmeckt richtig gut nach Hausmannskost. Wir schaffen es tatsächlich, alle Schüsseln zu leeren. Doch damit nicht genug: Madame Lambert serviert noch eine Camembert-Torte mit Baguettes und als Dessert gibt es noch selbstgemachten Rhabarberkuchen. Leider spricht nur der Belgier etwas Deutsch, aber irgendwie kommt trotzdem eine Unterhaltung zustande und es ist ein netter Abend, der gegen 21.00 Uhr mit einem vollen Bauch endet.

   

 

 

 

Von Montigny-les-Vaucouleurs nach Gondrecourt-le-Château (25. Mai 2012)

Da wir heute erst um 8.00 Uhr frühstücken können und eine relativ kurze Etappe von 18 Kilometern vor uns haben, schlafen wir etwas länger. Um 7.30 Uhr werden wir wach, draußen kräht ein Hahn. Am Frühstückstisch treffen wir wieder auf die vier anderen Gäste. Madame Lambert tischt erneut ordentlich auf. Wir können zwischen Kaffee, Kakao oder Tee wählen. Hierzu stehen uns größere Schalen zur Verfügung, die ich eher für Müsli nutzen würde. Aber gut, wir sind ja anpassungsfähig. Weiterhin gibt es Brötchen, Baguettes, Milchbrötchen, selbstgemachte Marmelade, Apfelsaft (wohl auch aus eigener Herstellung). Wir lassen es uns richtig gut gehen und es verbleiben fast keine Reste. Wir sind auf unserer Pilgerwanderung nun zum ersten Mal in einem Chambres d'Hôtes untergekommen, und wir sind begeistert. Trotz der Sprachbarriere gab es eigentlich keine Verständigungsprobleme. Irgendwie haben wir das ausdrücken können, was wir wollten. Besonders gut gefallen hat uns der familiäre Charakter der Unterkunft, das möchten wir zukünftig noch öfter erleben. Einen kleinen Dank an Madame Lambert haben wir aber in ihrem Gästebuch hinterlassen: „Un grand merci pour l'hébergement. Nous nous sommes sentis très à l´aise. Les pelerins St. Jacques d´Allemagne.”

Um 9.15 Uhr verabschieden wir uns abmarschbereit von Madame Lambert. Wir erhalten noch ein Lob für das gute Französisch im Gästebuch, geben aber direkt zu, dass wir ein Übersetzungsprogramm aus dem Internet genutzt haben. Dann geht es los, ich wieder mit Sandalen an den Füßen. Wir verlassen Montigny über die „Rue Sainte Anne“, laufen parallel zu einem kleinen Bach auf ein Waldgebiet zu. Der Weg selbst ist hier überwiegend mit knöchelhohem Gras belegt und aufgrund des kurzen Gewitters von gestern Abend noch feucht. Da werde ich wohl auf den nächsten Kilometern nasse Socken bekommen. Ich versuche jedenfalls, so wenig wie möglich durch das Gras zu laufen, was zusätzlich durch Pfützen und Matschlöcher erschwert wird. Wir durchwandern ein stilles Tal, in dem man der Natur zuhören und zusehen kann. Mitten in einer Talwiese, natürlich kniehoch und etwas feucht, ist die kleine gotische Chapelle Sainte Anne errichtet. Sie ist verschlossen und macht einen etwas vernachlässigten Eindruck. Bald darauf verlassen wir den Wald und laufen auf das Dorf Badonvilliers zu. Im Schatten der Kirche, die leider verschlossen ist, wechseln Jörg und ich unsere Socken und hängen diese am Rucksack zum Trocknen auf. Von nebenan werden wir von zwei Lamas beobachtet. Nach der kurzen Pause passieren wir einen Verkaufswagen, wo man eigentlich alles bekommen kann. Wir entscheiden uns für Apfel, Birne und Baguette.  Wir werden von der Verkäuferin in gutem Deutsch angesprochen. Anscheinend sieht man uns die Herkunft an. In dem kurzen Gespräch verrät sie uns, dass sie Deutsch von ihrer Großmutter gelernt hat.

