Pilgerweg Loccum - Volkenroda 2014
Etappe |
Datum | Strecke | Länge | Gesamtlänge |
11a | 13.05.2014 | Bursfelde - Eschershausen | 22 km | 22 km |
10a | 14.05.2014 | Eschershausen - Silberborn | 22 km | 44 km |
9 | 15./16.05.2014 | Silberborn - Amelungsborn |
28 km | 72 km |
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Von Koblenz über Mainz zum Kloster Bursfelde (12. Mai 2014) Mitte März trudelte die Einladung zur diesjährigen Pilgerrüstzeit der evangelischen Militärseelsorge in meinem elektronischen Briefkasten ein. In diesem Jahr sollte vom Kloster Bursfelde zum Kloster Amelungsborn auf dem Pilgerweg Loccum - Volkenroda unter dem Motto „Da wird weit werden deine Grenze“ gepilgert werden. Am Anfang des Wegs befindet sich das ehemalige, 1131 gegründete Zisterzienserkloster Volkenroda in Thüringen. Von dort aus wurde 1163 das Kloster Loccum in der Nähe des Steinhuder Meeres errichtet, das den Endpunkt darstellt. Der Pilgerweg wurde 2004/2005 durch die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover zur Erinnerung an die Beziehung zwischen den beiden Klöstern eingerichtet. Ganz besonders erfreut war ich über die Teilnahme von solchen Kameraden, die schon seit einigen Jahren mit dabei sind. Dieses Mal wird unsere Gruppe mit einigen Teilnehmern aus dem Standort Seedorf begleitet. Auch meinen Pilgerfreund Jörg, mit dem ich auf dem Jakobsweg nach Spanien unterwegs bin, werde ich wieder treffen. In diesem Jahr wollten wir unseren Weg durch Frankreich nicht fortsetzen, sondern erst 2015 ab Vézelay weiterlaufen. Ich treffe mich um 11:00 Uhr mit Dirk und Michael in der Koblenzer Falckenstein-Kaserne, wo wir ein Fahrzeug übernehmen. Wir verpacken unsere Ausrüstung und machen uns auf den Weg nach Mainz zum evangelischen Militärpfarramt. Gegen 12:15 Uhr kommen wir dort an und werden bereits von unseren Mitpilgern erwartet: Steffi, Tanja, Jörg, Michael, Ralf, Kevin, Ioannis sowie Pfarrer Alex und sein Helfer Jörg. Bevor wir uns auf den Weg zum 260 Kilometer entfernten Kloster Bursfelde machen, beladen wir die Fahrzeuge mit Gepäck, Getränken sowie Snacks und stärken uns in der Truppenküche mit einem deftigen Mittagsmahl. Danach verteilen wir uns auf die Autos und fahren über Frankfurt und die A5 in Richtung Kassel und Niedersachsen. Nach einer ruhigen, jedoch mit zahlreichen Regenschauern versehenen Fahrt, erreichen wir gegen 16:30 Uhr unseren Startort Kloster Bursfelde, das unmittelbar an der Weser liegt. Es wurde 1093 vom Kloster Corvey (bei Höxter) gegründet. Heute sind von den ursprünglichen Bauten nur noch die Kirche mit ihrem Ost- und Westteil sowie der Westflügel erhalten geblieben. Nach dem Neubau des Südflügels auf den alten Grundmauern wirkt nun ein geistliches Zentrum der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover im Sinne des benediktinischen Gedankengutes. Bernd, Militärpfarrer aus Seedorf und Ines, Pfarrhelferin aus München, erwarten uns bereits und kurz darauf treffen noch Lothar und drei weitere Mitpilger aus Seedorf ein. Direkt neben der Klosterkirche befindet sich die Pilgerherberge in einer umgebauten Scheune. Wir werden von Biana, einer ehrenamtlichen Betreuerin der Herberge empfangen und in die Gegebenheiten eingewiesen. Um einen zentralen Platz mit Tischen und Stühlen sind am Rande des großen Raumes mit Spanplatten abgetrennte Zellen errichtet worden, in den zwei oder vier Pilger ihren Schlafplatz finden. Zwei Sanitärzellen, eine Küchenzeile und einen Trockenraum mit Waschmaschine und Trockner runden die Einrichtung ab. Traditionell beziehen Jörg und ich eine Kammer, wir entscheiden uns für die „Cella Jakob“. Ich entdecke im Eingangsbereich den