Auf der D 193 geht es weiter nach Gérauvillier. Dort treffen wir erneut den Verkaufswagen und wieder reden wir ein wenig miteinander. Die einsilbige Frage nach unserem Ziel „Compostelle“ beantworten wir intensiv mit „ja“. Hinter dem Dorf führt unser Weg durch Ackerlandschaft, die Sonne scheint und es ist warm. Unsere Getränkevorräte neigen sich allmählich dem Ende zu. In der Ferne sehen wir einen Viadukt einer nicht mehr in Betrieb befindlichen Bahnlinie, den wir kurz darauf erreichen. Nach einem Kilometer sind wir in Abainville, wo wir freudig ein kleines, geöffnetes Geschäft vorfinden. Wir kaufen zwei Dosen Cola und lassen uns anschließend auf den Treppenstufen der örtlichen gotischen Kirche nieder. Bevor wir unsere Mittagsvesper halten, besichtigen wir die offene Kirche, die durch ihre helle Gestaltung sehr freundlich erscheint. Dann befreien wir unsere Füße von Socken und Schuhwerk und stellen fest, dass alles in Ordnung ist. Nach der Mahlzeit wird es wieder Zeit, das verbleibende Stück bis nach Gondrecourt zu absolvieren. Wir laufen durch ein kleines Gewerbegebiet entlang des Flusses „Ornain“ und tauchen am Ortsende in eine grüne Oase ein. Unterwegs passieren wir eine große Fischzucht und stehen gegen 14.45 Uhr vor unserem „Hôtel Central“.

Auch hier haben wir kaum Schwierigkeiten, uns verständlich zu machen. Ich nutze mein weniges Französisch und Jörg spricht Englisch. Da unser Zimmer noch nicht fertig ist, bestellen wir uns etwas zu trinken. Unser Durst ist sehr groß, unser Deckel weist anschließend vier Bier, eine Cola und einen Espresso auf. Zudem haben wir eine angenehme Unterhaltung mit dem Chef des Hauses, der uns gute Tipps für den morgigen Tag gibt. Dabei erzählt er, dass er schon einmal in Koblenz war! Das ist eine Überraschung und Grundlage für einen weiterhin guten Verlauf. Er empfiehlt uns, morgen ein Stück mit dem Taxi zu fahren, da die zu erwartende Strecke um die 35 Kilometer lang sein wird. Das Taxi würde er uns morgen bestellen. Dieses Angebot nehmen wir sehr gerne an, da wir sowieso schon mit dem Gedanken gespielt hatten, die morgige Tour etwas abzukürzen. Dann ist auch das Zimmer fertig, eine kleine Kammer unter dem Dach mit einem kleinen Bad mit Dusche dabei. Das reicht uns völlig und wir sind sehr zufrieden damit. Nach dem Duschen besichtigen wir die im 10. Jahrhundert erbaute romanische Kirche, die uns sehr ursprünglich vorkommt. Mir gefallen solche alten Kirchen sehr. Anschließend machen wir einen Spaziergang durch den Ort und erklimmen eine Anhöhe mit wunderschönem Ausblick und einem Turm aus dem 15. Jahrhundert, der jetzt ein Rittermuseum beherbergt. Auf dem Weg zurück zum Hotel kaufen wir in einem Supermarkt unseren Getränkevorrat für morgen ein, als Zugabe noch einen Viererpack „Magnum Pistazie“. Das Eis wird direkt auf einer Mauer am „Ornain“ vernichtet. Nach einer kurzen Pause in unserem Zimmer nehmen wir im Hotel unser Abendessen ein. Dabei sitzen wir unmittelbar über dem Fluss und können Schwäne und Forellen beobachten. Wir bekommen: entrecôte, frites, salade, fromage blanc avec rhubarbe und eine Flasche Medoc. Es schmeckt sehr gut und wir begeben uns anschließend zufrieden zur Nachtruhe.

   

 

 

 

Von Gondrecourt-le-Château nach Joinville (26. Mai 2012)

Nach dem üblichen französischen Frühstück (Baguette, Croissants, Marmelade, Butter sowie Kaffee oder Kakao) holt uns wie vereinbart ein Taxi ab. Wir erklären der Fahrerin mittleren Alters, so gut es geht, unser Vorhaben und sie bringt uns ins zwölf Kilometer entfernte Cirfontaines-en-Ornois. Damit müssen wir heute nur eine Strecke von rund 22 Kilometern zu Fuß gehen. Die Fahrt hat uns zwar dreißig Euro gekostet, aber das war es uns wert. Wir werden am Ortseingang an einer Kreuzung rausgelassen und die Fahrerin wünscht uns noch einen guten Weg. Wir durchlaufen Cirfontaines-en-Ornois auf der D 115 und passieren die Kirche, die eher einem römischen Tempel ähnelt und auch verschlossen ist. Es wäre sicherlich interessant gewesen, mal einen Blick in Innere zu werfen. Nach knapp vier Kilometern erreichen wir das Dörfchen Harméville, wo uns eine ältere Dame entgegenkommt und uns direkt in akzentfreiem Deutsch anspricht. Während des kurzen Gesprächs stellt sich heraus, dass sie aus der Nähe von Saarbrücken stammt und hier mit ihrem französischen Mann lebt.

Wir bleiben weiterhin auf der beinahe autofreien Landstraße und müssen hinter dem nächsten Dorf Soulaincourt einige Höhenmeter zu einem Hochplateau erklimmen. Um uns herum befinden sich zahlreiche steinige Äcker. Oben angekommen, haben wir das Glück, aus der prallen Sonne zu entfliehen und wieder durch eine schattige Waldpassage zu laufen. Nach einer halben Stunde durch grünes Weideland treffen wir in Sailly ein, wo wir an der „Église Saint-Maurice“ aus dem 12. Jahrhundert eine kurze Pause machen. Wir prüfen unsere Füße und schmieren sie noch einmal mit etwas Hirschtalg ein. Auch heute bereitet mir das Gehen in Sandalen keine Schwierigkeiten. Inzwischen sehen meine Waden auch schon besser aus. Jörg hat mir die Salbe gegeben, die er im vergangenen Jahr in der Apotheke in Vigy für seine Blasen gekauft hatte. Auf einmal spricht uns ein älterer Landwirt an und fragt ob er den Schlüssel für die Kirche holen soll. Wir haben kaum geantwortet, da ist er auch schon wieder weg und schließt uns wenige Minuten später die Kirche auf. Wir können gerade noch ein „Merci“ rufen, da ist er erneut verschwunden und überlässt uns die Kirche. Wir stellen unsere Rucksäcke an der Kirchenmauer ab und nutzen die Gelegenheit zur Besichtigung. Die Inneneinrichtung ist recht spärlich und hat wohl schon bessere Zeiten erlebt. Aber ich glaube, für die Dorfbewohner ist sie immer noch etwas Besonderes. Während ich mir Bilder, Skulpturen, die baufällige Kanzel oder den Altar anschaue, spreche ich leise ein Gebet. Wir verlassen die Kirche unverschlossen, da unser Gönner nirgendwo zu sehen ist und begeben uns wieder auf die D 115.