Pilgerstempel und drücke diesen in die mitgebrachten Pilgerausweise. Nach dem Herrichten der Betten zeigt uns Biana das Klostergelände und das Weserufer. Sie gibt uns noch den Tipp, vor der Abendandacht in der Ostkirche um 18:00 Uhr unbedingt in die unbestuhlte, romanische Westkirche zu gehen und das Geläut der Glocken zu erleben. Mit einem dumpfen Rumpeln setzen sich die Glockenstühle in Bewegung. Kurz darauf erklingen die ersten zaghaften Töne, die im Laufe der Zeit immer intensiver werden und mit dem leeren Kirchenraum einen bevorzugten Resonanzkörper finden. Nach der Andacht begeben wir uns in die benachbarte Klostermühle und lassen uns das Abendessen schmecken. Ein ganz besonderes Erlebnis steht uns danach bevor. Um 21:00 Uhr findet das Abendgebet eines im Hause stattfindenden Kurses statt, zu dem wir vom Geistlichen Zentrum zur Teilnahme eingeladen wurden. Jeder entzündet sich eine Kerze und geht auf die Empore der dunklen Westkirche. Mit einem Lied schreiten wir eine Wendeltreppe hinab in und durch den Kirchenraum, entzünden rund um den Altar weitere Kerzen. Ich lasse den Raum, das Kerzenlicht und den Gesang auf mich wirken, lehne mich an einen Jahrhunderte alten Pfeiler. Ich schließe die Augen und habe den Eindruck, in die Zeit des mittelalterlichen Benediktinerklosters einzutauchen. Nach dem Verstummen des Liedes wird ein Gebet gesprochen, der Segen erteilt und ein weiteres, griechisches Lied angestimmt. Wer möchte, verlässt die Kirche wieder über die Treppe. Ich verbleibe noch einen Moment auf der Empore und genieße noch ein wenig diesen emotionalen Einstieg in die Pilgertage. Wir gehen schweigend zurück in die Herberge und nur allmählich kommen wieder Gespräche auf. Ich glaube, nicht nur mich hat das Abendgebet ergriffen. Zum Abschluss des Abends rücken wir die Tische zusammen und versammeln uns zu einer kurzen Vorstellungsrunde, bei der jeder ein wenig von seinen bisherigen Pilgererlebnissen und seinen Erwartungen an die kommenden Tage erzählt. Ines verteilt zudem an jeden eine „Pilgerapotheke“: in einem kleinen Behälter befinden sich nicht nur Pflaster für körperliche Wunden, sondern vornehmlich Sprüche als Begleiter während des Pilgerns. Davon solle man sich vor dem Abmarsch einen ziehen und diesen als Leitspruch für den Tag nutzen.
Von Kloster Bursfelde nach Eschershausen (13. Mai 2014) Schon sehr früh regen sich die ersten Mitpilger in ihren Zellen, ich finde jedoch noch das ein oder andere Mal wieder in einen leichten Schlaf. Schließlich wird es doch Zeit, aufzustehen, sich frisch zu machen und das Gepäck schon einmal einigermaßen zu ordnen. Wer möchte, und das sind eigentlich alle, kann um 8:00 Uhr am Morgengebet mit Abendmahl teilnehmen. Für den in der Kirche ausliegenden Pilgerstempel habe ich den Stapel Pilgerausweise direkt mitgenommen. Nach dem morgendlichen Impuls feiern wir das Abendmahl in einem großen Kreis um den Altar. Dabei kann jeder den Namen von Menschen nennen, offen oder in Gedanken, die ihm nahe stehen und die Fürsprache Gottes benötigen. Nach dem reichhaltigen Frühstück in der Klostermühle heißt es einpacken, Rucksack schultern und der Pilgerherberge den Rücken zeigen. Schon nach wenigen Schritten beginnt es leicht zu nieseln, der Himmel ist mit grauen Wolken verdeckt und es ist frisch. Ich habe mir ohne zu zögern meine warme Jacke übergezogen, die auch Regen abweist. Wir folgen leicht aufwärts durch knöchelhohes Gras der Wegmarkierung, einem blauen Zisterzienserkreuz auf weißem Grund, bis in den Wald hinein. Wir halten uns an der ersten großen Kreuzung links und wandern auf der Höhe immer parallel zur Weser. Schließlich verlassen wir den Wald und