Es dauert erneut eine halbe Stunde und wir durchlaufen Noncourt-sur-le-Rongeant. Kurz darauf sind wir bereits in Poissons, wo wir zunächst die „Église Saint-Aignan“ aus dem 16. Jahrhundert besichtigen. Dazu müssen wir zunächst circa zwanzig Treppenstufen hochlaufen, kommen dann durch einen Vorbau in den etwas gedämpften Innenraum. Auch diese Kirche wirkt auf mich wieder sehr ursprünglich. Auf dem weiteren Weg überqueren wir ein kleines Gewässer mittels mehrerer Brücken, das idyllisch durch das Dorf fließt. Dann finden wir ein schattiges Plätzchen und entschließen uns, hier Mittagsrast zu machen. Unser Mahl besteht heute aus Baguette und Wildschweinsalami, dazu gibt es ein fruchtiges Mineralwasser aus den Vogesen. Jetzt wird es Zeit, weiterzulaufen. Zunächst bleiben wir noch eine Weile auf der D 115, biegen dann aber auf eine frühere Bahntrasse ab. Mit zunehmender Strecke wird der Untergrund immer steiniger, schließlich bewegen wir uns nur noch auf sehr grobem Schotter. Doch bald haben wir dieses quälende Stück hinter uns und laufen auf das Örtchen Suzannecourt zu. Dort besichtigen wir die „Église paroissiale de la Sainte-Croix“, die bereits im 12. Jahrhundert errichtet wurde. Beeindruckend sind die alten Fresken sowie die Ausgestaltung des Chores. Irgendwie spüre ich die Geschichten, die das alte Mauerwerk sicherlich erzählen kann. Nur ein paar Ecken weiter sind wir in Joinville, das wir über die D 60 betreten. In einem Supermarkt versorgen wir uns schon einmal vorsorglich mit ausreichend Wasser für den nächsten Tag. An der Kasse werden wir aufgefordert, unsere Rucksäcke zu entleeren. Anscheinend sehen wir nicht besonders vertrauenserweckend aus. Dann überqueren wir noch den „Canal de la Marne á la Saône“ und die Marne. Zunächst gehen wir zum Bahnhof, wollen dort einen Zug für morgen finden, der uns ein paar Kilometer mitnehmen kann. Für morgen stünden nämlich knapp 38 Kilometer an. Leider haben wir kein Glück, Züge fahren nur sehr selten ab Joinville. Vom Bahnhof gelangen wir über die „Rue Mauclère“ und die „Rue de Capucins“ zu unserer heutigen Herberge „Le Val du Roy“.

Mit der Eigentümerin Valérie Weber hatte ich bereits im Vorfeld öfter gemailt. Sie besitzt sowohl die französische als auch die schweizer Staatsangehörigkeit, lebte einige Jahre in der Nähe von Zürich und spricht sehr gut Deutsch. Sie war mir behilflich, in zwei Orten Unterkünfte zu organisieren, wofür ich sehr dankbar war. Wir sind etwas zu früh, werden aber sehr herzlich empfangen. Nachdem Valérie uns durch ihr Haus geführt hat, packen wir in dem uns zugewiesenen Zimmer „Jean de Joinville“ unsere Rucksäcke aus. Danach treffen wir uns im Garten und trinken gemeinsam etwas. Wir führen ein sehr nettes Gespräch und lernen ihre Lebensgeschichte kennen. Dabei müssen wir feststellen, dass es das Schicksal nicht immer gut mit ihr meinte. Sie erzählt uns, dass das Haus aus dem Jahr 1686 stammt und ursprünglich eine Schule für Nonnen war. Seit einem Jahr bietet sie drei geschmackvoll eingerichtete Zimmer als Chambres d´Hôtes an. Pilger hat sie schon öfter aufgenommen, und sie sagt, dass sie sogar am liebsten Pilger als Gäste hätte. Dann wird es für uns Zeit, die Dusche mit Massagestrahlen auszuprobieren. Valérie ist so lieb, und steckt unsere durchgeschwitzte Kleidung in die Waschmaschine. Danach sitzen wir wieder im Garten, hängen die Wäsche auf und unterhalten uns noch etwas. Im Laufe der Zeit treffen noch weitere Gäste ein: zwei Ehepaare aus Metz und Lausanne. Hier findet die Unterhaltung gleich dreisprachig statt: auf Französisch, Deutsch und Englisch. Ein weiteres französisches Paar bekommen wir während unseres Aufenthaltes erst gar nicht zu Gesicht. Das Abendessen nehmen wir in der Küche ein, was Valérie wohl ein wenig peinlich ist, da sie ein stilvolles Esszimmer besitzt. Jörg und ich betonen aber immer wieder, dass wir uns in der Küche sehr wohl fühlen. So zieht sich auch das Essen sehr angenehm in die Länge. Es gibt Salat, Reis und Hähnchen, dazu leeren wir je eine Flasche Rot- und Weißwein. Wir drei verbringen einen wunderschönen Abend mit großartigen Gesprächen, die teilweise sehr tiefgehend sind. Inzwischen haben wir auch entschieden, die morgige Etappe anders als geplant zu gestalten. Valérie macht uns das Angebot, uns mit dem Auto zum Startort nach Vignory zu bringen. Erst kurz vor Mitternacht überwiegt die Müdigkeit und wir ziehen uns in unser Zimmer zurück.