steigen hinab durch Felder auf einen Ort zu. Es ist aber nicht, wie zunächst vermutet, Fürstenhagen, sondern Oedelsheim. Wir haben uns direkt an der ersten Kreuzung verlaufen und sind so auf eine Nebenstrecke des Pilgerweges geraten. Nachdem die weit auseinander gezogene Gruppe wieder beisammen ist, beschließen wir nach Kartenstudium, wieder auf den ursprünglich angedachten Weg zu stoßen. In Oedelsheim besorge ich den Pilgerstempel, während der Rest auf Jörg Bertram wartet, der uns mit weiterem Kartenmaterial versorgt. Auf dem Weg nach Vernawahlshausen laufen wir an einem Kneipp-Becken vorbei, das einige von uns ausgiebig testen. Am Ortseingang verbringen wir, etwas abseits der von uns genutzten, kaum befahrenen Kreisstraße, unsere Mittagsrast mit Fleischwurst und Brötchen. Nach einer Weile brechen Jörg, Dirk und ich schon einmal auf, um in der Margarethenkirche den Pilgerstempel zu besorgen. Der fast romanische Chor ist der älteste Teil des hellen und mit mittelalterlichen Fresken ausgemalten Gotteshauses und entstammt dem frühen 12. Jahrhundert, das Kirchenschiff ersetzte 1589 einen Vorgängerbau. Imposant wirkt der mittelalterliche Wehrturm, der 1744 mit einer Fachwerkkonstruktion aufgestockt wurde. Über eine schmale Treppe gelangen wir auf die nachträglich eingebaute Empore, wo sich hinter der Orgel der Stempel verbirgt. Kurz darauf trifft auch der Rest der Gruppe ein und wir halten spontan eine kurze Andacht mit Gebet und Gesang in dem atmosphärisch wirkenden Kirchlein. Das letzte Stück des heutigen Tages wird noch einmal sehr abwechslungsreich: einerseits beginnt es wieder einmal leicht zu regnen, Ponchos werden übergeworfen und Schirme aufgespannt. Andererseits laufen wir zunächst parallel zu einer Bahnstrecke, verpassen dann aber an einem Viadukt die Zuwegung zu einem etwas höher gelegenen Fahrradweg nach Uslar. Ersatzweise bewegen wir uns einige Meter darunter, wie auf einer Perlenschnur aufgereiht, an einer gut befahrenen Landstraße auf das Städtchen zu. Unbeschadet erreichen wir unser Ziel und steuern zunächst die St.-Johannis-Kirche mit ihrem wunderschönen handgeschnitzten, dreiteiligen Flügelaltar an. Auch dort verweilen wir einen Moment, jeder für sich gibt sich seinen eigenen Gedanken hin. In der Tourist-Info erhalten wir von der freundlichen Mitarbeiterin neben dem örtlichen Pilgerstempel auch wertvolle Hinweise zur Erreichbarkeit unserer Unterkunft im Ortsteil Eschershausen. Nach einer kurzen Kaffeepause wird Lothar von unserer guten Seele Jörg mit dem Auto mitgenommen, er hat sich einige Blasen gelaufen und wird sich in den nächsten Tag gemeinsam mit Jörg um unser aller Wohl kümmern. Wir verlassen Uslar gemäß der ausgehändigten Beschreibung an der ehemaligen Jugendherberge und einem Schulgebäude auf einem schmalen Weg an einem kleinen Bach entlang. Inzwischen hat sich der Regen verzogen und es scheint die Sonne. Vor uns erscheinen die ersten Häuser von Eschershausen, das wir allerdings noch vollständig durchqueren müssen, bis wir unsere heutige Bleibe, das Gasthaus Johanning, erreichen. Jörg und ich beziehen unser Zimmer im ersten Stock und machen uns gleich an die abendliche Pflege von Körper und Material. Nach der Abendandacht auf der Terrasse des Gasthauses wird uns durch den Hausherrn das Menü vorgestellt, bestehend aus regionalen Spezialitäten. Es schmeckt hervorragend, sodass durch die ständige Sauerstoffzufuhr das Hungergefühl etwas stärker ausgeprägt ist und einige Stückchen Gemüse und Fleisch zusätzlich verspeist werden. Nach und nach wird unsere abschließende gemütliche Runde kleiner, nach 22 Kilometern ist für die meisten eine ausreichende Nachtruhe notwendig.