   

 

 

 

Von Joinville nach Colombey-les-Deux-Églises (27. Mai 2012)

Im Vergleich zu den bisherigen Nächten war diese recht kurz, aber der gestrige Abend war sehr schön und es hat sich gelohnt, erst spät ins Bett zu gehen. Wir nehmen um 8.00 Uhr ein reichhaltiges Frühstück im Esszimmer ein und packen anschließend unsere Rucksäcke. Auch heute werde ich wieder in Sandalen laufen, das geht besser, wie gedacht. Als Dank hinterlassen wir in Valéries Gästebuch noch einen herzlichen Eintrag. Uns hat es bei ihr sehr gefallen und wir können „Le Val du Roy“ jedem Pilger wärmstens empfehlen. Valérie gibt uns noch zwei Baguettes für unterwegs mit, dann werden wir von einem Freund nach Vignory gefahren. Dort setzt er uns direkt vor der romanischen „Église Saint Étienne“ ab, die wir zunächst erkunden. Die Kirche aus dem frühen 11. Jahrhundert ist eine der bedeutendsten romanischen Sakralbauten in der Champagne. Wir sind total begeistert und ich setze mich für einen ruhigen Moment, sauge die Stimmung der Kirche in mich auf. Um 10.30 Uhr schultern wir unsere Rucksäcke und machen uns auf den Weg.

Es geht zunächst rund fünf Kilometer bergauf durch ein Waldgebiet. Da die Sonne bereits kräftig scheint, ist der schattige Wald eine Wohltat. Bald sollen wir eine Kreuzung von sechs Wegen erreichen, aber irgendwie scheint unsere Wanderkarte mit der Realität nicht übereinzustimmen. Die von uns gewählte Route führt uns eher abwärts als zum höchsten Punkt des heutigen Tages. Zum Glück hat Jörg einen Kompass dabei und wir stellen rasch fest, dass wir falsch gelaufen sind. Nach Studium der Karte liegt nördlich von unserem Standort eine Straße, an der wir uns orientieren könnten. So marschieren wir nun auf dem eingeschlagenen Weg, der uns tatsächlich nach Norden bringt. Drei Kilometer weiter ist die Straße in Sichtweite und wir kennen jetzt auch unseren aktuellen Standort. Schnell finden wir einen Weg zu der angesprochenen Kreuzung, die wir nach einer halben Stunde bergauf erreichen. Aber auch hier scheint die Karte nicht ganz genau zu sein und wir müssen zwischen zwei Wegen wählen. Und wieder treffen wir die falsche Wahl und nehmen den verkehrten Weg, der immer schmaler wird und am Ende einem durch Waldtiere ausgetrampelten Pfad gleicht. So stehen wir dann auch vor einer mit Stacheldrahtzaun umgebenen Weide. Das Vieh befindet sich jedoch weit weg und wir überwinden das Hindernis. Darauf folgt ein Balanceakt über einen umgekippten Strommast, der als Steg über einen Bach dient. Auf der anderen Seite der Weide treffen wir auf eine Straße. Mithilfe der GPS-Ortung von Jörgs iPhone haben wir schnelle unseren Standort gefunden und laufen auf der D 113 in Richtung Lamothe-en-Blaisy durch ein grünes Tal. Auf der Kirchenmauer legen wir unsere Mittagsrast ein und verspeisen Baguette und Salami. Da die Kirche sogar geöffnet ist, nutze ich die Gelegenheit zur Besichtigung. Viel gibt es nicht zu sehen, es ist halt eine Dorfkirche, die in die Jahre gekommen ist, aber trotzdem einen gewissen Liebreiz besitzt.