Von Eschershausen nach Silberborn (14. Mai 2014) Nach dem großzügigen Frühstück im Frühstücksraum im Nachbargebäude heißt es wie jeden Morgen, das Gepäck in das Begleitfahrzeug zu verstauen. Ich behalte allerdings, auch wie immer, meinen Rucksack auf dem Rücken. In diesem Jahr erlaube ich mir jedoch den Luxus, aufgrund der Witterung eine zusätzliche Tasche mit dabei zu haben. Die Morgenandacht gestaltet heute Ines auf der Holzterrasse, danach marschieren wir körperlich und geistig gestärkt und mit einem Tagesspruch aus der Pilgerapotheke los, zunächst durch Eschershausen. Wir folgen schließlich einem asphaltierten Weg in die Höhe und gelangen über ein kurzes Wiesenstück auf einen Weg entlang des Waldrandes. Es geht weiter aufwärts auf weichem Untergrund, bis wir auf dem 446 m hohen Strutberg auf den Sollingturm stoßen. Hier machen wir eine erste kurze Pause, erklimmen die zum Teil schmalen Stufen im Inneren des circa 30 Meter hohen Turmes. Der wurde von 1934 bis 1935 als Hitlerturm aus Stein errichtet und sollte als Anreiz für Touristen herhalten. Von der Aussichtsplattform hat man einen wunderschönen Ausblick, und das Wetter lässt einen solchen sogar zu. Allerdings pfeift mir der Wind ganz schön um die Ohren und so mache ich mich bald wieder an den Abstieg.. Wir machen uns wieder auf den Weg, der uns leicht abfallend wieder an den Waldrand bringt. Dabei führe ich ein sehr intensives Gespräch mit einem Seedorfer Kameraden, der sich nach dem Beginn des Ruhestandes ehrenamtlich in einem Hospiz engagiert. Es beginnt zudem wieder einmal mit einem leichten Niederschlag, sodass einige ihren Regenschirm aufspannen oder sich ihren Poncho überziehen. Am Lunauborn verlassen wir „unseren“ Weg und gehen auf einem Seitenweg weiter bis nach Schönhagen, wo wir in der Martin-Luther-Kirche eine Mittagsandacht halten und uns den nächsten Pilgerstempel sichern. Gegenüber der Kirche befindet sich am Eingang des Pfarrhauses ein Verkehrsschild, das vor einem eilenden Pfarrer warnen soll. Das ist eine gute Gelegenheit, unsere beiden Geistlichen dort zu einem Fototermin zu bitten. Mittels Wanderkarte suchen wir uns eine passende Route, die uns am Waldrand entlang bis zu einem Campingplatz bringt, an dem wir von Lothar und Jörg zur Mittagspause erwartet werden. Eine gute halbe Stunde später verlassen wir den Platz und gehen durch ein kleines Tal bis auf Höhe des Forsthauses Steinborn. Dort wenden wir uns nach links auf einen anspruchsvollen, aufsteigenden Waldweg. Das Wandertempo wird nun von jedem sehr individuell gestaltet und die Gruppe zieht sich deutlich auseinander. Nach dem Überwinden des höchsten Punktes geht es gefühlt genauso lange wieder abwärts. Rechts und links säumen Steinwälle die dahinter liegenden Weideflächen. Wir erreichen Neuhaus im Solling, orientieren uns kurz, laufen zunächst geradeaus in den Ort hinein und wenden uns dann nach rechts bis zur evangelischen Christuskirche. In dieser Kirche sind Pilger willkommen. Es stehen Getränke und Sitzgelegenheiten im Nebenraum des Gotteshauses bereit. Spontan bilden wir einen Stuhlkreis und halten eine Nachmittagsandacht sowie eine Gesprächsrunde zu unserem Rüstzeitthema „Da wird weit werden deine Grenze“. Jeder hat hierbei die Gelegenheit, zu berichten, wo schon einmal die eigenen Grenzen weit geworden sind. Überrascht hat mich dabei die Offenheit unserer Pilgergemeinschaft, denn es wurden zum Teil sehr persönliche Geschichten preisgegeben. Gebet und Gesang runden die zusätzliche Pause ab, dann heißt es wieder, aufzubrechen. Der Pilgerpfad führt uns durch ein Waldgebiet entlang an einem Bächlein bis nach Silberborn, wo wir heute nächtigen werden. Während Jörg und ich in der Kirche noch den Pilgerstempel besorgen, laufen die anderen bereits zu unserer Unterkunft, dem „Landhaus Sollingshöhe“. Nach dem üblichen Prozedere genehmigen wir uns eine Mini-Auszeit und schließen für einen Moment die Augen. Dann wird es Zeit für die Abendandacht und ein üppiges Essen.