Bis zu unserem heutigen Ziel Colombey-les-Deux-Églises dürfte es jetzt noch eine gute Stunde dauern. Wir laufen die D 235 entlang, nur einmal begegnet uns ein Auto, das aber mit hoher Geschwindigkeit! Am Horizont erscheint allmählich das überdimensionale „Lothringische Kreuz“, das zum Gedenken an General de Gaulle im Jahre 1972 errichtet wurde. Um 16.50 Uhr sind wir nach sechs Stunden reiner Marschzeit in Colombey. Unser Hotel „La Grange du Relais“ liegt direkt an der Durchgangsstraße. Wir bekommen ein Zimmer in einem Anbau im hinteren Bereich und machen eine großartige Entdeckung: einen Pool! Wir waschen zunächst unsere Kleidung und hängen sie zum Trocknen in die Sonne. Dann gibt es kein Halten mehr: Badehose anziehen und ab ins kühle Nass. Ich glaube, wir waren fast eine Stunde im Pool. Nach dem Duschen machen wir einen kleinen Spaziergang durch den Ort. Alles ist hier auf General de Gaulle ausgerichtet. Er hat hier seine letzten Lebensjahre verbracht und wurde auch hier beigesetzt. Der Friedhof liegt unmittelbar hinter der „Église Notre-Dame-en-Sons-Assomption“, deren älteste Teile aus dem 11. Jahrhundert stammen. Nach der Besichtigung der Kirche statten wir auch dem Grab des französischen Ex-Präsidenten einen Besuch ab. Das Areal in der Nähe ist übersät mit Kondolenztafeln ehemaliger und aktiver Truppen der französischen Armee sowie anderer Gruppierungen aus dem ganzen Land. Wieder zurück im Hotel nehmen wir im schattigen Garten Platz und bestellen unser Abendessen. Wir haben uns beide für ein Menü bestehend aus Salat mit Tomaten und Mozzarella sowie „boef avec frites“, entschieden. Dazu trinken wir eine Flasche Bordeaux, die uns aber etwas zu gehaltlos schmeckt. Als Dessert können wir aus verschiedenen Käsesorten wählen, den Abschluss bildet eine Portion Mousse au Chocolat. An einem der Nachbartische sitzt ein junger Mann, der nach unserer Musterung durchaus ein Pilger sein könnte. Ausschlaggebend für unser Urteil sind seine Wanderkleidung und ein Tagebuch, in das er gerade vertieft ist. Während wir noch die Reste des Desserts genießen, ist er aber schon verschwunden. Gegen 22.30 Uhr sind wir gut gesättigt und machen uns für die Nacht bereit.

   

 

 

 

Von Colombey-les-Deux-Églises nach Clairvaux (28. Mai 2012)

Heute steht für Jörg und mich der letzte gemeinsame Pilgertag an. Wir stehen bereits früh auf, ab 7.30 Uhr können wir gemäß Aushang frühstücken. So genau nimmt man es aber nicht mit der Zeit, erst eine halbe Stunde später ist angerichtet. Dafür ist das Angebot sehr reichhaltig. Es gibt Brötchen, ofenfrische Croissants, Marmelade, Kaffee, Tee oder Milch… Wir lassen es uns bereits schmecken, da betritt der junge Mann von gestern Abend den Frühstücksraum. Er wünscht uns auf Deutsch einen guten Morgen und wir fühlen uns in unserer Vermutung bestätigt. Christian kommt aus Bamberg und ist Santiago-Pilger! Wir bieten ihm gerne einen Platz an unserem Tisch an und beschließen recht bald, heute zusammen nach Clairvaux zu laufen. Christian ist 27 Jahre alt und studiert Latein, Griechisch und Geschichte. Er ist zunächst ab Ende April über Würzburg, Mainz und Bingen nach Trier zum Heiligen Rock gepilgert. Dort hat er sogar den Autor eines unserer Pilgerführer, Wolfgang Steffen, getroffen. Sein weiterer Weg führte ihn über Luxemburg, dann ist er gemäß dem Outdoor-Führer gelaufen und will über Vezélay nach St. Jean und Santiago.

Etwas später stehen wir abmarschbereit vor dem Hotel. Es geht zunächst durch den Ort, wo wir versuchen, unsere Wasservorräte aufzufüllen. Das gelingt uns dann auch in einem Andenkenladen. Wir gehen am Rande der D 23, vorbei am ehemaligen Landsitz von General de Gaulle. Der Straße folgen wir circa vier Kilometer, zweigen dann ab auf einen geschotterten Weg, der uns ständig leicht bergab in Richtung Clairvaux führt. Christian ist froh, sich nach einer Woche wieder einmal auf Deutsch unterhalten zu können. Auch für Jörg und mich kommt so etwas wie ein „Pilgerfeeling“ auf. Christian ist bisher der erste Pilger, den wir unterwegs getroffen haben. Wir führen eine gute Unterhaltung und es kommt uns so vor, als würden wir uns schon seit ewigen Zeiten kennen. Leider ist unser gemeinsamer Weg bereits nach zweieinhalb Stunden in Clairvaux beendet. Wir holen uns in der Abtei, die inzwischen überwiegend zu einem Hochsicherheitsgefängnis umgestaltet ist, unseren Pilgerstempel. Anschließend kehren wir noch in einem Restaurant ein und essen eine Kleinigkeit. Ein gemeinsames Foto wird auch noch gemacht und es folgt eine herzliche Verabschiedung.

Dann wird es Zeit, dass Jörg und ich uns zur Bushaltestelle begeben, denn um 12.42 Uhr wollen wir nach Bar-sur-Aube fahren. Da heute Pfingstmontag ist, fahren wohl keine Busse, und so bleibt uns nur die Alternative, die letzten vierzehn Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Hierfür benötigen wir etwas weniger als drei Stunden. Im Hotel „La Pomme d´Or“ trinken wir zunächst einmal zwei Bier und bekommen dann unser Zimmer gezeigt. Es ist in Ordnung, jedoch müssen wir morgen auf das Frühstück verzichten, da unser Zug nach Paris bereits sehr früh fährt. Jörg wäscht noch einmal seine Bekleidung, ich verzichte heute darauf. Nach der Körperpflege machen wir einen Spaziergang durch den Ort, erkunden schon einmal den Weg zum Bahnhof. Dabei besichtigen wir noch die Église Saint-Pierre, einem frühgotischen Bauwerk mit romanischen Elementen. Auf dem Rückweg kaufen wir uns in einer kleinen Pizzeria unser Abendessen, das wir im Freien vor dem Rathaus verzehren. Für den morgigen Tag besorgen wir uns in einem kleinen Laden etwas Obst. Zum Abschluss des Tages trinken wir noch etwas im Hotel und zahlen dann unsere Rechnung. Es ist noch nicht spät, als wir unsere Ausrüstung für die Abreise zurechtlegen.

   

 

 

 

 Bar-sur-Aube (29. Mai 2012)

Im Halbschlaf höre ich Vogelstimmen. Auch Jörg wird unruhig. Nach einer Weile schauen wir aus Spaß auf die Uhr und stellen voller Schrecken fest, dass wir verschlafen haben. Es waren keine Vogelstimmen, die wir seit geraumer Zeit gehört haben, das war unser Wecker! Jetzt wird es etwas hektisch. Wir ziehen uns rasch an und packen den Rest in die Rucksäcke. Nur fünfzehn Minuten später verlassen wir das Hotel und machen uns strammen Schrittes auf in Richtung Bahnhof. Wir sind rechtzeitig dort und können uns im Zug einen guten Platz aussuchen. In Paris trennen sich dann unsere Wege. Jörg fährt ab dem Gare Montparnasse über Dax und Bayonne nach Saint-Jean-Pied-de-Port, ich fahre über Saarbrücken nach Hause.

Im kommenden Jahr werden wir hier wieder in den Jakobsweg einsteigen und bis Vezélay pilgern. Ich treffe gegen 16.00 Uhr in Koblenz ein und werde von meiner Familie am Bahnhof abgeholt. Kurz darauf erhalte ich eine SMS von Jörg, der in Paris in den falschen Zug eingestiegen ist und heute nicht mehr nach Saint-Jean kommen wird. Ich buche ihm über das Internet noch ein Zimmer. Am nächsten Tag beginnt er sein Abenteuer auf dem Camino Francés und wird schließlich am 27. Juni in Santiago und am 1. Juli in Fisterra eintreffen. Aber das ist eine andere Geschichte…

 

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