Von Silberborn nach Stadtoldendorf (15. Mai 2014) Die Morgenandacht führen wir unmittelbar vor dem Frühstück durch, danach heißt es einpacken und loslaufen. Zunächst geht es ans Ende von Silberborn. An einem großen Holzkreuz mit Pilgerstab biegen wir nach links ab in ein Waldstück. Schon bald führen Holzstege nach links in ein Naturschutzgebiet, das Hochmoor Mecklenbruch. Von einem Aussichtsturm haben wir einen guten Überblick auf große Teile des Gebietes. Hinweistafeln erläutern das hochsensible Ökosystem des Moores, aus Baumstümpfen hat man Tierskulpturen gefertigt. Es geht weiter auf einem breiten Weg durch ein langgezogenes Waldgebiet. Unterhalb der Anhöhe Vogelherd erreichen wir den höchsten Punkt des Pilgerweges Loccum-Volkenroda, dargestellt durch die Inschrift auf einer Steintafel rechter Hand. Ab diesem Punkt beginnt eine Stunde des Schweigens, in der wir unsere Sinne öffnen und in uns hineinhören sollen. Im Verlauf des weiteren Weges wundern wir uns, dass es, trotz des Hinweises auf den höchsten Punkt, immer noch aufwärts geht. Schließlich kommt Alexander mit der Karte angelaufen und wir stellen tatsächlich fest, dass wir an einem Abzweig vorbeigelaufen sind. Zudem geben uns Wegweiser nach Silberborn zusätzlich Sicherheit über die falsche Richtung. Glücklicherweise sind es nur rund 500 Meter, die wir zu viel gelaufen sind. Also drehen wir um, setzen unser Schweigen fort und laufen weiter leicht abwärts durch den Wald. Ein leichter Wind und das Gezwitscher von unsichtbaren Vögeln sind unsere Begleiter. An der Waldmühle müssen wir eine kurze Steigung überwinden und befinden uns dann in Schießhaus, einem Weiler mit elf Häusern. Am Zaun des Forsthauses machen wir Mittagsrast. Lothar und Jörg haben bereits die Bierbänke aus dem Begleitfahrzeug aufgebaut und servieren uns ein halbes Hähnchen, lecker! Nach der Pause geht es weiter auf dem Waldweg bis nach Schorborn. Unterwegs begegnen uns einige Männer und Frauen, die auch auf dem Pilgerweg unterwegs sind. Mit meinem „Buen Camino“ können sie allerdings nichts anfangen. In Schorborn biegen wir rechts ab bis zum Waldrand und wandern weiter bis nach Deensen. Nach meinen Unterlagen gibt es in der dortigen evangelischen Gutskirche St. Nicolai aus dem beginnenden 16. Jahrhundert einen Pilgerstempel. Leider ist die Kirche verschlossen und die Anrufe bei den angegebenen Telefonnummern sind erfolglos. Irgendwie wollen alle aber genau diesen Pilgerstempel haben, warum auch immer. Ich sage dann zu, dass ich diesen einen „Stempel“ in die Pilgerausweise nach Vorlage des im Aushang abgebildeten Pfarrsiegels zeichnen würde. Wir setzen den letzten Abschnitt abseits des markierten Pilgerweges fort und gehen östlich nach Braak. Dort organisiert Kevin den Schlüssel für die kleine, schlichte Dorfkirche, die zudem noch über einen Gruppenraum und sanitäre Anlagen verfügt. Wir lassen uns eine Weile nieder und halten eine kurze Andacht mit Gebet, Gesang und Segen ab. Über einen Feldweg durch ein Naturschutzgebiet gelangen wir nach Stadtoldendorf zur ehemaligen Kaserne, in der sich nach der Auflösung der Bundeswehrdienststellen einige Firmen und der Freizeitpark Mammut (für Freunde von Offroad-Fahrzeugen), unsere heutige Herberge, niedergelassen haben. Jörg und ich beziehen unsere Stube, die mit einer früheren Unterkunft für Soldaten nicht mehr viel gemein hat. Im Gegenteil, sie ist mit lediglich zwei Betten und zwei Stühlen noch spärlicher ausgestattet als der uns gut bekannte Standard für Soldaten. Inzwischen ist auch die Wolkendecke etwas aufgelockert und die Sonne kommt wärmend durch. Auf einer Bank vor dem Gebäude sitzend schmeckt das kühle Bier dabei umso mehr. Lothar und Jörg kümmern sich bereits um das Abendessen, heute wird gegrillt. Nach dem Essen versammeln wir uns im gemütlich eingerichteten Aufenthaltsraum, der mit einem Holzofen geheizt wird. Im Rahmen der Abendandacht kommt jeder noch einmal zu Wort und kann seine Eindrücke, aber auch Kritik an der Pilgerrüstzeit, vorbringen. Jörg verteilt an jeden Teilnehmer zur Erinnerung eine Urkunde sowie einen Silberanhänger in Form einer Jakobsmuschel. Zum Abschluss des Abends schauen wir uns gemeinsam das erste Relegationsspiel zur Fußball-Bundesliga zwischen Hamburg und Fürth an.
Von Stadtoldendorf nach Kloster Amelungsborn und über Mainz nach Koblenz (16. Mai 2014) Unmittelbar nach dem Frühstück brechen wir auf zu den letzten Kilometern der diesjährigen Pilgerrüstzeit. Jörg und ich gehen schon voraus, um beim Gemeindebüro den Pilgerstempel zu holen. Dort wird uns freundlicherweise der Schlüssel für die evangelische Kirche angeboten, den wir gerne entgegennehmen. Inzwischen trifft auch der Rest der Gruppe ein und wir versammeln uns zu einem Lied im bunt ausgemalten Chorraum. Alexander trägt zudem aus der dort aufgeschlagen liegenden Bibel vor. Auf dem Weg durch die Stadt folgen wir den Wegzeichen des Pilgerweges, diese führen aber wieder in die andere Richtung nach Silberborn. Wir versuchen, auf den richtigen Pfad zurückzugelangen, dabei werden zwei verschiedene Wege gewählt. Eine Gruppe folgt zunächst der Bahntrasse oberhalb des Forstbachtales und lässt sich schließlich aufgrund der fortgeschrittenen Zeit von Dirk und Jörg abholen. Wir erreichen über eine abwärts führende Straße wieder auf den Pilgerweg, durchlaufen das romantische Tal bis zum Klosterteich und steigen ein letztes Mal aufwärts bis zum Klostergelände. Oben angekommen treffen wir am Kirchenportal auf eine Frau mit ihrer Tochter, die beide meinen Pilgergruß erwidern und uns ein paar Tipps für die Klosterkirche geben. Zunächst drücken wir den letzten Pilgerstempel in die Ausweise und sehen uns danach die Kirche an. Anschließend lassen wir uns auf einer Bank nieder und kommen mit dem Küster ins Gespräch, der gerade mit Gartenarbeiten beschäftigt ist. Er erzählt uns so einiges aus der älteren und neueren Geschichte des Kloster Amelungsborn. Zum Abschluss der Pilgertage feiern wir im Bereich des rechten Chorumgangs einen Gottesdienst mit Abendmahl. Und dann heißt es Abschied nehmen. Bernd muss noch zu einer Veranstaltung nach Würzburg und nimmt Ines mit, die Seedorfer fahren nach Norden und der Rest verteilt sich auf die beiden Fahrzeuge nach Mainz. Wohlbehalten kommen wir am Nachmittag in Mainz an, entladen die Fahrzeuge und verabschieden uns von allen. Eine gute Stunde später sind Dirk, Michael und ich wieder in Koblenz.
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